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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Siegfried Scheithauer9. September 2006

Bush-Eingeständnis über CIA-Gefängnisse / NATO in Afghanistan zu schwach?

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Präsident George W. Bush hat zugegeben, dass die USA im Anti-Terror- Kampf geheime CIA-Gefängnisse im Ausland unterhalten haben und damit neue Empörung und Kritik ausgelöst. Auch die internationale Presse machte sich noch einmal ihre Gedanken, insbesondere auch anlässlich des fünften Jahrestags der Anschläge vom 11. September.

Das britische Blatt THE GUARDIAN kommentierte:

"Das Eingeständnis von US-Präsident Bush, dass die CIA in Geheimgefängnissen rund um die Welt Terrorverdächtige festgehalten hat, wird nicht viele Leute aus der Fassung gebracht haben. (...) Und diese Gefängnisse - vermutlich in Ländern wie Rumänien und Polen, aber auch bei arabischen Alliierten wie Marokko und Ägypten - sind auch noch nicht geschlossen. Es wäre gut zu wissen, wer alles uns bislang Lügen erzählt hat."

Die Pariser Tageszeitung LE MONDE sah es so:

"Diese Sache in Ordnung gebracht zu haben, ist willkommen, darf allerdings das Wesentliche dabei nicht kaschieren: Bush hat das 'Spezialprogramm' der CIA gerechtfertigt. Vor allem aber hat er damit Ballast abgeworfen, was die skandalösesten Praktiken seines 'Krieges gegen den Terror' angeht, um Druck auf den Kongress auszuüben. Dieser soll ihm die Gesetze an die Hand geben, um Gefangene von Guantánamo Bay von Spezialgerichten aburteilen zu können. Eine Schlacht für das Recht wurde gewonnen, der Krieg in der Sache ist aber nicht zu Ende."

Die Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom analysierte die taktischen Spiele in Washington:

"Nach fünf Jahren 'Krieg gegen den Terror' teilt das Weiße Haus der Welt mit, dass es sich den Prinzipien des internationalen Rechts unterordnen will und gibt zu, gegen dieses wiederholt verstoßen zu haben. Mit seinem Schachzug gibt Bush ein Versagen zu. Offensichtlich auf politischer Ebene, aber auch - und vor allem - militärisch, strategisch und was die Geheimdienste betrifft. (...) Das Gefängnis von Guantánamo Bay - für dessen Erweiterung am 15. Juni des vergangenen Jahres aus der Staatskasse 30 Millionen Dollar locker gemacht wurden - hat für die Geheimdienste kein einziges Ergebnis hervorgebracht, das nennenswert wäre."

Die ungarische Tageszeitung NEPSZAVA erwartet Konsequenzen besonders auch für einige Staaten Mittel- und Osteuropas:

"Dieses Eingeständnis war wahrscheinlich nicht nur für das Weiße Haus und für das Pentagon peinlich, sondern vielleicht noch peinlicher für jene, von denen jetzt nicht die Rede war. Nämlich für jene Länder - den Gerüchten nach in Europa, darunter auch in Mitteleuropa - die angeblich auf ihrem Boden CIA-Geheimgefängnisse beherbergt, dieses aber, wie Bush, ständig verleugnet haben. (...) Auch für diese Länder kommt früher oder später die Stunde des Gestehens. Und es wird nicht leicht sein, dem früheren peinlichen Leugnen ins Gesicht zu sehen."


In Afghanistan sollte eine Brutstätte des Terrorismus vernichtet und mit großer internationaler Unterstützung eine neue staatliche und gesellschaftliche Ordnung etabliert werden. Vor allem im Süden ist jetzt aber die NATO massiv unter Druck geraten und will ihre Truppen verstärken. Die Bundesregierung bekräftigte, sie wolle keine Bundeswehr-Soldaten aus Nordafghanistan verlegen. Die ausländischen Kommentatoren philosophierten über politische Ideale und militärische Möglichkeiten.

Für die britische Presse hat der Konflikt besondere Brisanz. So meinte etwa die FINANCIAL TIMES aus London:

"Der plötzliche Anstieg der Todesopfer, insbesondere auf Seiten der kanadischen und britischen Truppen, verdeutlicht, dass die NATO- Truppe größer und besser ausgestattet sein muss, damit sie es mit den Taliban aufnehmen und eine Umgebung schaffen kann, in der Schulen und Straßen gebaut sowie Wasser- und Stromversorgung gesichert werden können. Das ist eine große Aufgabe - zumal friedenserhaltende Truppen schon rund um den Globus im Einsatz sind, vom Balkan zum Kongo, vom Libanon bis nach Darfur, vom Irak gar nicht zu sprechen. Aber es ist eine Aufgabe, die erfüllt werden muss. Es steht nicht nur die Zukunft Afghanistans auf dem Spiel, sondern auch die Zukunft der NATO."

Eine radikale Abrechnung präsentierte das Blatt THE INDEPENDENT:

"Es ist mittlerweile klar, dass zwei ungenügend durchdachte außenpolitische Aktionen - die im Irak und die in Afghanistan - Gefahr laufen, sich zu einer Arche der Fehlschläge zu summieren. Das könnte den fünf Jahre alten, von Amerika und Großbritannien angeführten 'Krieg gegen den Terrorismus' ins Chaos stürzen. In den Afghanistan-Konflikt sind Londoner Regierungsbeamte mit Größenwahn- Vorstellungen gegangen."

Die SALZBURGER NACHRICHTEN aus Österreich kamen zu einem ähnlich verheerenden Urteil:

"Die USA und ihre Verbündeten begingen schon nach dem Afghanistan- Krieg denselben Fehler, wie später im Irak: Zu wenige Truppen, zu wenig Geld, kein vernünftiges Konzept für den Aufbau eines neuen afghanischen Staatswesens. (...) Wir haben es hier nicht mit einer 'unglücklichen Operation' zu tun, sondern mit einem völlig falschen Konzept."

Die Zeitung LUXEMBURGER WORT versuchte sich - nicht weniger ernüchternd - mit einer historischen Einordnung:

"Seit jeher war Afghanistan für Besatzer ein unberechenbares Pflaster. Weder den Briten im 19. Jahrhundert noch den Sowjets in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gelang es, ihre Herrschaft über den Hindukusch zu konsolidieren. (...) Heute deutet vieles darauf hin, dass es der westlichen Welt nach dem 11. September 2001 nicht gelungen ist, Afghanistan zu stabilisieren: Obwohl Milliarden in die Entwicklung des gebeutelten Landes investiert wurden, weist vor allem die Drogenproduktion bedrückend hohe Wachstumsraten auf."