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Tierschützer wollen noch schärfere Gesetze.

Hartmut Lüning19. April 2010

Nach wie vor werden zu viele Tiere in Labors gequält. Tierschützer fordern jetzt noch schärfere Gesetze. Dabei hat sich gerade Deutschland in den vergangenen Jahren beim Tierschutz hervorgetan.

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Demonstration des Deutschen Tierschutzbundes vor dem Bundestag in Berlin mit Plakat "Tiere brauchen Schutz" (Foto: AP)
Bild: AP

Vorläufer eines gesetzlich verankerten Tierschutzes gibt es in Deutschland seit 1871. Im Reichsstrafgesetzbuch drohte Paragraph 360, Absatz 13, erstmals eine Strafe dafür an, Tiere in der Öffentlichkeit boshaft zu quälen oder zu misshandeln. Weitere Regelungen folgten noch in den Jahren der Monarchie. In der Weimarer Republik wurden zusätzliche Elemente eines frühen und begrenzten Tierschutzes in zahlreiche Einzelgesetze eingearbeitet.

Ab 1933 wurden im Rahmen der nationalsozialistischen Rechtsbeugung und Rechtsverdrehung unter dem Deckmantel eines angeblichen Tierschutzes zahlreiche Regelungen zur juristischen Diskriminierung der Juden eingeführt. Dazu gehörten das Verbot des rituellen Schächtens schon Mitte 1933 ebenso wie ein 1938 in den Nürnberger Rassengesetzen verankerter Passus, der Juden beispielsweise den Besitz eines Kanarienvogels verbot. Dass beide Vorschriften von ihren Verfassern als Beitrag gegen die Tierquälerei bezeichnet wurden, gehört zu den Perversitäten der nazideutschen Rechts- oder besser Unrechtsgeschichte.

Kanarienvogel im Käfig (Foto: dpa)
Sogar den Tierschutz missbrauchten die Nazis: Juden durften keine Kanarienvögel haben.Bild: picture-alliance/dpa

Tierschutz im Grundgesetz

Nach 1945 wurden die von nazistischen Auswüchsen und Verfälschungen bereinigten Tierschutzvorschriften zunächst in den vier Besatzungszonen und später in den beiden deutschen Teilstaaten weiter angewendet und nach und nach durch neue Vorschriften ersetzt.

Seit Juli 1972 galt in der Bundesrepublik ein neues Tierschutzgesetz, das in den Folgejahren mehrfach verändert und im Mai 2006 neugefasst wurde. Zudem wurde im Juli 2002 der Tierschutz als Staatsziel im Artikel 20a des Grundgesetzes verankert: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Entsprechend vielfältig und nicht nur für Laien oft unübersichtlich sind die gesetzlichen Einzelvorschriften.

Europäische Regelungen

In der Europäischen Union sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Vorschriften in Kraft getreten, in denen Fragen des Tierschutzes umgesetzt werden. Neben Artenschutz- und Landwirtschaftsverordnungen gibt es detaillierte Regeln für den Transport von Schlachtvieh oder für die Haltung von Geflügel und Nutztieren. Ebenso detailliert sind die Regeln für Tierversuche. Seit 2004 sind in der EU Shampoos und Lotionen verboten, die in Tierversuchen getestet wurden. Seit 2009 sind Tierversuche in der Kosmetik-Industrie generell verboten. Zudem dürfen keine kosmetischen Produkte mehr vermarktet werden, deren Inhaltsstoffe in Tierversuchen getestet wurden.

Tierschutz-Organisationen

In Deutschland widmen sich neben allen größeren Parteien auch zahlreiche Organisationen im Rahmen eines breiteren Umwelt- und Naturschutzengagements den Belangen des Tierschutzes. Zu den größten gehören der Bund für Natur und Umwelt BUND, der WWF und Greenpeace. Zudem gibt es die Tierschutzpartei sowie diverse spezielle Tierschutz-Organisationen. Am bekannteste sind der deutsche Tierschutzbund mit seinen Landesverbänden und die Organisation "Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner". Beide Verbände engagieren sich aktiv und mit öffentlichen und juristischen Kampagnen unter anderem gegen Laborversuche mit Tieren. Militanter in ihren Forderungen ist die Organisation PETA – der deutsche Ableger von PETA USA, der nach eigenen Angaben größten Tierrechte - Organisation weltweit. Im Unterschied zu anderen Tierschutz-Organisationen lehnt PETA jede wirtschaftliche Nutzung und den Verzehr von Tieren oder tierischen Produkten generell ab. PETA fordert einen Umbau der Gesellschaft in Richtung veganer Lebensweise, um die Tierrechte zu verwirklichen und geht damit weit über die Ziele anderer Tierschutzorganisationen hinaus.

Aktueller Streitfall

Am Thema Tierversuche scheiden sich immer wieder die Geister. Anhänger eines Totalverbots von Forschungen, die Tierversuche erfordern, argumentieren mit dem Tierschutzartikel 20a des deutschen Grundgesetzes. Ebenfalls auf das Grundgesetz berufen sich allerdings diejenigen, die zumindest begrenzte Tierversuche für unumgänglich halten. Denn in Grundgesetz-Artikel 3 Absatz 5 ist die Freiheit der Forschung festgeschrieben.

Lippenstifte in verschiedenen Rottönen (Foto: obs/Degussa AG)
Für die menschliche Schönheit sollen keine Tiere mehr gequält werden.Bild: obs/Degussa AG

So wird seit Jahren durch alle Instanzen über ein Hirnforschungsprojekt an der Uni Bremen prozessiert. Der aus Bremen stammende Vorsitzende des deutschen Tierschutzbundes, Wolfgang Apel, will erreichen, dass der Bremer Uni Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG gestrichen werden. Denn mit diesen Mitteln werden Hirnforschungen an Laboraffen im Zentrum für Kognitionswissenschaften gefördert.