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Internationale Kritik nach Chodorkowski-Urteil

28. Dezember 2010

Der erneute Schuldspruch des russischen Kremlkritikers Michail Chodorkowski ist international mit Sorge aufgenommen worden. Deutschland, die Europäische Union, die USA und Menschenrechtler kritisieren das Urteil.

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Demonstranten fordern Chodorkowskis Freilassung (Foto: AP)
Demonstranten fordern Chodorkowskis FreilassungBild: AP

Der Schuldspruch gegen den früheren Öl-Magnaten und Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski in Russland ist international auf deutliche Kritik gestoßen. "Die Umstände des Verfahrens sind äußerst bedenklich und ein Rückschritt auf dem Weg zur Modernisierung des Landes", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Die Europäische Union rief Moskau zur Achtung der Menschenrechte auf.

Beunruhigung im Weißen Haus

US-Präsident Obama im Weißen Haus (Archivfoto: AP)
US-Präsident Obama ließ seine Besorgnis erklärenBild: AP

In den USA wurde der erneute Schuldspruch ebenfalls mit Beunruhigung aufgenommen. "Wir sind sehr besorgt", erklärte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Robert Gibbs. Außerdem sei die US-Regierung "irritiert über Anschuldigungen, wonach Verstöße gegen die Gleichbehandlung vor dem Gesetz begangen wurden und es anscheinend eine missbräuchliche Nutzung des Justizsystems zu unlauteren Zielen gegeben hat".

In der Erklärung wird der russischen Justiz eine "offenbar selektive Anwendung des Rechts" im Fall von Michail Chodorkowski und seinem mitangeklagten Geschäftspartner Platon Lebedew vorgeworfen. Diese "untergräbt den Ruf Russlands als Land, das sich der Vertiefung des Rechtsstaates verpflichtet", bemängelte Obamas Sprecher. Dass Russland sich nicht an seine Verpflichtung zur Achtung universeller Werte halte, behindere "seine eigene Modernisierung und seine Fähigkeit, seine Beziehungen zu den USA zu vertiefen".

Gesprächsthema zwischen USA und Russland

Darüber habe Obama schon oft mit dem russischen Staatschef Dmitri Medwedew gesprochen, fügte Gibbs hinzu. Zugleich kündigte er an, dass die US-Regierung das Verfahren gegen Chodorkowski, insbesondere die Begründung des Urteils und dessen eventuelle Überprüfung durch höhere Instanzen, genau verfolgen werde.

Zuvor hatte US-Außenministerin Hillary Clinton bereits ähnliche Kritik an dem Schuldspruch geübt. Sie äußerte den Verdacht, dass "das Recht von politischen Erwägungen überschattet" werde. Der Fall Chodorkowski und andere Fälle hätten negative Folgen auf Russlands Ruf bei der Einhaltung der Menschenrechte. Außerdem schade dies dem Investitionsklima in Russland. Deutschland und die USA hatten den Prozess wiederholt als "Test" für die Reformversprechen von Kremlchef Dmitri Medwedew bezeichnet.

Urteilsverkündung im neuen Prozess gegen Michail Chodorkowski (Foto: AP)
Urteilsverkündung im neuen Prozess gegen Michail ChodorkowskiBild: AP

Entsetzen bei Oppositionellen und Meschenrechtlern

Die russische Opposition zeigte sich "entsetzt" von dem Schuldspruch. "Heute ist ein trauriger Tag für Russland", sagte der frühere Vize-Regierungschef Boris Nemzow. Vor dem Gerichtsgebäude verlangten Demonstranten Freiheit für die Angeklagten. "Jeder von uns kann zu einem Chodorkowski werden", hieß es auf einem Plakat. Sicherheitskräfte führten mehrere Menschen ab.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, kritisierte den Schuldspruch als "Beispiel für politische Willkürjustiz". "Ich bin zutiefst empört", sagte Löning. Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff kritisierte, Urteil und Prozessverlauf "sind ein Rückschlag für die Bemühungen um mehr Rechtssicherheit in Russland". Kritik kam auch von Amnesty International: "Das Urteil und das gesamte Verfahren zeigen, wie weit Russland von einem Rechtsstaat entfernt ist", sagte der Russland-Experte der Menschenrechtsorganisation, Peter Franck.

Chodorkowski und Lebedew waren am Montag der Unterschlagung und Geldwäsche für schuldig befunden worden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen vorgeworfen, 218 Millionen Tonnen Öl abgezweigt und illegal weiterverkauft zu haben. Bis zur Verkündung des Strafmaßes könnten noch einige Tage vergehen. Chodorkowski und Lebedew waren bereits in einem ersten Prozess wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt worden.

Autor: Frank Wörner (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Hans Ziegler