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Sanitätssoldaten der Bundeswehr in Afghanistan

22. Juni 2010

Im Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wird die Sanitätskomponente immer wichtiger. Rettungssanitäter und Ärzte werden in speziellen Lehrgängen auf ihre Aufgabe vorbereitet.

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Eine Sanitäterin misst am Dienstag (10.07.2007) in einem mobilen Krankenhaus in der Gäuboden-Kaserne in Feldkirchen nahe Straubing (Niederbayern) während einer Übung den Blutdruck eines verletzten Soldaten. Das Ausbildungszentrum in der Kaserne ist speziell für die Ausbildung von Soldaten im Vorfeld von Auslandseinsätzen zuständig. Jeder Sanitäter, der in Afghanistan, Bosnien oder dem Kosovo eingesetzt wird, muss den Lehrgang absolvieren.
"Wenn's knallt, den Kameraden den Arsch retten": In Feldkirchen bildet die Bundeswehr ihre Sanitäter ausBild: picture alliance / dpa

Der Einsatz deutscher Bundeswehrsoldaten in Afghanistan wird stets gefährlicher. Sprengstoffanschläge auf Fahrzeugkonvois, Angriffe auf das Lager in Kundus, Gefechte im Einsatzgebiet. Immer häufiger kommen deutsche Soldaten bei diesem Einsatz zu Schaden. Umso wichtiger ist die Rolle der unterstützenden Sanitätssoldaten, die während eines Lehrgangs am "Zentrum für Einsatzausbildung und Übungen des Sanitätsdienstes", ZEUS, in dem niederbayerischen Ort Feldkirchen auf ihre spezielle Aufgabe vorbereitet werden. Dabei werden - so wirklichkeitsnah wie möglich - kritische Situationen geprobt und anschließend analysiert.

Sprengfalle in der Talsenke

Soldaten üben die Bergung eines verletzten Kameraden (Foto: DW/Daniel Scheschkewitz)
"Eine Art Lebensversicherung": Sanitätssoldaten üben die Bergung eines verletzten KameradenBild: DW

In einem unscheinbaren Schuppen auf dem Standortübungsplatz haben sich die Lehrgangsteilnehmer am frühen Morgen um den Ausbilder und ein Sandkastenmodell geschart. Anhand des Modells erklärt Hauptfeldwebel J. (voller Name der Redaktion bekannt) wo im Übungsgelände ein Sprengstoffanschlag drohen könnte und welche Handlungsmöglichkeiten den Soldaten in einer solchen Situation verbleiben. "Dass wir unter Beschuss kommen könnten, setz' ich jetzt einfach voraus", erklärt der Ausbilder und gibt so den Handlungsrahmen für Sanitätssoldaten und Infanteristen vor, die ihr Zusammenspiel in der konkreten Gefahrenlage unter möglichst realistischen Bedingungen üben sollen. Die Soldaten besprechen ihre Optionen. Im Voraus und am Modell. Sie wägen die Vor- und Nachteile bestimmter Handlungsweisen ab, dann wird über das Vorgehen entschieden. Danach werden die Sanitätssoldaten den unterschiedlichen Patrouillen zugeteilt und während draußen noch der Tau auf dem Boden liegt, geht es in die Einsatzsimulation. Was die Soldaten am "Zentrum für Einsatzausbildung und Übungen des Sanitätsdienstes" nicht wissen können: wie sich die Situation im Gelände nach der Zündung des Sprengsatzes weiter entwickeln wird.

Entscheidungsdruck im Chaos

Vor einer scharfen Kurve und in einer tiefen Talsenke schlagen die Attentäter zu. Ein Bundeswehrfahrzeug wird getroffen, der Konvoi wird getrennt, Rauchschwaden vernebeln den Ort des Geschehens. Der Gruppenführer des beweglichen Arzttrupps muss per Funkverkehr Handlungsanweisungen geben. Wohin sollen die anderen Fahrzeuge ausweichen? Wurden die Insassen des Fahrzeugs verletzt? Wie stark wurde das Fahrzeug beschädigt? Droht ein zweiter Anschlag oder lässt sich der Konvoi wieder zusammenführen? Fragen, die über Leib und Leben der Kameraden entscheiden können und deren richtige Beantwortung schablonenhaft trainiert werden muss, damit sie auch unter Stress im Einsatz reibungslos funktioniert.

Soldaten sichern das Gelände bei einer Übung in Feldkirchen (Foto: DW/Daniel Scheschkewitz)
In Feldkirchen üben fürs Feld: Soldaten sichern das GeländeBild: DW

Auf dem Feld-, Wald-, und Wiesenterrain des Bundeswehrübungsplatzes ist schnell wieder Ordnung hergestellt. Das Gelände wurde gesichert, über Funkverkehr das betroffene aber nur leicht beschädigte Fahrzeug in den Konvoi zurückgeführt. Doch auch wenn die Ausbilder für das Erste zufrieden sind, lassen sie keinen Zweifel daran, dass Übung und Realität zwei Paar Schuhe sind: "Wir müssen wissen, wenn es zu einer solchen Situation kommt, dann ist die Kacke buchstäblich am Dampfen und es wird hundertprozentig ein großes Durcheinander herrschen." sagt Hauptfeldwebel J., dessen vollen Namen wir aus Sicherheitsgründen nicht nennen dürfen.

Der Übungsleiter am ZEUS, Oberleutnant Mario Weiß, kommentiert den Übungsverlauf so: "Es wird natürlich zunehmend schwerer, wenn es Verwundete gibt oder das Fahrzeug liegen bleibt." Doch auch das wird heute noch trainiert. Der Lehrgang, der über neun Tage geht, ist nach Modulen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen aufgebaut. Es folgen Lagesimulationen, in denen der verletzte Kamerad aus einem "angesprengten Fahrzeug" geborgen und versorgt werden muss. Bei dieser Übung dauert es quälend lange bevor die Soldaten die Verletzten erreichen. Ein verdächtiges Objekt am Wegesrand hat das Vorankommen des Rettungstrupps verzögert.

Feinabstimmung zwischen Sanität und Infanterie

Zündung einer Übungsgranate im Ausbildungszentrum Feldkirchen (Foto: DW/Daniel Scheschkewitz)
So wirklichkeitsnah wie möglich: Zündung einer ÜbungsgranateBild: DW

In der Brust des Rettungssanitäters schlagen jetzt zwei Herzen, erläutert ein Stabsarzt, der die Übung beobachtet hat. "Einerseits hast Du das Helfersyndrom und willst sofort zur Hilfe eilen, andererseits darfst Du als Soldat das militärisch richtige Vorgehen nicht durch ein unbedachtes Vorgehen gefährden." Schließlich erreichen die Sanitäter das Fahrzeug, die Kameraden werden im gesicherten Gelände fachgerecht geborgen und medizinisch erstversorgt. "Das Fachliche haben wir alle in zivilen Ausbildungen gelernt", erläutert Oberleutnant Weiß, "so, wie der Notfallmediziner den Arztberuf und der Rettungsassistent seine zivilen Prüfungen abgelegt hat. Was wir aber brauchen, ist die Befähigung, auch taktisch mitspielen zu können."

Für Manuel, den 28-jährigen Sanitätssoldaten, der im Zivilen als Krankenpfleger ausgebildet ist, kommt der Kurs am ZEUS einer Art Lebensversicherung gleich. "Hier stimmen die Ausbildungseinheiten und das Fachpersonal. Denn während ich bei meinem ersten Afghanistaneinsatz 2008 in Feyzabad in der Notaufnahme, also im Lager beschäftigt war, werde ich das nächste Mal den Kameraden, wenn es knallt, den Arsch retten müssen." Manuel wird sich dann hoffentlich an das erinnern, was ihm die Ausbilder am ZEUS mit ins Marschgepäck gegeben haben.

Autor: Daniel Scheschkewitz

Redaktion: Sven Töniges