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Im Westen links

Bernd Gräßler23. Mai 2008

Die Partei "Die Linke" hält am Wochenende ihren ersten Parteitag ab. Die Sozialisten bekommen auch im Westen immer mehr Zulauf. In vielen Regionen gründen sich neue Ortsverbände – zum Beispiel in Cuxhaven an der Nordsee.

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Landesparteitag im März Hamburg, Quelle: dpa
Landesparteitag der Linken im März in HamburgBild: picture-alliance/ dpa

In der "Martinsklause" nahe dem Cuxhavener Fischereihafen treffen sich seit Jahrzehnten Gewerkschafter und Sozialdemokraten beim abendlichen Bier. In jüngster Zeit hat der traditionsreiche Saal zusätzliche Liebhaber gefunden: die Genossen von der Linken.

Die Linke Cuxhaven in der Martinsklause, Quelle: Linke
Die Linke Cuxhaven in der MartinsklauseBild: Norbert Siggelkow/Ortsverband DIE LINKE Cuxhaven

An diesem Maiabend sind rund 30 Mitglieder und Gäste gekommen, um den Cuxhavener Ortsverband der Linken zu gründen. Die Stimmung unter den Genossen ist prächtig. Im Westen, wo die Linke bisher eher belächelt wurde, gab es in den letzten zehn Monaten 6000 Neuaufnahmen. Der Cuxhavener Abiturient Daniel Simoes, der gerade seinen Zivildienst abgeleistet, ist einer davon. "Die Linke ist für mich die einzige Partei, die zu Veränderungen bereit, zu Veränderungen in der Lage ist", sagt er.

Vom Erfolg überrascht

Demonstration der Linken gegen die NPD im September 2007 in Hannover, Quelle: dpa
Demonstration der Linken gegen die NPD im September 2007 in HannoverBild: picture-alliance/ dpa

Der angehende Politologiestudent denkt vor allem an die Abschaffung der Studiengebühren. Daniel ist mit Abstand der Jüngste im Saal. Ansonsten sind eher ergraute politische Aktivisten versammelt, wie Ulrich Schröder, der fast ein Vierteljahrhundert Mitglied bei den Grünen war, aber erst jetzt seine richtige Heimat gefunden zu haben glaubt: "Ich bin seit meinem 18. Lebensjahr Sozialist, war auch in der APO aktiv und habe lange auf eine Partei gewartet wie die Linke."

Bei der Landtagswahl im Januar hat die Linke in Cuxhaven zur eigenen Überraschung fast zehn Prozent der Stimmen bekommen. Am 1. Mai sei man als einzige Partei mit einem Stand auf der Maikundgebung gewesen sagt Ulrich Schröder, allein die Linke kämpfe ernsthaft gegen die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm. "Ich habe einen Antrag gestellt als Ratsherr und Kreistagsabgeordneter für einen Schulhilfefonds für Kinder, deren Eltern nicht genügend Geld für Schulmaterial haben", erzählt Schröder. "Der Antrag wurde angenommen. Wir Linken treiben die anderen und setzen dabei schon einiges durch."

"Rechte für den Arbeiter erkämpfen"

Website der Linken Cuxhaven, Quelle: http://www.dielinke-cux.de
Website der Linken CuxhavenBild: www.dielinke-cux.de

Unter den Genossen an der Nordseeküste fällt Heinz Rolle wegen seines sächsischen Akzents auf. Der 59-Jährige war in der DDR Volkspolizist, jetzt arbeitet er als Rohrleger. "Ich war in der SED. Wir haben versucht, aus den Fehlern, die gemacht wurden, zu lernen", sagt Rolle. "Wir haben, wie keine andere Partei, unsere Vergangenheit durchleuchtet und aufgearbeitet und haben vermutlich auch da die richtigen Lehren gezogen."

Absolut falsch findet Heinz Rolle die Interview-Äußerung einer Linken-Politikerin, jeder Sozialismus brauche einen Staatssicherheitsdienst. Von solchen stalinistischen Ansichten sei man in der Cuxhavener Linken bisher verschont geblieben.

Um ein bisschen mehr Gerechtigkeit geht es der Hotelfachfrau Manuela Kalaschnikow. Ja, sie sei tatsächlich über viele Ecken mit dem Erfinder der russischen Maschinenpistole verwandt; dieser halte übrigens auch nichts vom Kapitalismus, sagt sie stolz. Sie war früher in der SPD, wie manch anderer im Saal: "Zu den Linken hat mich geführt , dass sie aufgegriffen haben, was die SPD vor 30 Jahren eigentlich auch noch gewollt hat, nämlich den Arbeiter unterstützen, Rechte für den Arbeiter erkämpfen und eben das Kapital dazu bewegen, dass nicht immer nur alles in die Taschen der Oberen fließt."

Abwanderung bei den Sozialdemokraten

Die Parteivorsitzenden der Partei "Die Linke", Oskar Lafontaine und Lothar Bisky (r.), Quelle: AP
Die Vorsitzenden der Partei "Die Linke", Oskar Lafontaine und Lothar Bisky (r.)Bild: AP

54.000 Einwohner hat Cuxhaven, 26 davon sind bei der Linken, Tendenz steigend. Immer noch rund 500 sind bei den Sozialdemokraten, Tendenz fallend. Auch bundesweit ist die aus der ostdeutsch geprägten PDS und der westdeutschen WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit) hervorgegangene Partei derzeit die einzige in Deutschland, die Mitglieder hinzugewinnt. In jüngsten Umfragen liegt ihr Wählerpotenzial bei 14 Prozent. Am Wochenende (24./25.05.2008) hält die 72.000 Mitglieder starke Partei ihren ersten Parteitag ab.

Gunnar Wegener, Fraktionschef der SPD im Cuxhavener Stadtrat, kritisiert das Parteien-"Hopping" ehemaliger SPDler zur Linken. Aber als Partner sollte man sie deswegen nicht verstoßen, sagt Wegener, der zugleich hauptamtlicher Gewerkschaftssekretär ist. "In jedem europäischen Land gibt es gemäßigte und etwas radikalere Linke", meint er. "Als Sozialdemokrat würde ich doch Machtpositionen aufgeben, wenn ich auf ewige Zeiten sagen würde, eine Koalition sei unmöglich."

Treffen des Cuxhavener Ortsverbandes, Quelle: Linke
Treffen des Cuxhavener OrtsverbandesBild: Norbert Siggelkow/Ortsverband DIE LINKE Cuxhaven

Beim Thema Mindestlohn liegen "gemäßigte" und "radikale" Linke schon jetzt auf einer Linie. 7,50 Euro fordert die Linke an diesem Abend der frisch gewählte Vorsitzende des neuen Ortsverbandes. Er heißt Dieter Lange, ist Betriebsratschef von Appel-Feinkost, der größten Fischverarbeitungsfabrik von Cuxhaven. "Es ist ein anderes Standing für einen Betriebsrat - weil man auch wieder eine Heimat hat, die man in der SPD nicht mehr gefunden hat."

Auch der Personalratschef des Wasser- und Schifffahrtsamtes wird an diesem Abend Mitglied bei den Linken. Man werde nicht eher ruhen, bis alle Personal- und Betriebsratschefs von Cuxhaven an diesem Tisch sitzen, ruft ein begeisterter Genosse in den Saal. Natürlich ist das ein Scherz.

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