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Immer mehr Tote in Brasilien

16. Januar 2011

In Brasilien sind nach den wochenlangen sintflutartigen Regenfällen nach offiziellen Angaben mindestens 620 Menschen ums Leben gekommen. Anwohner befürchten jedoch weitaus mehr Opfer unter den Wasser- und Schlammmassen.

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Rettungskräfte tragen einen Toten auf einer Bahre (Foto: AP)
Rettungskräfte bergen die TotenBild: dapd

Nach der Unwetterkatastrophe in Brasilien ist die Zahl der Toten auf mehr als 600 gestiegen. Mindestens 610 Tote wurden bisher bestätigt, wie die Behörden am Sonntag (16.01.2011) mitteilten. Zahlreiche weitere Opfer wurden befürchtet, da die Einsatzkräfte in etliche entlegene Orte, die von den verheerenden Schlammlawinen und Erdrutschen betroffen waren, noch nicht vordringen konnten. Etwa 14.000 weitere Menschen seien obdachlos geworden und müssten von Rettungskräften versorgt werden, teilte der brasilianische Zivilschutz mit. Die Rettungsbemühungen wurden durch anhaltende Regenfälle im Bergland von Rio de Janeiro erschwert. Zudem werden erneut heftige Gewitter befürchtet.

Trauer in Teresópolis

Zerstörtes Haus mit Menschen (Foto: AP)
Die Einwohner in Teresópolis fühlen sich vernachlässigtBild: dapd

In der am schlimmsten betroffenen Stadt Teresópolis warteten Dutzende von Überlebenden vor dem Leichenschauhaus, um nach Angehörigen zu suchen. Die Friedhöfe konnten die Toten kaum noch aufnehmen. Die Verwaltung benutzte zwei Lastwagen, in denen normalerweise gefrorener Fisch transportiert wird, um Dutzende unidentifizierte Leichen vor der Verwesung zu bewahren. Unter den Einwohnern machte sich Wut auf die Regierung breit. "Wo ist die Regierung? Worauf warten sie?", klagte ein 48-jähriger Bauarbeiter, dessen Schwager und Schwägerin vermisst wurden. Der Familienvater Fernando Perfista musste die Leiche seines ältesten Kindes allein aus dem Schlamm bergen. Der 31-jährige Erntehelfer bewahrte die Überreste seines Sohnes im Kühlschrank auf, damit die Hunde nicht über sie herfielen, während er nach den drei Geschwistern des 12-Jährigen suchte. Augenzeugen berichteten, dass die wenigen eingesetzten Hubschrauber nur die Verletzten mitnähmen und keine Leichensäcke, Lebensmittel oder Wasser brächten.

Kriegsähnliche Zustände

Schlammmassen in Teresópolis (Foto: AP)
Die Schlammmassen zerstörten ganze Stadtteile in TeresópolisBild: dapd

In einer Notunterkunft in Teresópolis notierten Freiwillige die Namen der Überlebenden. Die Listen wurden an den Wänden aufgehängt. Vor ihnen drängten sich verzweifelte Menschen in der Hoffnung, den Namen eines Angehörigen zu entdecken. Es seien kriegsähnliche Zustände, beklagte einer der 163.000 Einwohner der Stadt, die rund 90 Kilometer von Rio de Janeiro entfernt liegt, der Hauptstadt des gleichnamigen Staates. Ganze Stadtteile wurden in Teresópolis durch Überschwemmungen und Erdrutsche zerstört. Vor allem in Armenvierteln wurden Häuser dem Erdboden gleichgemacht und Familien im Schlaf überrascht. Einige Leichen wurden mehrere Kilometer von ihren Häusern entfernt gefunden.

In abgeschnittenen Regionen waren Anwohner gezwungen, die Toten selbst zu begraben, berichteten brasilianische Medien. Fast die Hälfte der Opfer könnten nach Angaben einer Hilfsorganisation Kindern sein. Besonders betroffen sind zudem die Städte Nova Fiburgo, Petrópolis und Sumidouro. Auch hier gab es zahlreiche Tote. Der Gouverneur des Bundesstaates Rio, Sérgio Cabral, ordnete für die kommende Woche eine siebentägige Staatstrauer an.

Verheerendste Naturkatastrophe seit 1967

Zerstörte Häuser mit Menschen (Foto: dpa)
Rettungskräfte kommen kaum in abgelenere GebieteBild: picture-alliance/dpa

Margareta Wahlström, UN-Beauftragte für Risikoverminderung bei Naturkatastrophen, kritisierte die brasilianische Regierung, keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben. "Diese Art von Tragödie muss nicht passieren", sagte sie in Genf. Die Regierung hätte ein Frühwarn- und Notfallsystem einrichten müssen.

In Brasilien kommt es während der Regenzeit oft zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Nach Angaben des in Brüssel ansässigen Instituts Internationale Katastrophen-Datenbank handelt es sich bei den jüngsten Unwettern jedoch um die verheerendste Naturkatastrophe seit den Überschwemmungen und Erdrutschen im Jahr 1967. Damals kamen 785 Menschen ums Leben.

Autorin: Annamaria Sigrist (rtr, dpad, afp, dpa)
Redaktion: Hans-Andreas Ziegler