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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Beatrice Hyder19. August 2006

Libanon-Schutztruppe / Diskussion um Grass-Geständnis

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Die Kommentatoren der ausländischen Presse befassten sich diese Woche überwiegend mit der geplanten Aufstellung der Libanon-Friedenstruppe sowie dem Eingeständnis von Günter Grass, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein.

Die Waffen im Libanon-Konflikt schweigen weitgehend. Eine internationale Friedenstruppe unter Führung Frankreichs soll für dauerhafte Ruhe im Süd-Libanon sorgen. Die Kommentatoren der ausländischen Zeitungen interessierte dabei die Frage, nach einer möglichen Beteiligung der Bundeswehr sowie die geringe Beteiligung Frankreichs.

Zu dem Wunsch der israelischen Regierung, die Bundeswehr möge sich trotz der Historie beteiligen, schreibt die französische LE MONDE:

"Mit seinem Wunsch..hat(Premierminister)Ehud Olmert die Wunde wieder aufgerissen. Die Argumente des israelischen Ministerpräsidenten sind doppelsinnig. Er erkennt an, dass das heutige Deutschland nicht mehr das von gestern ist. Doch er unterstreicht auch, dass Deutschland ein privilegierter Bündnispartner sei, der zu besonderem Wohlwollen gegenüber Israel verpflichtet ist."

Für Diskussion sorgt die Führungsrolle Frankreichs. Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT zeigt sich enttäuscht darüber, dass Frankreich nur etwa ein Dutzend Offiziere stellen will. Das Blatt schreibt weiter:

"Diese Mission kann keinen Erfolg haben ohne eine starken Fahnenträger. Es ist zu hoffen, dass Frankreich die Verantwortung nimmt, die einem Land entspricht, dass sich immer gerne als prominenter Spieler auf der Weltbühne darbietet."

Die britische TIMES zeigt sich 'perplex' und enttäuscht, dass französische Diplomaten von der Idee, die libanesische Armee bei der Entwaffnung der Hisbollah zu unterstützen, zurückzuschrecken scheinen. Zitat:

"Frankreich will die Truppe zwar immer noch kommandieren, aber man verhält sich so, als ob es nur um die Führung ginge und nicht um das Ziel eines dauerhaften Friedens."

Anders sieht das die französische Presse. Die Zeitung LIBÉRATION schreibt:
"..Präsident (Chirac) erkennt nicht erst jetzt, dass die Resolution des Sicherheitsrates von Nebel umgeben ist, denn er war einer ihrer Autoren...Doch wenn ein Land wie Frankreich Tausende Männer für Jahre in einer Lage einsetzten soll, die alles hat, um sich in ein Wespennest zu verwandeln, dann sollte es besser über einen klaren Auftrag verfügen."

Der FIGARO meint, Frankreich dürfe sich trotz des Todes von 58 französischen Friedenssoldaten bei einem Hisbollah-Anschlag in Beirut im Jahr 1983, nicht davon abbringen lassen, sich -so wörtlich- seiner Verantwortung zu stellen. Das Blatt fährt fort:

"Die Mission der erweiterten UNIFIL muss aber auch eine vernünftige Chance haben, ein Erfolg zu werden... Es darf nicht passieren, dass der Rest der Welt das Weite sucht und diese heiße Kartoffel Frankreich alleine überlässt."

Mit den Voraussetzungen für einen Erfolg eines UN-Einsatzes im Südlibanon befasst sich der österreichische STANDARD.

"Soll der (Einsatz) überhaupt Erfolg haben, müssen sich die Truppen stellenden Nationen klare Regeln für den Umgang mit der Hisbollah im Konfliktgebiet ausbedingen - und sich auf einen sorgfältig organisierten politischen Prozess verlassen können: In Ermangelung eines militärischen Siegs scheint die langfristige Integration der Hisbollah-Miliz in die libanesische Armee ein denkbares Szenario. Es wäre der riskante Versuch einer 'Zähmung'."


Themenwechsel. 'Als moralische Instanz geschwächt' - 'Scheinmoralist' - 'Heuchler': Das sind in der ausländischen Presse diese Woche nur einige Bezeichnungen für Günter Grass und sein Bekenntnis gewesen, gegen Kriegsende noch in die Waffen-SS eingetreten zu sein. In den Kommentaren werden Fragen nach den Beweggründen und den Auswirkungen das literarische Werk gestellt.

Die rumänische Zeitung COTIDIANUL schreibt:

"Es ist anzunehmen, dass nicht späte moralische Skrupel Grass zum Bekenntnis zu diesem lebenslangen Geheimnis bewogen haben. Vielmehr war der Schriftsteller in ihm stärker als sein (moralischer) Überlebensinstinkt."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG meint:

"So fesselnd die Geschichte des flüchtenden Jungsoldaten ist: Die sie umgebenden Schand- und Scham-Arabesken beschweren die Lektüre, wie wohl das Faktum selbst den Autor beschwert hat; und so fällt die Last, die er hier abwirft, mit etwas zu lautem Getöse zu Boden. (Wie sich allerdings jetzt die versammelten Moralisten empören, das hat die Anmut der Selbstgerechtigkeit.)"

Ähnlich sieht das die spanische Zeitung ABC. Zitat:

"Selbst bei größtem Wohlwollen stellt sich die Frage, weshalb Günter Grass mit seiner Enthüllung so lange gewartet hat. Da kommen einem sofort zwei mögliche Gründe in den Sinn, die beide nicht besonders vorbildlich sind. Erstens hätte Grass, wenn er früher gesungen hätte, höchstwahrscheinlich nicht den Nobelpreis bekommen. Zweitens könnte Grass sein Eingeständnis dazu benutzt haben, für seine demnächst erscheinende Autobiografie zu werben."

Die niederländische Zeitung TROUW gewinnt dem Eingeständnis Positives ab. Sie meint 'Lieber später als gar nicht' und schreibt:

"Grass hat eine simple Erklärung: Viele Jüngere waren wie er selbst begeistert von dem antibürgerlichen, revolutionären Elan des Nationalsozialismus. So enthält sein Eingeständnis die nicht misszuverstehende, aktuelle Botschaft, dass radikale Ideologien eine starke Anziehungskraft haben."

Zu den Auswirkungen auf das literarische Werk von Grass meint die russische NOWAJA GASETA:

"Der außerordentlichen Reputation des Literatur-Nobelpreisträgers ..wird seine kurze Mitgliedschaft bei den Truppen der Waffen-SS in keiner Weise schaden. Zumal der zukünftige Klassiker der Weltliteratur am Ende des Krieges zu spät kam, um sich mit Blut zu beflecken und mit der Teilnahme an verbrecherischen Vergeltungsakten der SS Schande auf sich zu ziehen."

Anders sieht das die österreichische Zeitung DIE PRESSE:

"Günter Grass hätte mit einem frühen Eingeständnis seiner Nazi-Vergangenheit sicherlich keine Weltkarriere gemacht. Vielleicht überlebt seine literarische Qualität, trotzdem wird er aus dem Olymp verstoßen werden.. ."

Die dänische Zeitung INFORMATION hebt das Bekenntnis von Grass auf eine höhere Ebene und bilanziert:

"Sein Schweigen ist das Problem. Und gleichzeitig ein Beweis, dass er wirklich einen empfindlichen Punkt bei sich selbst und den Deutschen trifft."