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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

25. November 2001

Afghanistan-Konferenz in Bonn / Rezession in Deutschland?

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Die für Dienstag in Bonn geplante Konferenz über die Zukunft
Afghanistans war in dieser Woche ein herausragendes Thema der Kommentare in den ausländischen Tageszeitungen. Auch die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland wurde kommentiert. Mit der bevorstehenden Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn befasst sich die konservative französische Tageszeitung "Le Figaro" und schreibt:

"Das Bild ist beeindruckend: Joschka Fischer, der Außenminister, wird in Anwesenheit von Colin Powell den Vorsitz der Konferenz über die Zukunft Afghanistans führen. Der gleiche Joschka Fischer, der in den vergangenen Monaten die Figuren der europäischen Diplomatie im Nahen Osten bewegt hat. Die Vertreter des afghanischen Puzzelspiels wollen lieber in Bonn als in Washington verhandeln. Und die USA sind daran interessiert, Deutschland zu stärken, das seinen Status als Verbündeter aufwerten will - mit Erfolg."

Soweit die Sicht des "Figaro". Wenig Grund für Optimismus sieht das niederländische unabhängige "Algemeen Dagblad":

"Es geht um die Bildung einer vorläufigen Verwaltung, die auf
möglichst breiter Grundlage ruhen und für die verschiedenen
Bevölkerungsgruppen repräsentativ sein soll. Da Afghanistan in den vergangenen 20 Jahren unaufhörlich von Gewalt und Anarchie geplagt wurde und eine bürgerliche Verwaltung völlig fehlte, wird dies ein überaus komplizierter Prozess. Es gibt wenig Grund für Optimismus...
Unter den Afghanen sind Stimmen zu hören, wonach man alles möglichst selbst regeln sollte, um die Akzeptanz zu vergrößern. Aber die internationale Koalition gegen den Terrorismus ... hat keinen Grund, auf einen gewaltlosen Übergang zu einer ordentlichen Regierung zu
vertrauen."

Ebenso wie das "Algemeen Dagblad " meint auch die römische linksliberale Tageszeitung "La Repubblica", dass der Weg zur Regierungsbildung lang sein wird:

"Das Ja der Nordallianz zur Einladung der Vereinten Nationen zum Gipfel zwischen den verschiedenen afghanischen ethnischen Gruppen, der ... am kommenden Dienstag in Bonn stattfinden wird, ist nur die erste Stufe eines diplomatischen Prozesses, der ziemlich lang sein dürfte. Der Gipfel wird, wie der UN-Vertreter in Kabul, Francesco Vendrell, selbst zugegeben hat, eher einen symbolischen Wert haben. Das, was auf dem Feld passiert ... lässt keine allzu nahe Lösung für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit erwarten."

Dies die Meinung von "La Repubblica". Die unabhängige Pariser Zeitung "Le Monde" schreibt über die Rolle von Bundeskanzler Gerhard Schröder nach der Entscheidung über die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg gegen den Terror:

"Sollten tatsächlich Einheiten der Bundeswehr nach Zentralasien geschickt werden, dann wären es Sanitätseinheiten oder Truppen zur logistischen Unterstützung. Kein militärischer Einsatz, sondern ein symbolischer und damit auch politischer Einsatz. Gerhard Schröder gehört der Generation der nach dem Krieg Geborenen an, welche die Hemmungen der Älteren nicht mehr kennt. Diese Generation will ein emanzipiertes, souveränes Deutschland, mit einem Wort: ein normales Deutschland, das wie alle anderen großen Länder der Welt seine Interessen zu verteidigen weiß."

Das war abschließend zu diesem Thema "Le Monde". Der in Zürich erscheinende "Tages-Anzeiger" beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Lage in Deutschland:

"Zur Wirklichkeit gehört, dass Deutschland am Rande einer
Rezession steht, beim Wachstum als EU-Schlusslicht "glänzt" und neue Spitzen der Massenarbeitslosigkeit befürchten muss. Doch die große Volkspartei SPD bringt noch längst nicht die Kraft auf, mit alten Besitzständen, Gepflogenheiten und Tabus zu brechen, sich für Reformen des überregulierten Arbeitsmarktes zu öffnen."

Ebenso wie der "Tagesanzeiger" sieht auch die Londoner "Financial Times" Deutschland auf dem Weg in die Rezession:

"Deutschland wollte im Jahr 2001 seine Wirtschaft feiern. Es war damit gerechnet worden, dass die Arbeitslosigkeit weiter fällt und das Wirtschaftswachstum steigt. Die Wahrheit sieht anders aus ...
Die jüngsten Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt - und düstere Aussichten für das 4. Quartal - deuten eine Wirtschaftsrezession an. Dafür sind allein interne Faktoren verantwortlich. Schwaches Verbraucherverhalten und sinkende Investitionen haben den jüngsten Rückgang bewirkt. Wenn die Deutschen nicht dazu veranlasst werden können, mehr Geld auszugeben, wird Deutschland - wie Japan - unter einer langfristigen Schwäche bei den Verbraucherausgaben leiden."

Soweit die "Financial Times" und soweit auch diese Presseschau - zusammengestellt von Helmut Schmitz.