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Im "Panda" nach Rom

Christoph Strack11. Februar 2015

Papst Franziskus internationalisiert das Kardinalskollegium. So viele Länder wie nie zuvor sind künftig im Kreis der Kardinäle vertreten, die an einer Papstwahl teilnehmen dürften. Die Kurie geht fast leer aus.

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Kardinäle von hinten (Foto: Franco Origlia/Getty Images)
Bild: Franco Origlia/Getty Images

Sie kommen aus dem Armenhaus Asiens oder von entlegenen Inseln Ozeaniens, auch aus jenen Ecken Europas, an denen der Wohlstand nicht zum Alltag gehört - einige der Geistlichen, denen Papst Franziskus am Samstag die Kardinalswürde verleiht. Als Beispiel eine Anekdote über den Erzbischof von Ancona an der italienischen Adriaküste in der örtlichen Presse: Edoardo Menichelli, 75, ist in seinem Bistum mit dem Fiat Panda unterwegs. Und wenn er Bettlern begegnet, zückt er sein Portemonnaie…

So prägt Franziskus allmählich das Kardinalskollegium. Als der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 auf die Loggia des Petersdoms trat und sich als Papst Franziskus der Welt vorstellte, nannte er als seine Herkunft das "Ende der Welt". Nun setzt der mittlerweile 78-jährige auf Geistliche von anderen "Enden der Welt", um das Kardinalskollegium zu verjüngen. Kardinäle aus Neuseeland und dem südpazifischen Inselstaat Tonga, aus Myanmar und Vietnam, Panama und Äthiopien gehören ab Samstag zum Kreis jener, die bei einer Papstwahl mit dabei wären. Von den 15 neuen potenziellen Papstwählern kommen fünf aus Europa, kein einziger aus Nordamerika.

Der jüngste Kardinal kommt aus Tonga

Der jüngste Kardinal der Weltkirche ist künftig Soane Patita Paini Mafi. Der Bischof im polynesischen Inselstaat Tonga ist gerade mal 53 Jahre alt. Mafis Bistum zählt weniger Katholiken als manches deutsche Stadtdekanat. Aber die Menschen in seiner Heimat leiden längst unter dem Klimawandel, unter Überflutungen und Stürmen. Es ist eine existenzielle Bedrohung.

Ansonsten überwiegen unter den jetzt ernannten Purpurträgern Geistliche zwischen 66 und 70 Jahren. Vier der 15 neuen Kardinäle sind Ordensleute (aber keiner stammt aus dem Jesuitenorden, dem Franziskus selbst angehört). Und es fällt auch auf, dass gleich zwei davon dem Salesianerorden angehören, der sich weltweit um junge Leute kümmert.

Zu den neuen Salesianer-Kardinälen zählt Charles Maung Bo (66), Erzbischof von Yangon, der größten Stadt Myanmars. Er wollte Anfang Januar die Nachricht von seiner Kardinalserhebung schier nicht glauben, die ihn nicht durch eine offizielle Information aus Rom, sondern durch den Anruf einer Nichte erreichte. In Bos Heimat regiert vielfach nackte Armut. Politische Führer hätten in den vergangenen 50 Jahren "aus einem reichen Land eines der ärmsten Länder der Welt" gemacht, klagt er im Interview der Deutschen Welle: "Und wir werden nicht Ruhe geben, bevor den Armen Gerechtigkeit zuteil wird."

Einige der neuen Kardinäle, die künftige Papstwähler sein könnten, hatte man durchaus auf der Rechnung. Da sind die Erzbischöfe von Thailands Hauptstadt Bangkok und von Montevideo in Uruguay, von Wellington in Neuseeland und auch der Patriarch von Lissabon.

Die Kurie dürfte sich wundern

Aber Menichelli aus Ancona, Mafi aus Tonga und Bo aus Yangon - sie stehen für die Kirche "am Ende der Welt" und auch für Kirche unter den Armen. Ganz besonders gilt dies für den zweiten Italiener im Kreis der neuen Kardinäle: Der Erzbischof von Agrigent auf Sizilien, Francesco Montenegro, ist auch der Oberhirte der Flüchtlingsinsel Lampedusa vor der afrikanischen Küste. Und wohl selten hat man Franziskus so erschüttert erlebt wie bei seinem Besuch auf der Insel im Sommer nach seiner Wahl, bei seinem Gedenken an die zahllosen Flüchtlinge, die das Mittelmeer verschlingt.

Papst Franziskus (Foto: Reuters)
Franziskus: Papst vom "Ende der Welt"Bild: Reuters

Viele im vatikanischen Apparat, der Kurie, werden sich dagegen wundern. Unter den neuen Kardinälen, die bei der nächsten Papstwahl mit dabei wären, ist nur ein Kurialer, der in Marokko geborene Franzose Dominique Mamberti (62). Dabei zählen zu den derzeit noch 110 mutmaßlichen Papstwählern rund drei Dutzend Köpfe aus der Kurie - und nicht wenige von ihnen werden in den nächsten zwei, drei Jahren 80 Jahre alt und verlieren damit das Recht, an der Papstwahl teilzunehmen.

Das zeigt einmal mehr: Franziskus führt die Kirche, aber er setzt nicht auf den engen römischen Apparat. Vor Weihnachten prangerte er in einer Brandrede Krankheiten des vatikanischen Systems an, sprach von "geistlichem Alzheimer" und "blindem Aktionismus". Bei vielen seiner Äußerungen verzichtet er auf römische Vorkontrolle - und eckt mit mancher spontaner Bemerkung an. Und nun ruft er Kardinäle von den Enden der Welt und nicht aus den kirchlichen Behörden an der nächsten Straßenecke.

So wird die katholische Kirche an ihrer Spitze erkennbar mehr und mehr zur Weltkirche. Franziskus weitet den Kreis der Papstwähler. Die derzeit wahlberechtigten 110 Kardinäle kommen aus 50 Ländern - vom 14. Februar an werden es dann 125 wahlberechtigte Kardinäle sein, die in 59 Ländern leben.

Künftig zehn deutsche Purpurträger

Der Anteil der Europäer sinkt weiter. Noch vor einem Jahr kam noch exakt jeder zweite mögliche Papstwähler aus Europa. Derzeit stellen die Europäer da 47,7 Prozent, ab Samstag noch gut 46 Prozent. Das passt. Denn nur mehr gut jeder vierte Katholik weltweit lebt in Europa. Lateinamerika, Asien, Afrika - das sind die Weltregionen, die das Bild der katholischen Kirche prägen. Der erste Papst aus Lateinamerika macht aus der katholischen Kirche, die sich gerne als ältesten "Global Player" sieht, tatsächlich Schritt für Schritt eine globales Unternehmung.

Traditionell verleihen Päpste auch immer einigen (hoch betagten) verdienten Geistlichen die Kardinalswürde. Unter den fünf künftigen Kardinälen, die Franziskus im Januar benannte und die bereits über 80 Jahre alt sind, ist auch ein Deutscher. Karl-Josef Rauber, der im Ruhestand in Süddeutschland lebt, war langjähriger Vatikan-Diplomat mit hoher Reputation. Man weiß nicht, wo er größere Verdienste errang - als Präsident der Päpstlichen Diplomatenakademie (1990-93) oder als Nuntius in der Schweiz und Liechtenstein (1993-97), wo er sich leise und intensiv um die Aufräumarbeiten nach einer fast dramatischen Fehlbesetzung des Bischofsstuhls von Chur kümmerte. Mit Rauber gibt es künftig zehn deutsche Kardinäle, von denen vier in ein Konklave einziehen dürften.