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Inside the Beltway

Udo Bauer15. Juli 2004

Innerhalb des Autobahnrings von Washington ist alles anders als im Rest Amerikas. Diese politische Weisheit bezieht sich unter anderem auf die Gerüchteküche der US-Hauptstadt. Die kocht auf Hochtouren.

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"Kennste den schon?" - der neueste Witz verbreitet sich in Windeseile, und genau so verhält es sich mit den Gerüchten im politischen Washington. Hier ist das neueste: Vizepräsident Dick Cheney trennt sich von seinem alten Leibarzt, der ihm selbst nach mehreren Herzinfarkten und Bypassoperationen immer wieder die Gesundheit eines Ironman bestätigt hatte. Der neue Leibarzt sieht das ganz anders und empfiehlt Cheney, sich aus Gesundheitsgründen aus dem politischen Stressgeschäft zurückzuziehen. Rücktritt aus Gesundheitsgründen, das wäre in der Tat ein eleganter Ausweg aus der Zwickmühle, in die Cheney seinen Chef George Bush gebracht hat. Cheney ist unter anderem durch seine Rolle in der Irakdiskussion zu einer echten Belastung im Wahljahr geworden - nur 21 Prozent der Amerikaner stehen ihm - einer aktuellen Umfrage von CBS zufolge - wohlwollend gegenüber.

Charmante Geschichte

Neuen Schwung in die Bush-Kampagne könnte ein echter Sympathieträger bringen, und spätestens jetzt hat sich das Gerücht auch schon verselbständigt: Außenminister Colin Powell wäre ein guter Kandidat, oder vielleicht doch Condoleezza Rice, die Sicherheitsberaterin des Präsidenten, oder - noch besser - der beim Wahlvolk äußerst beliebte Senator John McCain oder gar der Held des 11. September, der ehemalige New Yorker Buergermeister Rudolph Giuliani. Je länger man darüber nachdenkt, umso charmanter wird die ganze Geschichte …

Aber halt! Es ist alles nur ein Gerücht, über dessen Urheber sich jetzt trefflich spekulieren lässt. Der Verdacht liegt nahe, dass es gezielt von den Demokraten gestreut wurde, um Unruhe in die Bush-Kampagne zu bringen. Wenn das stimmt, dann ist die Rechnung aufgegangen. Denn Cheney selbst sah sich schon genötigt, das Gerücht öffentlich zu dementieren. "Der Präsident hat klargemacht, dass er seine Mannschaft nicht verändern will“, sagte er dem Fernsehsender C-Span. Er könne sich das Zustandekommen dieses Gerüchtes erklären mit der allgemeinen Nachrichtenarmut vor den Nominierungsparteitagen.

Kann sein. Nirgendwo ist der Boden für Gerüchte dieser Art fruchtbarer als "Inside the Beltway" - also innerhalb der Ringautobahn, die in etwa die geografischen Grenzen von Washington, DC darstellt und eine Art Demarkationslinie bildet zwischen dem politischen und dem wahren Amerika. Das gezielte Streuen von Gerüchten gehört in Washington zum Geschäft. So ist schon manche Karriere gestartet und so manche zerstört oder beschädigt worden.

Nicht nachzuweisen

Ein weiteres Beispiel: Als vor einigen Wochen noch nicht klar war, welchen Vizepräsidentschaftkandidaten sich der Demokrat John Kerry aussuchen würde, hieß es plötzlich aus heiterem Himmel, dass sich Kerry seinen persönlichen Freund John McCain mit aufs Ticket holen wolle. Ein charmanter Gedanke: McCain ist, wie gesagt, eine Art Volkstribun, Vietnamveteran wie Kerry, Bush-Kritiker und - Republikaner!

Erst McCains Dementi und ein gemeinsamer Wahlkampfauftritt mit George Bush setzten dem Gerücht ein Ende, halfen aber den Republikanern strategisch. Denn die behaupten jetzt ganz frech, dass John Edwards nur Kerrys zweite Wahl sei. Die Vermutung liegt also nahe, dass das Gerücht mit McCain von den Republikanern gezielt gestreut wurde. Nachzuweisen ist es nicht.