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Image-Killer Weblog?

Andreas Leixnering29. Mai 2006

Viele Unternehmen fürchten eine Rufschädigung durch Falschmeldungen in Weblogs. Wie real ist die Gefahr?

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Nicht jeden freut der Weblog-BoomBild: picture-alliance/dpa/DW

Online-Notizen eines Kaninchenzüchters aus Süddeutschland, intime Berichte über Liebes-Affären, Tipps zur Fingernägel-Maniküre - die Mehrzahl der Weblogs widmet sich den Hobbys und Passionen ihrer Schöpfer, die ihre Erlebnisse dort einer eher kleinen Öffentlichkeit darbieten. Subjektivität ist gefragt. Doch weil hier auch gern über Firmen und deren Produkte hergezogen wird, sehen sich manche Unternehmen die Inhalte der Online-Tagebücher inzwischen genauer an. Denn auch Journalisten durchstöbern die Blogosphäre - auf der Suche nach exklusiven Geschichten.

Der Tabak-Riese Philip Morris, inzwischen in Altia umbenannt, hat die Folgen gezielter Netz-Gerüchte im Irak kennen gelernt, wie die Berliner Zeitung berichtet (26.5.2006). Arabische Webseiten hätten gestreut, dass der US-Konzern seine Zigaretten für den arabischen Markt in Israel produziere. Eine Falschmeldung, die - übernommen von irakischen Zeitungen - prompt zum Umsatzeinbruch geführt habe.

Entwarnung vom Experten

Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach warnt vor PanikmacheBild: Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach

Doch nicht alle teilen die Furcht vor den vermeintlichen Gerüchteküchen. "Die Vorstellung, dass Weblogs eine ernste wirtschaftliche Gefahr für Unternehmen darstellen, ist Quatsch", wiegelt Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach im Gespräch mit DW-WORLD ab. Als Blog-Experte der Deutschen Medienbeobachtungsagentur GmbH durchforstet er mit seinen Mitarbeitern regelmäßig 60.000 deutschsprachige Weblogs im Auftrag verschiedenster Unternehmen.

In Europa sei ihm kein Fall bekannt, bei dem wirtschaftlicher Schaden durch gezielte Desinformation in den Netz-Tagebüchern entstanden sei. In der Welt der Blogger würden Falschmeldungen schnell aufgespürt und korrigiert. "Eigentlich ein tolles Frühwarnsystem", meint Lünenbürger-Reidenbach. Außerdem sei die Reichweite der Blogs ist immer noch gering. Deren Inhalte hielten sich zwar lange im Netz. Aber das mache es auch den betroffenen Unternehmen leicht, sie zu finden.

Schätzungsweise 70 Millionen Weblogs gibt es weltweit - Tendenz rapide steigend. Firmen, die systematisches "Blog-Monitoring" anbieten, können sich daher über neue Kunden freuen. Mit sogenannten "Harvestern" lassen sich zudem inzwischen relevante Seiten, Foren und Blogs durchsuchen. Durch Abfragen bestimmter emotionaler Schlüsselbegriffe bewerten diese Suchmaschinen, ob ein Produkt oder ein Marke negativ oder positiv dargestellt wird. Und was, wenn sich ein Unternehmen in einem Blog verunglimpft findet?

Bloss keine Hektik

"Keine Panik, ruhig bleiben" rät Blog-Profi Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach. Hektische Aktivitäten seien kontraproduktiv. Und vor allem: "Niemals klagen!" Denn das schade der Reputation dann wirklich. Wenn das Gerücht nicht von selbst verschwinde, sollte man offen eine Berichtigung der Informationen anbieten.

Jamba
Jamba: PR-Desaster in Sachen WeblogBild: picture-alliance/dpa

Im vergangenen Jahr zeigte der deutsche Klingeltonanbieter Jamba, wie man es nicht machen sollte. Der Berliner Blog Spreeblick hatte sich online über dessen Geschäftspraktiken gegenüber der jungen Klientel ausgelassen. Daraufhin fluteten Jamba-Mitarbeiter den Weblog mit positiven Einträgen über das eigene Unternehmen - vermeintlich anonym. Als die Urheber der Nachrichten aufflogen, spottete auch die restliche Medienwelt über Jamba - und fertig war der PR-GAU.