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In Russlands Diamanten-Minen

Emma Burrows, Russland / glh15. August 2016

Im Nordosten Russlands sucht ein ganzes Dorf nach Diamanten. Mirny gilt als die "Diamanten-Hauptstadt" Russlands. Das Land ist, gemessen an der Menge, der größte Diamanten-Produzent der Welt. Aus Mirny Emma Burrows.

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Mirny Diamantenmine
Bild: DW/E. Burrows

Mirny ist so abgelegen, dass die Menschen hier den Rest Russlands als das "Festland" bezeichnen. Im Fernen Nordosten gelegen, rund 4000 Kilometer von Moskau entfernt, kommt man hier normalerweise nur mit dem Flugzeug hin. Im Winter, wenn die Temperaturen auf unter -50 Grad Celsius fallen, bilden sich Straßen aus Eis, die die Einfuhr von Gütern auf dem Landweg erlauben.

Die Stadt selbst wurde um ein gigantisches Loch herum gebaut. Das Loch ist die Diamantenmine und ist mittlerweile 1,2 Kilometer breit und einen halben Kilometer tief. Diamanten fand man erstmals in den 1950er-Jahren und mit der Mine wuchs auch die Stadt. Die Einnahmen der Stadt stammen fast ausschließlich aus den Erträgen des Bergwerkes.

Mirny ist ein unwirtlicher Ort. Bis in den Juni hinein liegt hier Schnee, der Winter dauert zehn Monate. Attraktiv ist Mirny weder wegen des Klimas, noch aufgrund des Ortes an sich. Aber die höheren Gehälter machen den Ort für Einige dann doch etwas interessanter, als er eigentlich ist. Ein Grund, warum auch Menschen aus extrem weit entfernten Städten hierherkommen.

"Das Leben hat mich gezwungen, hierher zu kommen"

Die Sonne scheint. In einem kleinen Park im Zentrum Mirnys sitzen drei Männer auf einer Bank. Sie trinken Bier. Alle drei sind wegen der Diamanten nach Mirny gekommen. Drei Monate lang arbeiten sie - ununterbrochen. Dann fahren sie für einen Monat nach Hause. Und dann geht der Rhythmus wieder von vorne los.

"Ich komme aus dem Ural", sagt einer der Männer. "Und ich komme aus Rostow", erzählt ein anderer. Seine Heimat liegt fast 10.000 Kilometer und über acht Flugstunden von Mirny entfernt. "Das Leben hat mich dazu gezwungen, hierher zu kommen", sagt er. "Die Gehälter sind hier besser als überall sonst. Man kann mehr Geld verdienen, um es mit nach Hause zu bringen. Aber leider ist das ganze Geld dann oft nach dem einen Monat Freizeit wieder weg."

Mirny Diamantenmine (Foto: DW/E. Burrows)
In der Freizeit genießen die drei das TageslichtBild: DW/E. Burrows

Er vermisse seine Familie, erzählt der junge Mann, aber er werde seine Frau und seine Kinder nicht herholen: "Warum sollen sie hierherziehen an diesen eiskalten Ort, wenn sie im Süden die Sonne genießen können?"

Die drei Männer können gerade die Sonne etwas genießen. Für ihre Arbeit müssen sie aber über 500 Meter unter die Erdoberfläche fahren. Ob Tag oder Nacht ist, ist dort ganz egal. Rund um die Uhr werden die Steine abgeschliffen, stets auf der Suche nach Diamanten im Wert von Millionen Euros.

Kleine Haufen Diamanten

"In der Mine gibt es nur harte Arbeit", sagt Nurlan Abdelkov, ein Bergarbeiter. Er bedient eine über zehn Meter lange Maschine, die das Gestein unter der Erde zerstört und dann auffängt.

Nurlan Altynbekov (Foto:DW/E. Burrows)
Nurlan Altynbekov auf dem Weg unter TageBild: DW/E. Burrows

"Wir verbringen so viel Zeit unter der Erde. Die Schichtarbeit strengt körperlich extrem an. Aber bei uns ist es halt eine Familientradition", erzählt der junge Mann. Sein Vater habe bereits in der Mine gearbeitet. "Da weiß ich genau, was ich zu tun habe."

Über der Erdoberfläche wird das Gestein, das Nurlan Abdelkov und seine Kollegen abbauen, weiter verarbeitet. In einem unauffälligen Gebäude, sitzen zahlreiche Frauen über eine große Schüssel Diamanten gebeugt, sie schütten ganze Eimer aus und sortieren sie in kleine glitzernde Haufen nach Farbe, Größe und Form.

Nina Nikonovna beaufsichtigt einen Teil der Arbeit. Sie kommt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Mirny. Mit 17 Jahren hat sie hier angefangen, heute ist sie 70 Jahre alt. "In den 53 Jahren, die ich hier arbeite, sind so viele Diamanten durch meine Finger gegangen. Diamanten, die schöne Menschen in Deutschland vielleicht jetzt tragen", sagt Nina Nikonovna. "Ich bin stolz, dass ich in diesem Land geboren wurde, in dem die Natur solch einen Reichtum birgt."

Doch die Arbeiter in Mirny müssen ihre Leben mit weitaus bescheideneren Summen bestreiten. Die Gehälter sind hier zwar höher, doch auch die Lebenshaltungskosten. So gut wie alle Lebensmittel müssen nach Mirny eingeflogen werden und durch die Abwertung des Rubels kostet das Essen in letzter Zeit zusätzlich mehr.

Wirtschaftskrise auch in Mirny

Die wirtschaftliche Krise in Russland hat mittlerweile auch Einfluss auf Mirny. So hat die Regierung einen Teil der Mine verkauft, um Löcher in den eigenen Finanzen zu stopfen. Weil es dringend war, wurde der Vertrag für den Verkauf des Anteils mit für den russischen Staat eher ungünstigen Konditionen geschlossen. So wurde der Anteil für 732 Millionen Dollar weniger verkauft, als die Regierung eigentlich verlangt hatte. Analysten sagen auch, dass bei vielen Investoren das Interesse gering war, aufgrund der derzeit angespannten politischen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen.

Nina Nikonovna (Foto:DW/E. Burrows)
Nina Nikonovna arbeitet seit 53 Jahren in MirnyBild: DW/E. Burrows

Nicht nur die Regierung, auch die Bevölkerung gucken sich in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach Alternativen zum Geld verdienen um. Viele schauen beispielsweise gen Norden, wo es eine weitere Diamanten-Mine gibt.

Mit dem Helikopter braucht man von Mirny nach Nakyn circa zwei Stunden. Von oben betrachtet wird die Abgeschiedenheit der Stadt noch einmal deutlicher. Die Häuser von Mirny stehen dicht gedrängt am Rand des riesigen Bergwerkes.

Im Helikopter sitzt eine Frau, unter ihrem Sitz ein kleiner Koffer. Sie arbeitet in der Mine in Nakyn: "Das Gehalt ist dort höher", schreit sie über den Helikopterlärm hinweg.

Preise wie in Moskau

So plötzlich wie Mirny in der endlos scheinenden russischen Taiga verschwindet, tauchen Nakyn und sein Diamantenbergwerk zwischen den Bäumen auf. Hier gibt es noch weniger als in Mirny. Die Menschen fliegen im zwei-Wochen-Rhythmus zum Arbeiten ein und verschwinden wieder. Die Schichten dauern 12 Stunden, geschlafen wird in Gemeinschaftsunterkünften direkt am Bergwerk.

In der Kantine isst der Ingenieur Alexander Fritzler gerade zu Mittag: "Ich bin hierhergekommen, weil ich Probleme hatte, meine Miete zu zahlen", erzählt Fritzen. "Ich komme aus Mirny, aber dort ist das Wohnen sehr teuer. Die Preise sind ähnlich hoch wie in Moskau. Wenn ich hier arbeite, muss ich in Mirny nur für zwei Wochen im Monat eine Wohnung mieten."

Daiamanten (Foto:DW/E. Burrows)
So sehen die Diamanten aus Mirny und Nakyn ausBild: DW/E. Burrows

Im Dunkeln der Mine, hunderte Meter unter der Erde arbeitet Nurlan Adelbekov. Ob er daran denke, wie viel die Diamanten, die er hier in Akkordarbeit fördert, wert seien? Der Mann verneint. Es mache ihm nichts aus, dass nur einer der Diamanten mehr wert sein könnte, als er in seinem ganzen Leben verdiene. "Wir graben ja nur die Steine aus und die Diamanten sind in den Steinen drin", sagt er. "Für mich ist es am wichtigsten, dass ich meine Arbeit gut erledige und dann nach Hause zu meiner Familie gehen kann."