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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Christian Walz6. Oktober 2007

Putin klammert sich an Macht

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Monatelang war über die politische Zukunft Wladimir Putins spekuliert worden - dann der Paukenschlag: 'Putin bleibt' - So kommentierten gleich mehrere Moskauer Zeitungen die Ankündigung des russischen Präsidenten, nach Ablauf seiner Amtszeit möglicherweise als Regierungschef weiterzumachen. Auch außerhalb Russlands war die Putin-Erklärung das beherrschende Kommentarthema der Woche.


Die Zeitung LUXEMBURGER WORT ist der Ansicht:

'Es ist zweifellos ein kluger Schachzug Putins, sich selbst als Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen aufstellen zu lassen. Dank der Popularität des Noch-Präsidenten im Volk und der weitgehend vom Kreml kontrollierten Medien kann seine Partei 'Geeintes Russland' auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Duma vertrauen. Dann kann sie sogar die Verfassung ändern, um den Weg für eine dritte Amtszeit Putins freizumachen. Aber mit einem ihm ergebenen Präsidenten könnte ein Premier Putin auch leben. In Russland wird die demokratische Verfassung nicht gebrochen, aber stark gebogen.'


Der Schweizer TAGES-ANZEIGER prophezeit:

'Damit sind die russischen Parlaments- und Präsidentenwahlen faktisch entschieden. Denn für das Volk ist es egal, ob Putin Präsident ist oder Premier: Es weiß, dass die Macht dort ist, wo er ist. Nicht mal eine Änderung des Staatssystems wird nötig sein: Denn Putin selber ist das System. Und der Posten des Premiers hat noch einen anderen netten Vorzug: Es gibt keine Amtszeitbegrenzung.'


DER STANDARD aus Österreich ist der Überzeugung:

'Wenn die Partei 'Geeintes Russland' die Parlamentswahlen im Dezember gewinnt - woran nicht der geringste Zweifel bestehen kann - dann wird der russische Präsident nicht umhin können, deren Spitzenkandidaten als Regierungschef zu designieren. Die Sache ist zwar insofern etwas ungewöhnlich, als es sich bei den zwei Herren um ein und dieselbe Person handelt. Aber angesichts ihrer bisher bewiesenen Kreativität im Polit-Design wird den Strategen im Kreml sicher etwas einfallen, um die Situation angemessen zu meistern. So wird es denn auch den künftigen russischen Premierminister Putin wenig kümmern, wer unter ihm im Kreml residiert. Bis zu den Präsidentenwahlen im März ohnehin er selbst. Und für die Zeit danach ist ja seit kurzem der neue Regierungschef Viktor Subkow, ein braver Finanzexperte und Vertrauter Putins, in Stellung gebracht. Russland kann ruhig schlafen.'


Die Zeitung DIENA aus Lettland hält folgendes Szenario für wahrscheinlich:

'Die neue Duma beschneidet die Vollmachten des Präsidenten und bestärkt die des Premierministers. Dafür spricht, dass es nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, bis Putin auch Chef der Partei 'Geeintes Russland' wird. Dann wäre Russland endgültig wieder ein Staat mit einer Struktur wie zu Ostblockzeiten.'


Präsident Putin habe sich erneut als 'Meister der politischen Intrige' erwiesen, meint das polnische Blatt GAZETA WYBORCZA:

'Lange Zeit war nicht einmal klar, ob er dem Parteitag von 'Geeintes Russland' überhaupt einen Besuch abstatten würde, und kurz darauf verkündet der Präsident, er werde die Wahlliste der Partei anführen. Das Problem der Putin-Nachfolge hätte sich damit erledigt. Es wird keinen Thron-Erben geben und auch keine Machtübergabe. Die Macht bleibt in den Händen Putins, der Premierminister oder zumindest Chef der Kreml-Partei sein wird. Der neue russische Präsident wird eine Nebenrolle spielen.'


Und die spanische Zeitung EL MUNDO merkt an:

'Eigentlich hätte man den russischen Präsidenten Wladimir Putin dafür loben sollen, dass er die Verfassung nicht ändern will, um ein drittes Mal für das Amt des Präsidenten kandidieren zu können. Aber nun zeigt sich, dass dies nur eine Maskerade war. Putin will als Steuermann am Ruder bleiben, bis er sich wieder die Mütze des Kapitäns aufsetzen kann. Seine Haltung hat mit den westlichen Vorstellungen von einem demokratischen Machtwechsel nichts zu tun. In Russland hat jedoch eine große Mehrheit der Bevölkerung das Chaos in den 90er Jahren nicht vergessen. Viele Russen ziehen daher die Stabilität und das wirtschaftliche Wachstum der Ära Putin einem echten freiheitlichen System vor.'


Auch die niederländische Zeitung TROUW vermisst Kritik an den Plänen Putins:

'Wladimir Putin möchte als Premier da weiter machen, wo er als Präsident aufhören muss. Das ist eine Verhöhnung der russischen Demokratie. Man möchte, dass das russische Volk ihm mit Abscheu den Rücken zukehrt. Aber das passiert nicht. Und in dieser unerwachsenen Demokratie gibt es niemanden, der Putin widerspricht. Auch Europa mäßigt oft seinen Ton, weil es abhängig ist von Russland, vor allem von dessen Energielieferungen. Es muss alles getan werden, um diese Abhängigkeit zu verringern. Und der Westen muss sich entschlossen und laut gegen Putins undemokratische Politik wenden.'


Abschließend noch eine kritische Pressestimme aus Russland. Der von Putin angestoßene Umbau der politischen Ordnung beende alle Versuche, das Land an die Standards eines Mehrparteiensystems heranzuführen, urteilt die Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA:

'Für eine gewisse Zeit bemühte sich der Kreml um eine demokratische Fassade. Doch die politische Kultur Russlands ist im Grunde zutiefst monarchistisch. Schon immer gab es nur eine Person, auf die sich alle Macht konzentriert. Folglich darf es auch nur eine Partei geben, der alle Untergebenen dienen.'