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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Siegfried Scheithauer24. Januar 2004

Kanzler Schröder in Afrika // Streit um Machtübergabe im Irak

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Die Afrika-Reise von Bundeskanzler Gerhard Schröder ist bei den Vereinten Nationen als wichtiges Signal für den gesamten Kontinent bewertet worden. UN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete in Baden- Baden die Kanzler-Reise als "sehr wichtig".

Stellvertretend zitieren wir hier Kommentare aus Südafrika. Die Zeitung THE STAR aus Johannesburg analysiert trocken:

"Deutschland ist zurück in Afrika (...) Was hat Schröder zu einer afrikanischen Safari veranlasst, die überaus selten ist für einen deutschen Regierungschef? (...) Die Botschaft besteht darin, dass Afrika - bis vor kurzem noch als der 'Verlorene Kontinent' apostrophiert - nun für sich selbst Verantwortung übernimmt, und dass diese Ansätze zur Selbsthilfe Deutschland und der Welt etwas bieten, auf dem man aufbauen kann. Deutschland dehnt seine eingeschlafenen Muskeln und beginnt politische Verantwortung zu übernehmen, die mehr seiner wirtschaftlichen Macht entsprechen."

Das vor allem von der schwarzen Mehrheit gelesene Blatt SOWETAN sieht Licht und Schatten:

"Es wäre kurzsichtig, Schröders Bemerkungen zu Afrikas Erneuerung als typisch kolonalistisch abzutun. Seine Rede vor der Afrikanischen Union war in gewisser Weise recht stark. Doch Schröder muss über die vorhersehbaren Plattitüden hinausgehen, die Afrika zu hören gewohnt ist, sobald es von einem Politiker aus der industrialisierten Welt Besuch erhält. (...) Wenn er in die Europäische Union zurückkehrt - deren Mitglieder zu den Schuldigen bei der Verhinderung fairen Wettbewerbs auf den globalen Agrarmärkten gehören - muss er an Afrikas Seite intervenieren."

Bei der südafrikanischen Wirtschaftszeitung BUSINESS DAY überwiegen die kritischen Töne:

"Schröders Tour zu einem so späten Zeitpunkt seines Mandats zeigt, dass Afrika in Berlin bisher nur eine untergeordnete Rolle spielte. (...) Die Wahl der Reiseziele spricht Bände, vor allem da sie die frühere deutsche Kolonie Namibia ausspart, deren Präsident Sam Nujoma für seinen autokratischen Stil und seine offene Unterstützung für Simbabwes Präsident Robert Mugabe bekannt ist. Da Südafrika d i e Wirtschaftsmacht Afrikas und das Land mit den größten deutschen Investitionen auf dem Kontinent ist, ist Südafrika im Zentrum des deutschen Regionalinteresses. Und Südafrikas Auftrag für vier Marine-Korvetten bedeutet für Deutschlands Werft-Jobs eine ganze Menge."

Ein Leitartikler der NEW YORK TIMES beschäftigte sich noch einmal mit der Einladung an Kanzler Schröder zum 60. Jahrestag der alliierten Landung in der Normandie:

"Dies ist scheinbar ein willkommenes Signal, dass Europa seinen letzten großen Krieg hinter sich gelassen hat und die Deutschen nun als wesentliches Mitglied der europäischen Familie gesehen werden.(...) Das Problem ist, dass die Einladung von Herrn Jacques Chirac mehr den Beigeschmack von Politik als Versöhnung hat. Frankreich und Deutschland haben in der letzten Zeit in einer Reihe von Fragen gemeinsame Sache gemacht, von der Ablehnung der Invasion im Irak bis zur Zukunft der Europäischen Union, und Chirac ist offensichtlich bemüht, diese Allianz zu präsentieren. Dies ist aber nicht der Ort für Frankreich und Deutschland, um ein politisches Duett zu spielen."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG verfolgte aufmerksam den Mannesmann-Prozess um millionenschwere Abfindungen an deutsche Topmanager:

"Das Gericht steht nicht nur unter hohem Druck von Unternehmerseite, die eine bürokratische Reglementierung der Managerbezüge befürchtet und auf höhnische Kommentare aus dem Ausland verweist. Auch die Politik meldete sich zu Wort und beklagte aus dem Munde der Oppositionsführerin Angela Merkel einen möglichen Schaden für den deutschen Wirtschaftsstandort. (...) Seine Brisanz erhält das Düsseldorfer Spektakel durch die Prominenz der Angeklagten, allen voran der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann."

Die niederländische Zeitung VOLKSKRANT beleuchtet die deutsche Steuerdebatte und meint, der Traum von der großen Reform sei ausgeträumt:

"Bundeskanzler Schröder spricht nicht mehr von Reformen. Im Jahr 2003 setzte er sich bei seinen unwilligen Parteigenossen für schmerzliche Arbeitsmarkt-Bestimmungen mit einem Durchsetzungs- vermögen ein, das nur wenige hinter dem wendigen Schönwetter- Politiker vermutet hatten. Aber dafür wurde er bestraft: In den Umfragen liegen Schröder und die SPD auf Rekord-Tiefe. (...) Der Bundeskanzler hat sich denn auch einem Thema zugewendet, gegen das niemand etwas hat: Innovation."

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Großen Raum nimmt in den Kommentarspalten der internationalen Presse der Streit um die Machtübergabe im Irak ein. Die spanische Tageszeitung EL PAIS sieht es so:

"Die wachsende Kluft zwischen den USA und den Schiiten im Irak macht die ohnehin schwierige Situation noch komplizierter. Großajatollah Ali el Sistani verlangt die Abhaltung von Wahlen. Aber Washington hat gute Gründe, dies abzulehnen. Bei einer vorzeitigen Wahl gewännen in einigen Gegenden die Anhänger des gestürzten Herrschers Saddam Hussein, in anderen die Islamisten."

Welche Rolle werden die Vereinten Nationen spielen?

Das italienische Blatt CORRIERE DELLA SERA beschreibt den Fronten- verlauf folgendermaßen:

"Die Vereinten Nationen akzeptieren es, Schiedsrichter zu sein zwischen US-Präsident George W. Bush auf der einen Seite, der im Irak zunächst 'Vorwahlen' organisieren will, also Regional- versammlungen für die Wahl einer nationalen Versammlung, die dann wiederum eine nationale Regierung nominiert und dabei moderate und amerikafreundliche Kräfte bevorzugt - und andererseits dem schiitischen Religionsführer, der wiederum nationale Wahlen fordert, zum Vorteil der nationalistischen Kräfte und seines eigenen Volkes."

Der britische GUARDIAN hält konkrete Vorschläge für UN- Generalsekretär Kofi Annan bereit und empfiehlt:

"Annan sollte den Giftkelch der US-Verwaltung zurückweisen. Er sollte das Konzept für Direktwahlen unterstützen. Dies muss keine Verzögerung für die Souveränität Iraks bedeuten. (...) Alternativ sollten die UN anbieten, die Verantwortung für die gesamte Übergangszeit bis zur irakischen Herrschaft zu übernehmen, wie die Regierungen vieler Mitgliedstaaten ursprünglich gehofft hatten. (...) Washingtons Plan für einen Machttransfer ist nur Fassade."

Die WASHINGTON POST beklagt, die Europäer ließen es in der Nahost-Politik an Unterstützung für die USA mangeln:

"Fürs erste haben die Nachfragen des Weißen Hauses bei europäischen Regierungen Interesse und Skepsis erzeugt. Europäische Politiker tendieren dazu, anzuzweifeln, ob Präsident Bushs Ziel demokratischer Regierungen in Nahost in naher Zukunft erreichbar ist; sie machen auch darauf aufmerksam, dass arabische Regierungen abgeneigt sein könnten, sich zur Zusammenarbeit mit der NATO oder zu Reformen zu verpflichten. Einige europäische Beamte scheinen Interesse daran zu haben, eine Diplomatie in Nahost fortzuführen, die merklich getrennt von der Washingtons ist."

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Zum Abschluss ein Auszug aus der Pariser Zeitung LE MONDE, die anlässlich des 1. Deutsch-Französischen Tages ein Schlaglicht auf den Deutschunterricht in Frankreich wirft:

"Der Rückgang erklärt sich zunächst mit der Verstärkung der Dominanz des Englischen und Spanischen. (...) Dazu kommen besondere Schwierigkeiten der deutschen Sprache. Erst einmal schreckt diese schwere Sprache einen Teil der Schüler ab. Außerdem wurde die Wahl des Deutschen lange Zeit als eine wirksame Methode angesehen, um in die besten Klassen zu kommen. Der Wunsch des Bildungsministers, diese Sprachwahl-Strategie zu unterbinden, um eine Trennung in 'gute' und 'schlechte' Klassen zu vermeiden, hat die Anziehungskraft des Deutschen beträchtlich verringert."