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Innenpolitischer Gegenwind für Tsipras

Jannis Papadimitriou, Athen9. März 2015

Der linke Premier Tsipras will zwar die Griechenland-Hilfen um vier Monate verlängern, dies aber nicht vom Parlament genehmigen lassen. Kritik kommt da auch aus den eigenen Reihen. Jannis Papadimitriou berichtet.

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Der griechische Premier Alexis Tsipras (Foto: Reuters)
Bild: REUTERS/Alkis Konstantinidis

Im griechischen Linksbündnis Syriza von Premier Alexis Tsipras tobt ein innerparteilicher Streit. Er dreht sich nicht zuletzt um die Euro-Mitgliedschaft Griechenlands - und die Deutungshoheit im Verhältnis zwischen Athen und seinen Geldgebern. Während aus der Perspektive aller EU-Partner das Hilfsprogramm für Griechenland bis Ende Juni ausgeweitet wurde, pocht der linke Premier zu Hause weiterhin darauf, dass lediglich eine "Kreditvereinbarung" und nicht das Sparprogramm als Ganzes verlängert worden sei. Diese Formulierung impliziert, dass neue Sparauflagen und Haushaltskürzungen nun vom Tisch wären.

Mit dieser Argumentation stößt Tsipras allerdings auf Misstrauen und Kritik aus den eigenen Reihen: Bei einer nicht öffentlichen Sitzung seiner Fraktion Ende Februar stellten sich sämtliche Abgeordnete gegen diese Absprache mit den EU-Partnern. Mindestens zehn von ihnen stimmten in einer Probeabstimmung gegen die Verlängerung der Griechenland-Hilfen, weitere Volksvertreter enthielten sich.

Eine Warnung kam zudem aus den Reihen der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel), dem Juniorpartner in Tsipras' Regierungskoalition: "Sollte diese Absprache dem Parlament vorgelegt werden, müssten wir dagegen stimmen", mahnte Anel-Politiker Nikos Mavraganis in einem TV-Interview. Aus diesen Vorfällen zog die linke Parteispitze Konsequenzen: Es sei nicht nötig, dass die jüngste Einigung mit den Gläubigern vom Parlament abgesegnet werde, erklärte Sozialminister Dimitris Stratoulis. Eine Begründung dafür lieferte das Parteiblatt Avgi: "Die Regierung hat keine neue Kreditvereinbarung unterzeichnet, sondern lediglich die geltende Vereinbarung verlängert."

Ökonom und Publizist Makis Andronopoulos kann diese Haltung der Parteispitze nicht nachvollziehen: "Der Widerspruch fällt auf, dass man einerseits von der Verlängerung einer geltenden Vereinbarung spricht, und andererseits den Wählern weismachen will, das Sparprogramm sei doch gar nicht verlängert worden", sagt Andronopoulos im Gespräch mit der DW. Dadurch werde die Linkspartei zur Gefangenen ihrer eigenen Rhetorik.

Flügelkämpfe in der Regierungspartei

Andronopoulos macht keinen Hehl daraus, dass er eigentlich mit der griechischen Linken sympathisiert. Anders als seine Vorgänger sei Premier Tsipras ein junger Hoffnungsträger, der mit den mächtigen Politikerfamilien des Landes nicht zu tun habe. Tsipras sei einer, der gegen Korruption und fragwürdige Interessengeflechte vorgehen könne, sagt der Analyst. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass er sich von linksextremem Ballast befreie: Eine "Nacht der langen Messer" sei nötig, in der sich Tsipras seines linken Parteiflügels entledigt. "Der historische Sozialistenführer Andreas Papandreou hatte es vorgemacht: Auf seine Anordnung hin wurden 1977 mehrere führende Parteimitglieder auf einmal rausgeworfen. Das war, bevor seine sozialistische Pasok-Partei 1981 an die Macht kam", gibt Andronopoulos zu bedenken.

Demonstranten mit griechischen Flaggen protestieren gegen das Sparprogramm in Athen (Foto: Reuters)
Immer wieder kommt es zu Protesten gegen das SparprogrammBild: Reuters/Y. Behrakis

Für Tsipras sei die Sache allerdings nicht so einfach, da interner Streit die Regierungsstabilität bedrohen würde:"Wenn Tsipras tatsächlich den Bruch wagt, dann kommt es in Kürze schon wieder zu Neuwahlen."

Immer deutlicher kommt in den letzten Tagen der linke Syriza-Flügel zu Wort: Nachdem der EU-Parlamentarier Manolis Glezos die Parteispitze öffentlich beschuldigte, ihr "Wahlprogramm verraten zu haben", forderte der linke Ökonom Kostas Lapavitsas am Freitag eine "Umstrukturierung" der griechischen Schulden im Juni. Bis dahin müsse die regierende Linkspartei möglichst viel von dem, was in ihrem Wahlprogramm steht, auch umsetzen, mahnte der Volksvertreter. "Die viermonatige Verlängerung dient dem Zweck, sicherzustellen, dass Syriza mit der Realisierung des eigenen Wahlprogramms beginnt", sagte Lapavitsas in einem TV-Interview.

Streit um die Bedeutung des Wählerauftrags

Lapavitsas plädierte schon lange für eine Rückkehr zur Drachme und gilt somit als radikaler Gegenpol zum amtierenden Finanzminister Yanis Varoufakis, der Griechenland im Euroraum halten will. Einig sind sich die beiden aber darüber, dass im Sommer Verhandlungen mit den Gläubigern über eine Neuregelung des Schuldendienstes anstehen. Auf die Frage hin, was passiert, wenn es zum Bruch käme, macht Lapavitsas eine klare Ansage: Die Linkspartei Syriza sei an die Macht gekommen, um ihr Wahlprogramm umzusetzen. Sollte sich Griechenland im Juni zwischen einem neuen Sparpaket und der Euro-Mitgliedschaft entscheiden müssen, dann würde "das Volk gefragt". Ob es dann zu Neuwahlen oder zu einem Volksentscheid kommt, lässt Lapavitsas offen.

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis (Foto: Reuters)
Varoufakis legte Vorschläge zur Sanierung der Wirtschaft vorBild: Reuters/Y. Herman

Der Ökonom und Syriza-Sympathisant Makis Andronopoulos vertritt eine andere Auffassung: "Die griechischen Wähler sind eher konservativ ausgerichtet. Ihr Auftrag an die Linkspartei lautet: Ja zur versprochenen Neuverhandlung, aber Nein zu einem offenen Bruch mit den Geldgebern." Die Linkregierung dürfe nicht vergessen, dass sie ihren Wahlsieg auch vielen konservativen Stimmen verdankt, meint Andronopoulos.

Immerhin hat der allererste Gesetzentwurf der Linksregierung die politische Klasse in Athen nicht gespalten - im Gegenteil: Sowohl die Linksfraktion, als auch die konservative Opposition und die sozialistische Partei Pasok stimmten am Freitag im Parlament für ein Notprogramm gegen die sozialen Härten der Sparpolitik. Vorgesehen sind unter anderem Lebensmittelkarten und Mietzuschüsse für Bedürftige. Geschätzte Kosten: rund 200 Millionen Euro.

Zudem hat Finanzminister Varoufakis in einem elfseitigen Brief an Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem Steuern auf Internet-Glücksspiele und einen Abbau der Bürokratie in Griechenland vorgeschlagen. Eine andere Idee aus dem Brief: Amateur-Steuerfahnder sollten mit Kameras und Tonaufnahmegeräten Beweise gegen Steuersünder unter Taxifahrern, Handwerkern oder Restaurant-Besitzern sammeln.