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In Bulgarien sollen Heimkinder in Pflegefamilien vermittelt werden

29. Oktober 2009

Bilder, die an die Nieren gingen: Ein Film des Fernsehsenders BBC von 2007 über die Not von Kindern in bulgarischen Heimen schockierte. Zwar hat sich die Lage 2009 verbessert. Doch das Grundproblem bleibt.

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Neue Chance für bulgarische WaisenkinderBild: DW/Vessela Vladkova

Die Heime in Bulgarien sind zu groß und zu überfüllt. Vor allem, wenn man sie mit den Verhältnissen in westeuropäischen Kinderheimen vergleicht. Bulgarien hat fast 7,5 Millionen Einwohner, davon 7.300 Kinder, die ohne Familie leben. Sie wachsen in Kinderheimen auf, ohne je die Wärme einer familiären Atmosphäre gespürt zu haben. Um das zu ändern, sollen Kinder künftig bei Pflegefamilien aufwachsen.

Anni hat eine neue Familie gefunden

Anni, ihr Name ist geändert, ist so ein Pflegekind. Anni ist 2002 geboren und lebte eine Zeit lang bei ihrer leiblichen Mutter, dann musste sie ins Kinderheim. Anderthalb Jahre verbrachte sie dort. 2007 nahmen die Pflegeeltern Diana und Svetlosar Georgievi das Mädchen auf. Sie wohnen in einem kleinen Ort in der Nähe von Stara Zagora, einer Stadt in der Mitte Bulgariens.

Das ist ein Kinderheim in Bulgarien für Kinder im Alter von 3 bis 7 Jahre.
Vom beengten Kinderheim in eine liebevolle FamilieBild: DW

Es ist kein einfacher Beginn für die neue Familie: Anni ist in den ersten Monaten sehr ängstlich und in sich gekehrt. Die Pflegemutter Diana Georgieva erzählt: „Am Anfang war es sehr schwierig für sie, sich an die Familienumgebung zu gewöhnen. Im ersten Monat hat sie sehr unruhig geschlafen. Sie ist öfters nachts schreiend aufgewacht: ‚Mami, wo bist du! Mami, wo bist du!’“

Die kleine Anni hat sich aber riesig gefreut, als sie zum ersten Mal mit ihren Pflegeeltern einkaufen war und sich ihre ersten Spielzeuge und Kleidung aussuchen durfte. „Sie hat sich so sehr gefreut, dass die Verkäuferinnen mich angeschaut und gesagt haben: ‚Wir haben noch nie ein Kind gesehen, das sich so sehr über neue Kleidung freut.’ Sie wussten nicht, dass sie ein Pflegekind ist, dem wir zum ersten Mal Kleidung kaufen.“ Heute, zwei Jahre später, ist Anni ein energisches und liebevolles Kind. Sie ist in der ersten Klasse. Laut ihrer Pflegemutter ist Anni gut in der Schule und sogar besser als manche anderen Kinder.

Pflegefamilie Georgievi in Bulgarien
Stolze Pflegeeltern GeorgieviBild: DW

„Geteilte Elternschaft“

Ivan Dimitrov, Leiter der Pflegefamilien der „Samariani" Gesellschaft, kümmert sich um die Betreuung der Pflegefamilien in der Gemeinde Stara Zagora. Er definiert die Aufgabe der Familie Georgievi als eine „geteilte Elternschaft“. Geteilt, weil jedes Pflegekind – wie die kleine Anni – von mehreren Seiten betreut wird: von ihrer neuen Pflegefamilie, bei der sie wohnt, und von dem staatlichen Sozialarbeiter. Nach Möglichkeit soll auch der Kontakt zu den leiblichen Eltern erhalten bleiben.

Immer wieder beobachtet Dimitrov, dass die Kinder bei ihren Pflegefamilien aufleben, nachdem sie die Kinderheime verlassen und ein Zuhause gefunden haben: „Wir sehen in unserer Arbeit, dass wir auf dem richtigen Weg sind, da wir den Effekt bei den Kindern im Familienumfeld miterleben. Diese Kinder blühen vor unseren Augen auf. Das alles ist für uns der Garant dafür, dass es so sein soll. Jedes Kind muss eine Familie haben.“

Auch Diana Georgieva, die Pflegemutter der kleinen Anni, ist der Überzeugung, dass Kinder auf keinen Fall in Kinderheimen aufwachsen sollen. Allerdings haben nicht alle Kinder diese Chance. In der Gemeinde Stara Zagora gibt es erst 19 Pflegefamilien, die tatsächlich Kinder aufgenommen haben.

Autorin: Denica Vassileva

Redaktion: Birgit Görtz