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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Reinhard Kleber10. November 2007

Krise in Pakistan

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Seit rund einer Woche gilt in Pakistan trotz internationaler Kritik der Ausnahmezustand. Mit dem Außerkraftsetzen der Verfassung hat der Machthaber Pervez Musharraf die politische Krise in dem Atomwaffenstaat erheblich verschärft. Der brisante Machtkampf in dem Nachbarland Afghanistans hat im Westen zu großen Sorgenfalten geführt. Auch die europäischen Zeitungen greifen das Thema auf.

Der Wiener KURIER sieht im Machtverlust des Präsidenten Musharraf eine zunehmende Gefahr auch für die westliche Welt:

„Es ist unklar, wie lange die 1,4 Millionen Soldaten umfassende Armee, die zu einem Wirtschaftsimperium wurde, loyal zum General steht. Schließlich wollen Businessmen Stabilität und Berechenbarkeit, nicht Chaos und Zerfallserscheinungen. Gefährlich ist die Entwicklung aber nicht nur für einen selbstherrlichen Herrscher in Asien, sondern für die ganze Welt. Pakistan ist nicht nur wichtigster US-Verbündeter im "Anti-Terror-Krieg", sondern längst Paradies für Terroristen auch aus Deutschland, England, Spanien. Und es ist die einzige islamische Atommacht. Genau aus diesem Grund kommen aus dem Westen auch nur moderate Bitten an Musharraf und nichts von dem Druck, den etwa die Nicht-Atommacht Iran erlebt.“

Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich beurteilt die Lage anders:

„Bei aller Empörung über das autokratische Gebaren von Pervez Musharraf: In Pakistan gibt es, nüchtern betrachtet, zurzeit keine Alternative zum Machthaber, der noch immer abwechselnd im präsidialen Anzug und in der Uniform des Armeechefs auftritt. Das mag erklären, warum die Demonstrationen gegen sein Regime nach der Verhängung des Ausnahmezustandes bisher erstaunlich klein waren. Das erklärt wohl auch, warum die ausländischen Alliierten, allen voran die Vereinigten Staaten, zwar auf ihn einredeten, ihm gleichzeitig aber auch den Rücken stärkten. Musharraf ist zwar unpopulär wie nie und von allen Seiten angefeindet. Doch die Armee, die allmächtige, scheint er fest im Griff zu haben, und mit ihr das Nukleararsenal Pakistans.“

Die britische Zeitung TIMES beurteilt die Lage ähnlich:

„Großbritannien und die USA sind von der Entwicklung in Pakistan, die nichts anderes als ein Putsch ist, bloßgestellt worden. Keines der Länder ist in der Lage, mit dem pakistanischen Armeechef Musharraf zu brechen. Der General spielte eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen islamistische Extremisten, beim Beenden der sinnlosen Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan und beim harten Durchgreifen gegen Terroristencamps. In Wahrheit gibt es weder eine wahre Alternative zu Musharraf noch ist es ohne ihn möglich, die Grenze zu Afghanistan zu stabilisieren.“

Die französische Zeitung PARIS-NORMANDIE sieht vor allem die US-Außenpolitik in Bedrängnis:

"Dies ist eine schreckliche Ohrfeige für die amerikanische Regierung. Aber auch eine große Gefahr für die gesamte Region. Pakistan ist ein Herzstück der 'pax americana', die George Bush installieren will. Ohne einen treuen Verbündeten im Süden Afghanistans ist dort der Krieg für die Alliierten bereits verloren. Schon eine Neutralität Pakistans könnte ausreichen, damit die Taliban den Sieg davontragen. Als sunnitisches Land bietet Pakistan, sehr zum Ärger der gegenwärtigen Regierung, den Taliban-Kämpfern ebenso Unterschlupf wie den Aktivisten von El Kaida. Wenn es letzteren gelingen sollte, das Land zu destabilisieren, führt dies geradewegs in die Katastrophe."

In der spanischen Tageszeitung EL PAIS ist zu lesen:

„Der Ausnahmezustand und die Suspendierung der Verfassungsrechte zerschlagen die Hoffnungen auf eine Öffnung in dem so wichtigen asiatischen Land. Der Schritt des Diktators, der damit der Ablehnung seiner Wiederwahl seitens des Obersten Gerichts zuvorkam, wird begleitet von Maßnahmen, die aus dem Putsch-Handbuch stammen: Das Militär auf den Straßen, Fernsehen und Hörfunk unter Kontrolle gestellt, Massenverhaftungen von Oppositionellen und Bürgerrechtlern. Musharrafs neuer Sprung ins Leere stellt US-Präsident George W. Bush überdies vor einen neuen außenpolitischen Alptraum: Ein Diktator, von den USA unterstützt und von fast allen anderen verlassen, erhöht auf dramatische Weise die Instabilität eines zerstrittenen Landes, das sich in einer kritischen Region befindet und über Nuklearwaffen verfügt.“

Zum Schluss zitieren wir das LUXEMBURGER WORT, das einen bemerkenswerten Vergleich zieht.

„Musharraf erinnert an die von Robert Louis Stevenson erfundene viktorianische Romanfigur des Dr. Henry Jekyll. Der zurückgezogene gutbürgerliche Wissenschaftler verwandelt sich des Nachts in den Verbrecher Mr. Hyde. Auch Musharraf ist, um mit Stevenson zu sprechen, ein ähnlich gelagerter seltsamer Fall. Zum einen ist er einer der Hauptverbündeten der USA und des Westens gegen Islamisten in der Krisenregion und gegen die von ihnen ausgehende Terrorgefahr. Zum anderen nimmt der Generalstabschef es mit der Gewaltentrennung eine der größten Errungenschaften der freien Welt nicht allzu ernst. Mit ihrer ständigen Einmischung hätten die Richter seine Regierung geschwächt, so Musharrafs Begründung für den von ihm verhängten Ausnahmezustand, den die Opposition zutreffender als Kriegsrecht bezeichnet. Musharraf ruft nun den Westen auf, ihm Zeit zu lassen: Zeit für Unrecht? (…) Will der Westen glaubwürdig bleiben, so muss er auch Freund Pervez Musharraf sagen, dass sein Verhalten nicht in eine Weltgemeinschaft auf dem Weg in ein Jahrhundert der Freiheit (Bush) passt. Dies muss die klare Botschaft Europas und der USA sein.“