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Innenminister wollen zweites NPD-Verbotsverfahren prüfen

Marcel Fürstenau22. März 2012

Alle halten die rechtextremistische Partei für verfassungsfeindlich, aber Politiker warnen auch vor der Gefahr eines erneuten Scheiterns. Gute Erfolgschancen sieht ein Ex-Verfassungsrichter, der sich bestens auskennt.

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NPD-Anhänger in Springerstiefeln stehen vor einem Wahlplakat der NPD (Foto: Kalaene Jens / dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Trotz mancher Bedenken haben die Innenminister von Bund und Ländern die Weichen für einen neuen Versuch gestellt, die rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu verbieten. Auf einer Sonderkonferenz in Berlin verständigten sich der konservative Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und seine 16 Ressortkollegen aus den Ländern darauf, Spitzel des Verfassungsschutzes, sogenannte V-Leute, aus den Führungsgremien der NPD abzuziehen. Einige Bundesländer haben ihre Quellen bereits "abgeschaltet", wie es im Geheimdienst-Jargon heißt.

Bundesinnenminister Friedrich bezeichnete das Abschalten der Quellen als "wichtige Voraussetzung, um ein faires Verfahren nach rechtsstaatlichen Kriterien zu gewährleisten". Der erste Anlauf war nach zweijähriger Vorbereitung 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil die Rolle der V-Leute bei der Beweissammlung nicht einwandfrei zu klären war. Ob es zu einem weiteren NPD-Verbotsverfahren kommt, wollen die Innenminister vom Ergebnis einer Materialsammlung abhängig machen, die im Herbst vorliegen soll. Von Anfang April an werde man etwa sechs Monate lang offen zugängliche und durch verdeckte Quellen erhaltene Informationen auswerten, die bis Anfang 2008 zurückreichen.

Friedrich: Quellen müssten vor Gericht offengelegt werden

Fünf Innenminister stehen während der Pressekonferenz nebeneinander hinter Stehpulten im Bundesratsgebäude: Der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU, v.l.), Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäeger (SPD), der Innenminister des Landes Niedersachsen, Uwe Schünemann (CDU), und der Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU).
Bundesinnenminister Friedrich (2.v.l.) und seine Länderkollegen Caffier (Mecklenburg-Vorpommern), Jäger (Nordrhein-Westfalen), Schünemann (Niedersachsen) und Stahlknecht (Sachsen-Anhalt)Bild: dapd

Friedrich machte deutlich, dass mögliche Beweise in einem Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht offengelegt werden müssten. So weit will der Innenminister des Landes Niedersachsen, Uwe Schünemann (CDU), auf keinen Fall gehen. Er könne sich nicht vorstellen, dass Sicherheitsbehörden dazu bereit wären, "weil das das ganze System der Informanten infrage stellen würde". Ein solches Vorgehen würde dazu führen, "dass wir im Kampf gegen Rechtsextremismus schlechter aufgestellt sein würden, als vorher", warnte Schünemann. Die Öffentlichkeit und die Sicherheitsbehörden dürften sich nicht nur auf ein Verbot der NPD konzentrieren. Man müsse sich auch mit Kameradschaften und autonomen Nationalisten beschäftigen, betonte der niedersächsische Innenminister. Diese Milieus sind nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zum Teil sehr gewaltbereit.

Auslöser für konkrete Überlegungen, ein zweites NPD-Verbotsverfahren in Erwägung zu ziehen, war die Mordserie der Neonazi-Terrorgruppe, die sich selbst den Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gegeben hat. Von 2000 bis 2007soll sie zehn Menschen umgebracht haben. Neun der Opfer hatten ausländische Wurzeln. Dass die Taten mutmaßlich auf das Konto der NSU gehen, haben die Sicherheitsbehörden erst im November 2011 erkannt. Nach bisherigen Erkenntnissen gibt es personelle Verbindungen der NSU zur NPD. Wie weit sie reichen, ist allerdings noch ungeklärt. Generalbundesanwalt Harald Range, der die Ermittlungen leitet, hält die Terror-Gruppe nicht für den militanten Arm der NPD.

Innenminister nehmen NPD-Verbot ins Visier

Merkel, Gauck und Lammert sind skeptisch

Könnte eine solche Verbindung nachgewiesen werden, würden die Chancen für ein NPD-Verbot erheblich steigen, meinen Experten. Aber auch ohne einen solchen Nachweis bewertete der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, die Aussichten positiv. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte er, die Morde der Neonazis hätten eine Situation geschaffen, "auf die der Staat umfassend reagieren" müsse. Mit dem Abzug der V-Leute sei der Zulässigkeit eines neuen Verbotsantrags der Weg bereitet. Hassemer ist mit der Thematik bestens vertraut, weil er beim 2003 gescheiterten Verbotsverfahren den Vorsitz führte. 

Weniger zuversichtlich als der frühere Verfassungsrichter ist die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Sorgfalt gehe vor Schnelligkeit, sagte sie "Spiegel Online". Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beurteilt ein weiteres NPD-Verbotsverfahren skeptisch. "Die wenigsten machen sich klar, wie lange so ein Verfahren dauern wird und wie viele Wahlen dazwischen stattfinden", sagte er dem "Hamburger Abenblatt". Er befürchte, die NPD könnte sich in einem laufenden Verbotsverfahren als Märtyrer-Partei aufführen. Bedenken hatten zuvor auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der frisch gewählte Bundespräsident Joachim Gauck angemeldet.      

Oppositionsparteien unterstützen Verbotsverfahren

Die drei Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag – Grüne, Linke und Sozialdemokraten (SPD) – fordern, möglichst schnell ein neues Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. "Wer die NPD verbieten will, muss sorgfältig vorgehen, darf aber nicht kleinmütig und hasenfüßig sein", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann.