Neue Wohnungsnot?
19. März 2009Charmante 3-Zimmer-Wohnung in Hamburg-Eppendorf, 110 Quadratmeter, 1570 Euro Monatsmiete. 4-Zimmer-Albau-Wohnung in München-Schwabing, 144 Quadratmeter, 2260 Euro. So lesen sich aktuelle Mietangebote im Internet. Städtisches Wohnen ist begehrt, die Miete frisst in Städten und Ballungsräumen mittlerweile die Hälfte des Einkommens auf.
Während es in Deutschland in den 90er-Jahren noch eine große Abwanderung der Bevölkerung aus den Städten in die Landkreise gab, hat sich die Entwicklung seit dem Jahr 2001 umgekehrt. Das geht aus einer Studie des Eduard Pestel Instituts für Systemforschung hervor, die sich mit dem zukünftigen Wohnungsbedarf in Deutschland beschäftigt. "Es ist aber kein Zurück in die Stadt", sagt der Verfasser der Studie, Matthias Günther. "Es ist ein Nicht-mehr-raus-aus-der-Stadt." Junge Familien bleiben in den Städten, dazu kommen die Zuwanderer vom Land.
Doch wie überall in Deutschland so wird auch in den Ballungszentren nicht mehr ausreichend gebaut. Laut Statistischem Bundesamt wurde im Jahr 2008 in Deutschland der Bau von knapp 174.600 Wohnungen genehmigt. Das waren 4,2 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Damit wurde der niedrigste Stand seit der deutschen Wiedervereinigung registriert.
Familien und Senioren sind die Leidtragenden
Die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt trifft vor allem Familien und Senioren. Familiengerechte, das heißt bezahlbare Wohnungen mit mehreren Zimmern, sind in Städten wie München, Hamburg, Stuttgart und Frankfurt oder auch in kleineren Universitätsstädten Mangelware. Schwer hat es auch die wachsende Zahl älterer Menschen. Derzeit ist nur ein Prozent aller Wohnungen in Deutschland seniorengerecht gestaltet.
Zu den demografischen Entwicklungen kommen energetische und qualitative Aspekte. Die in den 70er-Jahren gebauten Hochhaus-Siedlungen und die Plattenbauten aus der ehemaligen DDR lassen sich kaum noch vermieten, weil sie dem heutigen Lebensstil nicht mehr entsprechen.
Bei Altbauwohnungen lässt sich die Energieeffizienz nur mit vergleichsweise hohem Aufwand steigern. Es sei oft teurer, ein Haus energetisch zu sanieren als es abzureißen, sagt der Präsident des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure, Hans Georg Wagner. "Zur neuen Heizung kommen die Wärmedämmung und andere Maßnahmen. Das muss ja die energetische Qualität eines Neubaus erreichen. Die Bauten aus den Nachkriegsjahren, die Ende der 40er- und in den 50er-Jahren im Zuge des schnellen Wiederaufbaus der zerstörten Städte und Dörfer gebaut wurden, sind von der Qualität eigentlich nicht mehr zu halten."
Wagner und andere Experten rechnen vor, dass eine Sanierung und Modernisierung bei rund 20 Prozent der Wohnungen aus den 50er-, aber auch 60er- und 70er-Jahren wirtschaftlich unsinnig ist.
Abriss und Neubau als Alternative
Doch selbst wenn die Kosten für den Abriss und den Neubau sprechen, wird in Deutschland lieber saniert und modernisiert, als neu gebaut. Das hat auch politische Gründe. Der Neubau von Wohnraum wird staatlich weniger gefördert als der Erhalt des Bestands.
In ihrem Konjunkturpaket unterstützt die Bundesregierung die energetische Sanierung von Häusern und Wohnungen. "Wenn die Politik nicht eingreift, drohen höhere Mieten, soziale Spannungen und eine erhöhte Kostenbelastung der Sozialsysteme aufgrund fehlender seniorengerechter Wohnungen", warnt der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips. "Die Politik muss auf den Wohnungsbedarf reagieren und neue Instrumente zur Ankurbelung des Neubaus entwickeln." Aus demografischen, energetischen und qualitativen Gründen gebe es einen jährlichen Neubaubedarf von fast 400.000 Wohnungen. Gebaut wird aber tatsächlich nicht einmal die Hälfte.
Autor: Sabine Kinkartz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz