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Im Sumpf der Korruption

Gerda Meuer, Brüssel28. Mai 2003

Schwarze Kassen, Mauscheleien, Vetternwirtschaft: Zwei Spitzenbeamte der europäischen Statistikbehörde Eurostat sind zwangsversetzt worden. Traurige Realität in einem Europa ohne Kontrolle der Bürger.

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Wo viele sich einig werden müssen, wird gerne die Hand aufgehalten

Die Versetzungen auf Beraterposten seien keine disziplinarische Maßnahme, sondern sollen den Beamten die Möglichkeit geben, sich zu verteidigen, sagte der Sprecher der EU-Kommission Reijo Kemppinen. Zu den Verdächtigungen wollte er sich nicht äußern. Die Kommission werde erst den für Ende Juni vom EU-Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) angekündigten Bericht abwarten, bevor sie weitere Schritte unternehme. Am Mittwoch (21. Mai 2003) hatte die EU-Kommission zwei Spitzenbeamte der Statistikbehörde Eurostat ihrer Ämter enthoben.

Eine Reihe von Vorwürfen

Das europäische Statistikamt Eurostat soll EU-Gelder veruntreut, bei der Auftragserteilung gemauschelt und schwarze Kassen unterhalten haben. Eigentlich sind schon die Vorwürfe an sich Stoff genug für einen Skandal, doch niemand in London, Paris oder Berlin redet darüber. So als sei man seit den Zeiten der zurückgetretenen Vorgänger-Kommission unter Präsident Jacques Santer noch Schlimmeres aus Brüssel gewohnt, das ohnehin für viele eine gigantische Geld-Umverteilungsmaschinerie ist, in der auch schon mal einige Millionen Euro verschwinden.

Zentrale Rolle der Behörde

Eurostat ist nicht irgendeine mittelmäßige Abteilung in der großen EU-Verwaltung. Eurostat ist wichtig. mit seinen 700 Mitarbeitern liefert das Amt mit Sitz in Luxemburg Daten und Statitisken über Europa. Da geht es um den EU-weiten Vergleich von Arbeitsmarktzahlen, von Geburtenraten und der Gleichstellung von Frauen. Aber Eurostats Daten haben auch politische Auswirkungen: So generiert das Amt, das EU-Währungskommissar Pedro Solbes untersteht, auch die Grunddaten für die Beurteilung der Wirtschafts- und Währungspolitik der EU-Staaten, lieferte also etwa die Basis für das Mahnverfahren zum Haushaltsdefizit, dem sich Deutschland zurzeit unterziehen muss.

Verbund der Schweigenden

Gerüchte über Unregelmäßigkeiten bei Eurostat gab es schon lange. Doch ausgerechnet zur 50-Jahr-Feier der Behörde vor gut einer Woche verdichteten und konkretisierten sich die Betrugs-Vorwürfe. Das EU-Amt für Betrugsbekämpfung OLAF schaltete die Luxemburger und die Pariser Justiz ein. Die Ermittlungsempfehlung gegen Unbekannt lautet: Untreue, Anstiftung zur Untreue und Bildung einer kriminellen Vereinigung. In dem Dossier sind eine ganze Reihe von Fällen genannt: im Mittelpunkt steht dabei ein französisches Statistik-Unternehmen, das immer wieder Aufträge aus Luxemburg bekam, obwohl seit 1999 Vorwürfe wegen Bilanzmanipulationen und anderer falscher Angaben vorlagen. Besondere Bedeutung bekommt dieser Fall, weil Eurostat-Chef Yves Franchet Gründungsmitglied und zeitweilig Präsident der beschuldigten Firma war.

Ein weiterer Vorwurf: Eurostat soll über eine schwarze Kasse verfügt haben, ein Luxemburger Bankkonto unter dem Namen "Eurodiff". Von diesem Konto sollen Beamte Geld erhalten haben, aber auch Reisen bezahlt worden sein. Doch was immer auch mit diesem Bankkonto passiert ist, es war auf jeden Fall außerhalb der internen finanziellen Kontrolle und damit nach EU-Vorschriften illegal.

Die Korruption geht um in den Behörden Europas

Inzwischen wurde das Konto geschlossen, Die Verantwortlichen bei Eurostat bestreiten jede Art von krimineller Verwendung der EU-Gelder und die Behörden ermitteln. Verdächtig still ist nur die EU-Kommission. Weder EU-Währungskommisar Solbes noch Haushaltskommissarin Michaele Schreyer wollten bisher Stellung nehmen zu den Beschuldigungen. Sie ließen ihre Sprecher ausrichten, die EU-Kommission nehme den Fall sehr ernst. Das sollte sie auch: Denn die aktuelle Kommission kam vor drei Jahren in Amt und Würden, weil die Vorgänger über Vorwürfe von Missmangement, Korruption und Vetternwirtschaft gestürzt waren.