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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

zusammengestellt von Barbara Zwirner20. August 2005

Papst Benedikt XVI. auf dem Weltjugendtag in Köln / Wahlkampf in Deutschland

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Papst Benedikt XVI. auf dem Weltjugendtag und sein historischer Besuch der Kölner Synagoge - das war das herausragende Thema der ausländischen Presse in der vergangenen Woche. Im Blickfeld auch wieder der Wahlkampf in Deutschland.

'Lohengrin in der Stadt des Karnevals' titelt die Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom und schreibt zum Besuch des Papstes in Köln:

"Der Rhein wirkte wie der Ganges, mit den hunderttausenden Jugendlichen, die an den Ufern zusammengedrängt waren und weiteren Tausenden, die bis zur Taille im Wasser standen, um dem Papst zujubeln zu können. Und Ratzinger - der neue Lohengrin - lässt sich von einem Katamaran zum Dom der Heiligen Drei Könige fahren, um seine Heilsbotschaft zu verkünden. Es musste schon Köln sein, die Stadt der guten Laune, des Karnevals, des 'Römertums' und der rheinischen Fantasie, um einen Papst-Einzug in Szene zu setzen, der einer der spektakulärsten in der Geschichte der Weltjugendtage war."

Die Londoner Zeitung INDEPENDENT zieht wie fast alle Kommentatoren den Vergleich zu Papst Johannes Paul II.:

"Es ist nicht leicht, der Nachfolger von Papst Johannes Paul II. zu sein. Der gelehrtenhafte Papst Benedikt XVI. hat nicht die gleiche persönliche Anziehungskraft, und deshalb ist der Weltjugendtag für ihn eine besondere Herausforderung. Als er Fuß auf deutschen Boden setzte gab es jedoch ein erstes Signal, dass er seinen eigenen Stil hat. Er hat nicht wie sein Vorgänger die Erde geküsst, sondern ging dem Empfangskomitee entschlossen entgegen."

Auch die in Straßburg erscheinende Zeitung DERNIERES NOUVELLES D'ALSACE blickt noch einmal zurück:

"Johannes Paul II. hat eine Spontaneität und eine Kraft vermittelt, die die Menschheit über die Grenzen seiner Kirche hinweg geprägt hat, weil er im Grunde seiner Seele ein Schauspieler war - er pflegte eine ausgeprägte Liebe zum Theater. Joseph Ratzinger muss erst noch überzeugen, dass er dem Wirken von Karol Woytila treu bleiben wird. Benedikt XVI. hat bereits mehrfach zu verstehen gegeben, dass er seinen Vorgänger nicht kopieren will. Bei seiner Ankunft in Deutschland hat er nicht den Boden geküsst und er wirkte auch nicht besonders entspannt, auch wenn er mit über 78 Jahren einen eher dynamischen Eindruck machte. Diese Zurückhaltung entspricht seinem Temperament, könnte sich jedoch zu einem Nachteil für die katholische Kirche entwickeln, die ihren Niedergang in Europa und eine gewisse Opposition gegen ihre Positionen durch die außerordentliche Popularität ihres Star-Papstes wettmachen konnte."

Die in Madrid erscheinende Zeitung EL PAIS meint:

"Papst Benedikt XVI. ist noch ein Unbekannter. Über den Theologen Joseph Ratzinger und dessen Schwenk zum Konservativismus weiß man fast alles. Aber als Papst hat er noch keine Enzyklika veröffentlicht und noch keine Pläne für sein Pontifikat vorgestellt. Während bei Johannes Paul II. das Pontifikat mit einem Wirbelwind von Aktivitäten begann, scheint der Vatikan nun in Untätigkeit erstarrt zu sein. Der deutsche Katholizismus ist viel fortschrittlicher als die Kirche, die Johannes Paul II. hinterließ. Die deutschen Bischöfe haben wenig mit denen in anderen europäischen Ländern gemeinsam. Ratzinger muss sich wie ein Fremder im eigenen Land fühlen."

Die BASLER ZEITUNG merkt an:

"Es war sein Vorgänger Johannes Paul II., der die Nähe zur Jugend suchte und das Feuer ihrer religiösen Begeisterung entfachte. Auch als leidenden Greis verehrten sie ihn noch wie einen Popstar. Aber Wojtyla ist tot und Benedikt XVI. ist kein Popstar. Die Jungen ficht es nicht an. Sie benehmen sich, als ob Johannes Paul II. in seinem Nachfolger wiedergeboren wäre... Jetzt ist feiern angesagt, nicht nachdenken. Man wird sehen, wie sich die Beziehung zwischen der Jugend und dem Mann in Weiss entwickelt. Nicht heute und morgen. Übermorgen. Wenn Benedikt XVI. aus dem mächtigen Schatten seines Vorgängers herausgetreten ist. In Köln steht er noch mittendrin. Und es ist vielleicht ganz gut so."

Der Kommentator der römischen Zeitung IL MESSAGERO würdigt den historischen Auftritt Papst Benedikts XVI. in der Kölner Synagoge:

"Die Definition des Holocausts als ein 'unerhörtes Verbrechen', die Benedikt XVI. in Köln gegeben hat, ähnelt der von Wojtyla ausgesprochenen Verurteilung. Aber unter gewissen Gesichtspunkten ist sie noch bedeutsamer. Denn es handelt sich um einen deutschen Papst, der in seinem Heimatland Deutschland - wo die schlimmste Judenverfolgung aller Zeiten passiert ist - eine Synagoge besucht und den Antisemitismus verurteilt. Wenn ein polnischer und ein deutscher Papst die gleichen Worte sagen, dann haben sie notgedrungen eine andere Bedeutung. In den Worten von Johannes Paul II. lag immer noch dieser ängstliche Klang, wie ein tiefes Echo aus einer schmerzhaften Vergangenheit, die nur schwer zu vergessen ist; Benedikt XVI. scheint hingegen - einmal abgesehen von seinem kontrollierteren und damit auch heiterer wirkenden Temperament - die Überzeugung zu verspüren, dass diese schreckliche Vergangenheit jetzt der Geschichte übergeben werden muss."

LA PRESSE DE LA MANCHE aus Cherbourg sieht den Besuch als Schritt zur Verständigung. Wir lesen:

"Zwei Jahrtausende des mangelnden gegenseitigen Verständnisses, der Ausgrenzungen und manchmal auch der Massaker haben den Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Kölner Synagoge zu einem wirklichen Ereignis gemacht. So wie es seinerzeit bei dem Besuch von Johannes Paul II. in der großen Synagoge in Rom war. Es ist also doch nichts einfacher als eine solche Begegnung, sobald man dem Frieden dienen und alle Menschen respektieren will, wie sie von dem barmherzigen und allmächtigen Gott geschaffen worden sind, zu dem sich die drei großen monotheistischen Religionen bekennen. Jeder muss die Sprache des Respekts und der Anerkennung der Würde des anderen sprechen."

Auch der Londoner DAILY TELEGRAPH ist voll des Lobes:

"Die Entscheidung, während seines ersten Auslandsbesuchs eine Synagoge zu besuchen, hat starken Symbolcharakter. Natürlich war es Johannes Paul II., der als erster eine Synagoge besuchte, aber der Umstand, dass es diesmal ein Deutscher getan hat, ein ehemaliger (wenn auch unfreiwilliger) Hitlerjunge, bezeichnet einen letzten Schritt im großen Aufeinanderzugehen von Juden und Christen. Diese Großzügigkeit und dieses Fingerspitzengefühl für andere Religionen wird ihm die Sympathie jener Millionen einbringen, denen die Erinnerung an Johannes Paul II. lieb und teuer ist."

Abschließend zum Thema Weltjugendtag einen Blick in die flämische Zeitung HET LAATSTE NIEUWS aus Brüssel über die Pilger aus aller Welt:

"Shoppen gehört auch zu der Pilgerfahrt. Auf der Hohestraße, der wichtigsten Einkaufsmeile von Köln, war gestern fast mehr los als auf dem Platz vor dem Dom. Denn der Papst mag sich gerne als niedrigen und einfachen Pilger bezeichnen, die Jugendlichen gehen lieber mit einem gut gefüllten Rucksack nach Hause. Es sind denn auch vor allem Jugendliche aus Amerika und Europa, die den Weg nach Köln angetreten sind. Nicht einmal zwei Prozent der Pilger kommen aus Afrika und Asien. Für sie war nicht nur das Einkaufen, sondern auch das Ticket zu den Weltjugendtagen zu teuer."

Und damit zum Wahlkampf in Deutschland. Die dänische Zeitung INFORMATION aus Kopenhagen kommentiert:

"Die Verärgerung über den bayrischen CSU-Chef Edmund Stoiber will kein Ende nehmen. Er hat sich nicht nur in mehreren Wahlkampfreden geringschätzig über die ostdeutschen Wähler geäußert, sondern alle Aufmerksamkeit komplett von anderen Themen der CDU/CSU vor der Wahl abgelenkt, die höchstwahrscheinlich am 18. September stattfindet. Wer will noch etwas über Angela Merkels Plan für Deutschland hören, wenn man an einem unterhaltsamen Schlagabtausch zwischen Ost und West teilnehmen kann? So etwas ist einfacher zu verstehen als Volkswirtschaft. Wenn Stoiber sein Wahlkampfniveau hält, braucht Kanzler Gerhard Schröder auch keinen Iran-Krieg mehr, um die Macht zu retten."

Zum Einsatz des Wahlkampfteams und der Berufung von Paul Kirchhof durch die Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel schreibt der TAGES-ANZIEGER aus Zürich:

"Zauberin Merkel (hat) mit Kirchhof für den Wahlkampf ein Imageproblem gelöst - mehr nicht. Ihre Kampagne litt darunter, dass sie die Wirtschaft ins Zentrum stellt, für die Umsetzung ihrer Pläne aber keinen Namen nennen konnte. Mit der Präsentation von Kirchhof hat Merkel erfolgreich von dieser Leerstelle abgelenkt, sie aber nicht gefüllt. Denn schaut man näher hin, so wird klar: Niemand rechnet damit, dass Kirchhof wirklich Minister wird. Er ist zwar das personifizierte Versprechen radikaler Ideen - jener Ideen, die man im CDU-Wahlprogramm vergeblich sucht. Aber umsetzen wird er diese Ideen nicht. Merkel ist auf faulen Zauber angewiesen, weil es ihr an Personal fehlt - sie hat sich mit wichtigen Leuten zerstritten."

Die Genfer SONNTAGSZEITUNG merkt an:

"Je näher aber der Wahltag rückt, desto mehr fragen sich die Wähler: Wer ist diese Frau, der wir das Steuer in die Hand geben sollen? Was hat sie vor, wohin soll die Reise gehen? Die Antworten sind diffus geblieben - nach der Devise: bloß niemanden verprellen. Doch plötzlich, und wohl deswegen, schrumpft ihr Vorsprung. Letzte Woche haben Union und Freidemokraten ihre Mehrheit in den Umfragen verloren. Und deshalb wird es wieder spannend in Deutschland. Merkel wird aus ihrer Deckung kommen und präziser sagen müssen, welche Zukunft sie den Deutschen bietet."