1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"In Russland wird ein politisches Spektakel aufgeführt"

20. Dezember 2007

Aleksej Muchin vom Moskauer Zentrum für politische Informationen nimmt Stellung zur Lage vor den russischen Präsidentschaftswahlen. Er rechnet mit der Nominierung weiterer Kandidaten des Kreml neben Medwedjew.

https://p.dw.com/p/CeDh
Aleksej Muchin hält einen schwachen Präsidenten in Russland für unmöglichBild: DW / Alexander Morozov

DW-Russisch: Warum hat die Partei Einiges Russland gerade Dmitrij Medwedjew zu ihrem Präsidentschaftskandidaten nominiert?

Aleksej Muchin, Direktor des Moskauer Zentrums für politische Informationen: Es wurde von Anfang an vermutet, dass die Partei Einiges Russland gerade Dmitrij Medwedjew aufstellen wird, weil genau aus seiner Tasche – über Gasprom – praktisch alle Projekte dieser Partei in den vergangenen Jahren finanziert wurden. Es wäre seltsam, wenn jemand anderes aufgestellt worden wäre, einschließlich Sergej Iwanow. Natürlich hätte die Partei denjenigen aufgestellt, den Putin benannt hätte, aber die Aufstellung von Dmitrij Medwedjew ist logisch und erklärbar.

Warum wurde Medwedjew noch vor dem 17. Dezember, dem Parteitag von Einiges Russland benannt? Boris Gryslow hatte doch die Nominierung für den Parteitag angekündigt.

Die vorzeitige Benennung Medwedjews zeigt, dass Putin möglicherweise plant, weitere starke Kandidaten aufzustellen, die untereinander konkurrieren würden. Vor diesem Hintergrund würde dann jeder andere politische Kampf solcher Statisten wie Schirinowskij oder Sjuganow oder auch der Kandidaten der Kreml-feindlichen Opposition kindisch erscheinen.

Warum braucht Putin mehrere Kreml-Kandidaten?

Für Putin wäre dies eine ideale Situation. Dann könnte er sein bestehendes System aufrecht erhalten, das von Zügeln und Gegengewichten geprägt ist. Er will keinen seiner Kampfgenossen aus der Politik verbannen, weder Dmitrij Medwedjew, noch Sergej Iwanow oder jemand anderen, der als möglicher Kandidat gehandelt wird.

Das heißt, dass der künftige Präsident keine schwache Figur sein wird?

Ein schwacher Präsident ist in Russland unmöglich. Ein schwacher Präsident bedeutet zwei Machtzentren, oder sogar drei, und schließlich politisches Chaos. Putin hat erklärt, dass er zwei Machtzentren nicht zulassen werde.

Warum unterstützt Putin gerade Medwedjews Kandidatur?

Ich möchte unterstreichen, dass Putin ihn nicht als seinen Nachfolger bezeichnet hat. Putin stimmte lediglich der Kandidatur Medwedjews zu, der von vier Parteien aufgestellt wurde. Dabei führte er an, er kenne ihn schon 17 Jahre, dass er mit seiner Arbeit zufrieden sei und deswegen seine Kandidatur unterstütze. Er sagte nicht, das sei der einzige Kandidat, sein Nachfolger und dass man nur für ihn stimmen müsste. Entsprechende Aufforderungen gab es nicht.

Es ist nur schwer vorstellbar, dass Medwedjew auf Initiative der Parteien und nicht auf Initiative von Wladimir Putin aufgestellt wurde...

Anfangs ging die Initiative, Medwedjew aufzustellen, nicht von jenen Parteien aus. Deswegen sprechen wir ja auch von einem politischen Spektakel, das aufgeführt wird.

Muss man mit einer Präsidentschaftskandidatur von Sergej Iwanow rechnen?

Seitens Wladimir Putin wäre es unlogisch, Sergej Iwanow aus dem Präsidentschaftswahlkampf auszuschließen, weil man dann von keinem Wettbewerb, von keinem demokratischen Verfahren mehr sprechen wird.

Warum würde dies Wladimir Putin schaden?

Dem Team aus St. Petersburg ist Ansehen wichtig. Es will sich nicht in seiner Arbeit auf Russland beschränken. Es exportiert ziemlich aktiv seinen Einfluss und seine Kontakte unter anderem auch ins Ausland. Wenn Putin demokratische Prinzipen aufgibt, die der westlichen Welt wichtig sind, dann wird er die Haltung Lukaschenkos übernehmen. Der belarussische Präsident kann praktisch nirgendwo mehr hinreisen.

Welche Bedeutung hat der Einfluss des Westens auf die Bewertung der demokratischen Entwicklung in Russland?

Putin will dem weltweiten Establishment angehören. Deswegen beabsichtigt er nicht, sich mit Lukaschenko, Ghaddafi, Chavez und anderen, deren Einfluss auf die Weltpolitik ziemlich eingeschränkt ist, in eine Reihe zu stellen. Das wäre von Putin töricht. Umso mehr, weil er eine gewaltige Korporation mit der Bezeichnung Russland schaffen will, mit weltweitem Einfluss.

Das Gespräch führte Sergej Morosow, DW-Russisch