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Im Trüben fischen

Wolfgang Dick 16. Februar 2003

Die wichtigsten Argumente für ihre Kriegsdrohungen gegen den Irak beziehen die USA und Großbritannien von ihren Geheimdiensten. Sind deren Erkenntnisse aber überhaupt zuverlässig genug, um einen Krieg zu legitimieren?

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Sehen viel, aber längst nicht allesBild: NASA

Die jüngsten Terroraufrufe gegen die USA, die angeblich vom Top Terroristen Osama Bin Laden stammen sollen, waren kaum aufgetaucht, da bezeichnete sie der US-Geheimdienst CIA als echt, obwohl eine Prüfung nach Expertenmeinung länger als eine Woche dauern würde. Der britische Geheimdienst legte vor einigen Tagen Dokumente vor, die zu einem großen Teil aus einer alten Arbeit eines Studenten abgeschrieben wurden, und US-Außenminister Colin Powell präsentierte vor dem UN-Sicherheitsrat Dokumente, die bei den Anwesenden mehr Fragen aufwarfen, als dass sie Antworten gaben.

Der Friedensforscher und Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom hat für derartige Unzulänglichkeiten eine einfache Erklärung: "Generell muss man sagen, dass Geheimdienste auch nur mit Wasser kochen und zu etwa 90 Prozent offene Quellen auswerten."

Erfahrungen von "Topas"

Nach Ansicht des früheren DDR-Spions Rainer Rupp, der als "Topas" in Brüssel bei der Nato enttarnt wurde, verlassen sich die US-Dienste zudem allzu sehr auf technische Hilfsmittel und operieren fast nur noch mit Fernaufklärung und Satelliten. "Hier liegt die Sache im Argen", so Rupp.

Seltsam erscheint angesichts der technischen Möglichkeiten, dass US-Außenminister Powell vor dem UN-Sicherheitsrat zwar Laster vor vermeintlichen Biowaffenbunkern zeigen konnte, nicht aber, wo diese Lkw womöglich mit Biowaffen beladen wurden und wo sie hinfuhren. Einige Nachrichtendienstlern erklären dies damit, dass man technisch nicht alles erfassen könne. Dem hält Schmidt-Eenboom entgegnen: "Wir wissen, dass die modernsten amerikanischen Satelliten eine Aufklärungsgenauigkeit von acht bis zehn Zentimetern haben." Damit sollte eine Satelliten-gestützte Verfolgung eines verdächtigen Lkw keine Schwierigkeit darstellen.

Verdacht

Ein Verdacht kommt auf: Belegen die dürftigen Beweise für die Machenschaften eines Saddam Hussein vielleicht, dass die Geheimdienste immer häufiger ausgetrickst werden? "Bei El Kaida haben wir das da gesehen, wo Osama Bin Laden auf Frequenzen von Landwirtschaftsfunk an der NSA vorbei operiert hat", sagt Schmidt-Eenboom. "Und im Irak erleben wir die Grenzen der Aufklärung da, wo der Irak inzwischen Glasfaserleitungen einsetzt, die man dann natürlich nicht über Satelliten oder Abhörstationen erfassen kann."

In den vergangenen Jahren wurden daher die Bemühungen verstärkt, "menschliche Quellen", also Überläufer oder Informanten zu erschließen. Nach Meinung Schmidt-Eenbooms sind die Amerikaner an der so genannten menschlichen Front jedoch eher schwach. "Sie haben zwar die Funktion eines Hafens für Überläufer aus dem Irak und daraus relativ gute Erkenntnisse, aber beim Agenteneinsatz im ganzen Nahen und Mittleren Osten gibt es seit Jahren erhebliche Probleme, insbesondere deshalb, weil man sich offensichtlich auf die arabischen Mentalitäten nicht so gut einstellen kann, wie es zum Beispiel französische oder jordanische Nachrichtendienste tun."

Argwohn angebracht

Auch der Fachjournalist Hans Leyendecker rät dazu, auf die Quellen-Angaben zu achten, wenn sich Politiker auf Geheimdienst-Material berufen. Das Material habe immer dann großen Aussagewert, wenn es sich um Abhörprotokolle handelt. Es habe erheblich weniger Bedeutung, wenn anonyme Quellen angeführt werden. "Ganz argwöhnisch muss man sein, wenn es heißt, dass es eine Mixtur ist. Da ist meist das öffentlich zugängliche Material genommen worden, um die dünne Geheimdienstthese zu belegen."

Es bleibt die Frage, warum es in den letzten zehn Jahren kein westlicher Geheimdienst schaffte, Saddam Hussein zu stürzen. Für "Topas" alias Rainer Rupp ist die Antwort klar. Es fehlten den Spionen seiner Ansicht nach entscheidende Eigenschaften: "Ein hohes Maß an politischer Motivation der Agenten, die für den Apparat arbeiten, die Bereitschaft, notfalls auch dafür zu sterben."