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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Beatrice Hyder12. Februar 2005

US-Außenministerin Rice auf Europa-Reise / Spanien legalisiert illegale Beschäftigung

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Beherrschendes Kommentarthema der europäischen Presse in dieser Woche war die Europa-Reise der neuen US-Außenministerin Condoleezza Rice. Fast einhellige Bilanz: Sie hat nach den Missstimmungen im transatlantischen Verhältnis in den vergangenen Jahren nun - wie es eine Zeitung aus Österreich schrieb - einen 'kleinen Knicks, aber keinen Kniefall gemacht'.

So schreibt die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN:

"Nach der Rundreise der neuen US-Außenministerin Condoleezza Rice in Europa und Nahost ist klar, dass die USA nach der diplomatischen Fehde wegen des Irak-Krieges wieder mit ganz Europa ins Gespräch gekommen sind. (...) Aber im Gespräch sein heißt nicht unbedingt einig sein. Ein demokratisches Europa hat keine Probleme mit den ehrgeizigen Zielen, die Rice dargelegt hat. Die große Frage aber stellt sich bei den Mitteln zur Durchsetzung dieser Ziele. Hier sind die meisten Europäer weiter wesentlich zurückhaltender als die Amerikaner. Das gilt vor allem für den Einsatz militärischer Mittel."

Ähnlich skeptisch gibt sich der österreichische KURIER:

"Wie wenig sich in der Substanz an den irritierten transatlantischen Beziehungen geändert hat, zeigt ein Interview von Frau Rice in Bushs Haus- und Hofsender Fox. Da bekommen die Europäer schon wieder ihr Fett weg, die dem Iran nicht klar genug gesagt hätten, was Sache ist. Die europäische Retourkutsche folgt bei der NATO. Mehr Mithilfe im kriegerischen Irak? Nein, danke."

Auch die britische FINANCIAL TIMES sieht weiter grundsätzliche Unterschiede zwischen den USA und den Europäern:

"Wenn die erste Auslandsreise von Condoleezza Rice als US- Außenministerin eine Lehre bereithält, dann ist es die, dass man sich keine zu großen Hoffnungen auf eine neue Ära der transatlantischen Harmonie machen sollte. Es ist wahr, dass der Umgangston zwischen Washington und seinen europäischen Verbündeten wieder etwas freundlicher geworden ist. Aber es bleiben grundsätzliche Meinungsunterschiede, vor allem bei den Themen Iran und China."

Der Schweizer TAGESANZEIGER sieht fundierte Gründe für eine Skepsis der Europäer. Das Blatt schreibt:

"(...) den Europäern fehlt bisher zu Recht der Glaube an eine Neuorientierung der US-Außenpolitik. (...) Wollen sich die USA künftig einem multilateralen Entscheidungsprozess unterwerfen? Gilt die Strategie des Präventivkriegs eigentlich noch? Wird sich Washington den europäischen Initiativen bezüglich Afrika und des Klimaschutzes anschließen? Solange solche Fragen nicht beantwortet sind, ist die Skepsis der Europäer gegenüber der Charmeoffensive der Regierung Bush mehr als angebracht."

Die belgische Zeitung DE MORGEN verlangt gar ein selbstbewussteres Auftreten der Europäer:

"George W. Bush hat mit der winke-winke machenden Rice einen der wenigen Trümpfe ausgespielt, der ihm noch bleibt, um die Welt wieder ein bisschen mit seiner Person und seiner Politik zu versöhnen - oder zumindest das Signal auszusenden, dass wieder höflich getan werden darf, freundlich sogar. (...) Was sollen die entzückten Herren und Damen diesseits des Atlantik also tun? Zuhören? Ja. Verständnis aufbringen? Das kommt darauf an. Mit den USA einig sein? Nein. Die Welt und Europa müssen von Washington einiges mehr verlangen als das Lächeln von Condoleezza."

Konzilianter gibt sich der französische LE FIGARO:

"Beide Seiten müssen daran arbeiten, die Beziehungen zwischen den USA und Europa dauerhaft wieder aufzubauen. (...) Ein Drama wäre es, gewännen die Gegensätze einmal mehr sehr schnell die Überhand auf Kosten der notwendigen Wiederannäherung. Glücklicherweise wird es wahrscheinlich eher nicht so sein, zumal die Europäer über eine Reihe von wertvollen Trümpfen verfügen und Einfluss in zahlreichen arabischen Ländern haben. Das beste Beispiel für erneuerte transatlantische Beziehungen wäre es, wenn beide Seiten erfolgreich ihr ganzes Gewicht für Frieden in Nahost einbrächten."

Nach Ansicht des LUXEMBURGER WORT ist gibt es jedoch eine Voraussetzung für ein besseres transatlantisches Verhältnis:

"Für die EU heißt das, will sie, Seite an Seite, mit den USA neue partnerschaftliche Verantwortung in der Welt übernehmen, dass sie mehr denn je die Fähigkeit zur internen Geschlossenheit beweisen und ihre Bereitschaft zu einer gerechten Lastenteilung (burden sharing) zeigen muss."

Ähnlich äußert sich die französische Zeitung OUEST FRANCE:

"(...) die Europäische Union wird ihrerseits genauer sagen müssen, wie sie zur Demokratisierung der Demokratie in der Welt beitragen will."

Die italienische Zeitung LA STAMPA macht ein bestimmtes Ziel der US-Außenpolitik aus:

"Das Ziel ist, die euroamerikanische Allianz in ein Laboratorium zur globalen demokratischen Revolution zu verwandeln, um gegen Tyrannei, Terrorismus, Massenvernichtungswaffen sowie gegen Krankheit und Aids zu kämpfen."

Frustriert über die neue amerikanische Außenpolitik zeigt sich die russische Zeitung NOWYJE ISWESTIJA:

"Alles wird ohne uns geregelt. Die USA betrachten uns nicht mehr als ihren strategischen Partner. ... Die US-Außenministerin kritisierte das niedrige Tempo des Demokratisierungsprozesses in Russland. (...) Ihre erste Auslandreise als US-Außenministerin hat eines deutlich gemacht: Das Verhältnis zu Russland hat für Washington keine Priorität mehr."

Etwas anders sieht das die ebenfalls russische Tageszeitung KOMMERSANT:

"Die Neuausrichtung der Beziehungen zu Europa, die Washington vor der Reise von George W. Bush in die alte Welt vornimmt, berührt natürlich auch die bevorstehende Revision des Verhältnisses zu Russland, deren Höhepunkt das Treffen der Präsidenten in Bratislava sein soll. Mit seinen europäischen Bündnispartnern legt Washington die meisten Streitpunkte der Vergangenheit bei und spricht über die verbindenden gemeinsamen Werte. Damit kann es genauer hinsehen, inwieweit Russland diesen Werten entspricht."

Themenwechsel. Die Entscheidung der spanischen Regierung, bislang unerlaubte Arbeit von im Land lebenden Ausländern zu legalisieren, bewegte einige Zeitungen zu einem Kommentar.

So meint die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT:

"Die Spanier sind dafür zu loben, dass sie ein Problem anpacken, welches sich überall in Europa und in den Vereinigten Staaten ausbreitet. Massive illegale Beschäftigung deutet darauf hin, dass Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht im Gleichgewicht sind. Sektoren wie der Bau, Reinigungsgewerbe, Land- und Gartenbau, Textil, Dienstleistungen im Haushalt, Zeitungsauslieferung und Gastronomie stützen sich zu einem großen Teil auf illegale Arbeit. (...) Die Illegalen leisten inzwischen einen wesentlichen Beitrag für unsere Wirtschaft. (...) Diese Probleme zu leugnen oder kriminelle Praktiken zu dulden ist eine gefährliche Vogel-Strauß-Politik."

Die französische Zeitung LIBÉRATION kritisiert die Uneinheitlichkeit in den einzelnen EU-Staaten bei der Behandlung des Problems:

"Die Einwanderung aus Drittländern in die Europäische Union rechtfertigte schon eine gemeinsame Politik, denn alle stimmen darin überein, dass das Problem auf dieser Ebene kohärent angegangen werden könnte. Das ist aber auch eine Domäne der Staaten, und unglücklicherweise ist selbst die öffentliche Meinung in den Ländern wenig geneigt, sich die - illusorische - Entscheidungsgewalt in dieser Frage nehmen zu lassen. Jeder agiert hier als Einzelkämpfer (...) Die EU könnte aber versuchen, zumindest teilweise ihren offensichtlichen Bedarf an Arbeitskräften bei gleichzeitigen Arbeitsmarktproblemen in den Griff zu bekommen."