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Indiens Bargeldreform erneut in der Kritik

Murali Krishnan
16. September 2017

Die Bargeldreform des indischen Premiers Modi im vergangenen November hatte von Anfang Proteste und skeptische Kommentare hervorgerufen. Jetzt sehen sich Kritiker durch Zahlen der Zentralbank bestätigt.

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Indien Mumbai Proteste gegen Abschaffung von Geldscheinen
Bild: Getty Images/AFP/I. Mukherjee

Vergangenen November hatte Ministerpräsident Narendra Modi seinem Land eine umstrittene Bargeldreform als Schocktherapie verordnet. Praktisch über Nacht wurden die bisher gültigen 500- und 1000-Rupien-Scheine für ungültig erklärt, was 86 Prozent der im Umlauf befindlichen Bargeldbestände entsprach. Bis zu 100 Personen sollen bei Unruhen im Zuge des erzwungenen Umtauschs ums Leben gekommen sein. Die Regierung begründete die Maßnahme mit der Bekämpfung von drei Übeln: der Steuerhinterziehung, des Falschgeldes und der Terrorfinanzierung. Von Anfang an wurde kritisiert, dass vor allem die unteren und mittleren Einkommensschichten, die für Alltagsgeschäfte meist Bargeld nutzen, am meisten unter den wirtschaftlichen Folgen der Reform zu leiden hätten.

Vergangene Woche gab die indische Zentralbank (RBI) nun Zahlen bekannt, durch die die Kritiker der Maßnahme sich bestätigt sehen. Praktisch alle der damals für ungültig erklärten Banknoten seien an die Banken zurückgegeben worden, nämlich 98,96 Prozent. Das war nicht erwartet worden: Zum Zeitpunkt der Bargeldreform im vergangenen November ging die Regierung von 500- und 1000-Rupien-Scheinen im Wert von 15,4 Billionen Rupien (rund 200 Milliarden Euro) aus, die im Umlauf waren. Davon, so die Schätzung, waren drei Billionen, also rund 20 Prozent, Schwarzgeld, das sich nicht auf Bankkonten wiederfinden würde. Tatsächlich aber waren bis zum Stichtag 30. Juni dieses Jahres ungültige Banknoten im Wert von rund 15,2 Billionen bei den Banken zum Umtausch eingereicht worden. Gab es also gar nicht so viel Schwarzgeld wie vermutet, oder haben die Besitzer Mittel und Wege gefunden, die Herkunft ihrer Bestände nachträglich zu legalisieren? War die ganze Übung also letztlich ein Fehlschlag?

Indien - Federal Reserve Bank of India
Argumentationshilfe von der Zentralbank für Modis Kritiker Bild: Getty Images

Opposition: Modis PR-Coup war ein Fehlschlag

Kritiker der Regierung wie der Ökonom M K Venu sehen das so: "Das einzige Ergebnis durch das Bargeld-Chaos, das die Regierung im vergangenen November veranstaltet hat, sind der Rückgang der Industrieproduktion, der Kreditvergabe der Banken und der Schaffung neuer Jobs." In die gleiche Kerbe haut Jayati Ghosh von der Jawaharlal Nehru-Universität in Nei Delhi: "Die normalen Bürger mussten mit vielen Härten den Preis für eine unnötige PR-Maßnahme der Regierung zahlen. Es ging nur darum, bei den Wähler den Eindruck zu erwecken, dass die Regierung gegen das Horden von Schwarzgeld vorgeht."

Die Opposition nutzt jetzt die Zahlen der RBI, um die Bargeldreform als "gegen die Interessen des Landes" und als "nationale Katastrophe" zu brandmarken. Sie verlangen einen Regierungsbericht zur Entstehung und Umsetzung der Bargeldreform. Unter Hinweis darauf, dass nur ein Prozent der für ungültig erklärten Banknoten nicht mehr aufgetaucht seien, forderte der frühere Finanzminister P Chidambaram (Kongresspartei) ironisch, man sollte dem geistigen Urheber der Bargeldreform einen Nobelpreis verleihen.

Indien: Finanzminister Arun Jaitle
Finanzminister Arun Jaitley: Reform hat wichtige Ziele erreicht Bild: Imago/Hindustan Times/A. Yadav

Ärmere Schichten leiden weiterhin unter Reform

Die Regierung argumentiert nun, Ziel der Maßnahme sei es keineswegs nur gewesen, Schwarzgeld aus dem Verkehr zu ziehen, sondern auch die Zahl der Steuerzahler zu vergrößern, die Digitalisierung der Geldwirtschaft voranzubringen und die Terrorfinanzierung zu unterbinden.  "Und auf jedem dieser Gebiete hat sich die Bargeldreform als sehr wirksam erwiesen", erklärte Finanzminister Arun Jaitley vor kurzem vor der Presse.

Das geringere Wirtschaftswachstum im 1. Quartal des indischen Finanzjahrs (April – Juni) gegenüber dem Vorjahreswert (5,7 gegenüber 6,1 Prozent) wird von Experten zwar auch mit der Bargeldreform, aber in erster Linie mit der Einführung einer neuen landesweiten Umsatzsteuer erklärt. Allerdings leiden viele Bereiche der Wirtschaft des Landes noch direkt unter den Folgen der Reform, vor allem in der Landwirtschaft und im informellen Einzelhandel. Zudem gab es in diesem Zusammenhang bereits gewalttätige Bauernproteste in Maharahstra und Madhya Pradesh mit mehreren Toten.