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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Annmaria Sigrist 24. Juni 2006
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Die internationale Presse hat sich in der vergangenen Woche unter anderem mit zwei Themen beschäftigt: Mit dem Besuch von US-Präsident George W. Bush zum traditionellen EU-USA-Gipfel in die österreichischen Hauptstadt Wien und mit der neuen prowestlichen Koalitionsregierung in der Ukraine. Beim Gipfeltreffen in Wien ging es im wesentlichen um den Atomstreit mit dem Iran und um die mögliche Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba.

Zum Verhältnis der USA zu Europa schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG:

"Bei Licht besehen waren die Teilnehmer höchst ungleich. Auf der einen Seite die Vereinigten Staaten, auf der andern die Führungsspitze einer Union, die außenpolitisch bestenfalls bruchstückhaft handlungsfähig ist und deren Mitgliedstaaten auch schon einiger waren, als sie es zurzeit sind. Die EU ringt um politische Einheit und Gestalt und weiß nicht, wie sie beides erlangen soll. Zwar hat auch Amerika seine inneren Zerwürfnisse, doch lähmen diese seltener das Rollenspiel auf der Weltbühne."

Die Wiener Zeitung KURIER bemerkt:

"Die Neue Welt hat das alte Europa nach dem Ende des Kalten Krieges und den Irak-Zerwürfnissen wiederentdeckt. Mehr noch: Die Supermacht folgt neuerdings den europäischen politischen Ideen ein Stück weit, wie die Zugeständnisse der Amerikaner im Iran-Streit zeigen. Aus dem US-amerikanischen Monolog ist ein Dialog geworden. Rein atmosphärisch erreichen die transatlantischen Beziehungen eine neue Qualität. Mehr noch nicht."

Die Pariser Zeitung LE MONDE ergänzt:

"Amerikaner und Europäer sollten auf der Hut sein. Denn ihre Meinungsverschiedenheiten - sei es nun in der Irak-Frage oder beim Kampf gegen den Terrorismus - nützen ihrem gemeinsamen Feind, für den es bei diesem Krieg um Leben oder Tod geht. Die Amerikaner müssen auf den Weg des internationalen Rechts zurückfinden. (...)Die Europäer müssen (...) die USA beim Kampf gegen El Kaida unterstützen, aber dabei auf die Schließung von Guantánamo bestehen. Denn das Bild dieses Lagers in der Welt schafft mehr 'heilige Krieger', als jede Rede von Bin Laden."

Abschließend kommentiert die ungarische Zeitung MAGYAR HIRLAP:

"Heute gleicht Europa dermaßen einer alt gewordenen Ehefrau an der Seite Amerikas, dass außer den langsam im Nebel der Alzheimer-Krankheit verschwindenden gemeinsamen Erinnerungen nichts mehr das Paar zusammenhält. Guantánamo darf nicht nur deshalb nicht geschlossen werden, weil deren Bewohner dort ihren rechten Platz haben, sondern auch deshalb nicht, weil wir - würde das Gefangenenlager nicht mehr existieren - nicht mehr wüssten, worüber wir miteinander sprechen sollen."



Zum nächsten Thema: Nach fast dreimonatigen Verhandlungen haben sich in der Ukraine die prowestlichen Kräfte der Orangefarbenen Revolution wieder auf eine Koalitionsregierung geeinigt. Die Nominierung von Julia Timoschenko zur Ministerpräsidentin wurde von Präsident Viktor Juschtschenko akzeptiert.

Das LUXEMBURGER WORT sieht die Westausrichtung der Ukraine noch nicht für ausgemacht:

"Die Ukraine ist geografisch und kulturell ein Grenzstaat von Europa. (...) Daher ist es eine gute Nachricht für die Ukraine (wie für den Westen), dass sich die vorherigen Regierungspartner nach drei Monaten zäher Verhandlungen auf eine Fortsetzung der Koalition geeinigt haben. Demokratie und Westbindung des Landes stehen jedoch auf der Kippe. Stärkste politische Kraft wurde bei den März-Wahlen die pro-russische Partei der Regionen; zusammen mit den auch auf Moskau ausgerichteten Kommunisten bilden sie die Opposition. Die EU ist gefordert, Kiews Westkurs nach Kräften zu stützen - und zwar politisch wie wirtschaftlich. Denn falls die Ukraine in politische Turbulenzen gerät, droht es wieder in das Fahrwasser Moskaus und von Putins 'gelenkter Demokratie' zu geraten."

Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich sieht in der Koalition eine letzte Chance für Orange:

"Nach geschlagenen drei Monaten politisch unverantwortlicher Intrigenspiele und peinlichem Postenschacher ist es keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr ein Wunder, dass die Koalition der demokratischen Kräfte doch noch zu Stande gekommen ist. (...) Das orange Lager hat nun eine zweite, aber ohne Zweifel auch die letzte Chance, die Versprechen der Revolution umzusetzen."

Auch die TIMES aus London sieht neue Chancen für die Ukraine:

"Die orangene Revolution hat eine weitere Chance, um sich selbst und das Land zu reformieren. Wenn die neue Koalition zusammenhalten will, muss sie zu einem pragmatischen Verhältnis mit Russland kommen, der Korruption ein Ende setzen, sich auf eine Politik der Wirtschaftsreformen einigen und die zerstörerischen persönlichen Feindschaften beenden. Die Zukunft - zumindest im Moment - ist orange. Aber ist sie auch strahlend?"

DIE PRESSE aus Wien meint abschließend:

"Die vermeintlichen Schwächen der orangen Koalition könnten gerade ihre Stärken sein: Dass solange an dem Koalitionsgerüst herumgezimmert wurde, könnte auch heißen, dass es jetzt wirklich zusammenhält. Dass sich die orangen Revolutionäre vor einem Jahr total zerstritten haben, was ihr Ansehen in der Öffentlichkeit schwer ramponiert hat, könnte gerade bewirken, dass sie eine solche Selbstzerfleischung nicht mehr riskieren werden."