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Wohnen am Wasser

Petra Gerdes16. September 2011

Wohnen am Wasser war schon immer exklusiv. Längst kann keine Stadt mehr auf solche Top-Wohnlagen verzichten. Sie zieht damit eine bestimmte Klientel an, die Ruhe sucht, aber nicht immer bekommt.

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Blick vom Balkon am Rheinauhafen auf das gegenüber liegende Rheinufer (Foto: DW)
Bild: DW/Marlis Schaum

Sonntags inspizieren sie schon mal die Klingelschilder. Manche laufen vor lauter Gucken auch fast in Laternenpfähle. Lukas Becker hatte nicht mit ihnen gerechnet, mit den Massen an Spaziergängern, die sich am Wochenende bei schönem Wetter über die Uferpromenade des Rheinauhafens schieben, ihm beim Frühstück auf dem Balkon beobachten und hoffen, dass ihnen Fußballspieler Lukas Podolski über den Weg läuft, der ja hier irgendwo wohnen soll.

Blick vom Balkon einer Wohnung im Rheinauhafen Köln auf die Promenade entlang des Wassers (Foto: DW)
Am Wochenende bevölkert: die Promenade unter Lukas Beckers BalkonBild: DW/Marlis Schaum

Die Wochenend-Besucher sind für ihn allerdings der einzige Nachteil seiner Wohnung mit Frontalblick auf den Rhein und das gegenüberliegende grüne Ufer. "Die ersten drei Jahre hatte ich nicht das Bedürfnis in den Urlaub zu fahren, ich fühle mich hier total wohl. Das Urlaubsgefühl kommt durch die vorbeifahrenden Schiffe auf, durch den Blick auf die Poller Wiesen und dadurch, das man einen schönen weiten Blick hat." Der 34 Jahre alte Journalist hat die Wohnung im Komplex "Wohnwerft 18.20" vor sechs Jahren als Investition gekauft, inzwischen ist ihr Wert um 25 Prozent gestiegen.

Wohnung als Wertanlage

Die meisten Wohnungen in den zahlreichen neuen Wohnkomplexen des Rheinauhafens waren bereits verkauft, bevor überhaupt ein Gebäude stand. Auch Charlotte Steffens und ihr Mann haben schon zwei Jahre vor Baubeginn eine Wohnung in einem der drei Kranhäuser erworben, die mit ihren Fassaden aus Glas und Stahl den Hafen dominieren. Seit einem guten halben Jahr leben die beiden hier, dreizehn Stockwerke über der Promenade mit einem Atem beraubenden Blick auf ganz Köln. "Wenn ich noch mal umziehen wollte, müsste ich schon ziemlich intensiv suchen um wieder so eine Topaussicht und so eine tolle Lage zu finden. Ich denke jeden Tag, das ist klasse hier."

Blick von einem Hochhausbalkon im Rheinauhafen auf den Rhein und die Kölner Innenstadt (Foto: DW)
Charlotte Steffens Blick auf KölnBild: DW/Marlis Schaum

Solch ein Ausblick kostet im Kranhaus je nach Wohnung bis zu 6.500 Euro pro Quadratmeter. Die Steffens sind Doppelverdiener und haben zusätzlich ihr großes Haus auf dem Land verkauft nachdem die Kinder aus dem Haus waren. Sie wollen im Alter in der Stadt leben, exklusiv am Wasser, zentral und mittendrin, aber eben hoch oben. Runter geht es, wenn der Hund Gassi geführt werden muss, der Kontakt zu Mitbewohnern ergibt sich dann auch, ansonsten leben die 133 Parteien eher für sich. Der Rheinauhafen ist kein Viertel mit dem in Köln oft beschworenen "Veedelsgefühl."

Leuchtturmprojekt für alle

Hier gibt es kaum Grün, es dominieren Beton, Glas und Stahl, ein abwechslungsreicher Mix aus neu und alt mit wenigen Geschäften. Der ehemalige Industriehafen ist ein komplett durchgeplantes Areal, das Platz für Büros, luxuriöses Wohnen und neugierige Promenadenschlenderer bietet. Man kann von der Kölner Altstadt aus direkt am Rhein entlang hierhin spazieren, in Galerien gucken, Eis essen und Schiffe beobachten. Oder eben die Bewohner. Die Stadt hat das bewusst so geplant, der Rheinauhafen sollte zwar eine exklusive, aber keine abgeschlossene Wohngegend werden, sagt Rainer Drese vom Stadtplanungsamt.

Altes und neues Gebäude im Kölner Rheinauhafen (Foto: DW)
Alt kombiniert mit neu im RheinauhafenBild: DW/Marlis Schaum

"Der Rheinauhafen ist für eine Stadt wie Köln mit Sicherheit eine neue Marke, ein neues Leuchtturmprojekt, gerade durch die Architektur. Er ist eine neue Sehenswürdigkeit in Köln, neben dem Dom, den alten Kirchen und der Altstadt." Die Stadt kann nach Einschätzung von Drese heute nicht mehr auf solche Top-Wohnanlagen am Wasser verzichten, wenn sie im Wettbewerb mit anderen Städten bestehen will. In Köln gibt es viel Bedarf an zusätzlichem Wohnraum, an öffentlich gefördertem aber eben auch an qualitativ hochwertigem Wohnungsbau möglichst nah am Wasser. Der ist sogar so gefragt, dass die Stadt Köln darüber nachdenkt, weitere Häfen im Stadtgebiet in Wohngebiete umzuwandeln.

Hafen ist Hafen ist Hafen

Der Verkauf der Flächen an gut zahlende Investoren bringt Geld, wohlhabende Bewohner bringen Kaufkraft mit sich und zahlen Steuern. Allerdings muss eine Stadt gut abwägen, ob sich das für sie mehr lohnt als die bereits ansässigen Industrieunternehmen in den Häfen zu halten oder aufwändig umzusiedeln. Vor einigen Jahren haben Rainer Drese und seine Kollegen im Rahmen eines regionalen Strukturförderprogrammes die Rheingegend nach potentiellen neuen Bauflächen abgesucht. 40 Standorte haben sie damals gefunden, sechs kamen schließlich in eine finale Auswahl und wurden in einem internationalen Wettbewerb beplant. An allen sechs Standorten soll jeweils das Sieger-Wohn-Projekt realisiert werden, bis jetzt steht aber nur eins im Kölner Stadtteil Stammheim kurz vor der Umsetzung.

Wohnblock im Kölner Rheinauhafen (Foto: DW)
Die Wohnwerft 18.20Bild: DW/Marlis Schaum

Wer dort mal einzieht, wird auch das finden, was die Bewohner des Rheinauhafens vor ihren Fenstern haben: glitzerndes Wasser mit vorbeirauschenden Schiffen. Manchen Bewohnern sind diese Schiffe allerdings zu laut, zu dreckig, zu geruchsintensiv. Deswegen werfen sie nachts Müll auf ankernde Schiffe oder mindern die Miete, weil sie der Meinung sind, ihre exklusive Wohnlage sei mit dem Geruch von Schiffen nicht vereinbar. Lukas Becker schämt sich für solche Aktionen, Charlotte Steffens schüttelt darüber den Kopf. Beide sind zufrieden mit ihrem Viertel. "Sobald ich die Tür zumache und von der Arbeit komme, vergesse ich alles, was vorher war", sagt Lukas. Charlotte Steffens muss gar nichts sagen. Sie deutet einfach nur auf die Aussicht. Überzeugt.

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Jochen Kürten