60 Bilder aus 60 Jahren
2. Mai 2009Am 16. September 1949 kehrt Deutschland mit einem Verwaltungsakt zur Demokratie zurück: In seinem schmucklosen Amtszimmer in Bad Godesberg überreicht Bundespräsident Theodor Heuss Konrad Adenauer die Ernennungsurkunde zum ersten Kanzler der Bundesrepublik. Und Werner Heldt malt ein menschenleeres melancholisches Stilleben, komponiert aus stilisierten Kulissen der einstigen Metropole Berlin. Im Martin Gropius Bau eröffnet es nun den Parcours durch 60 Jahre bundesdeutsche Kunst Bindestrich Geschichte.
Kunstland Bundesrepublik
Walter Smerlings Bonner Stiftung 'Kunst und Kultur ' hat die Schau organisiert und mit dem Energieunternehmen RWE als Geldgeber und der BILD-Zeitung als Medienpartner höchst potente Partner gefunden."'Wir glauben, dass wir hier Spitzenbilder versammelt haben", sagt recht unbescheiden denn auch Peter Iden. Er ist Sprecher jenes vielköpfigen Kuratoriums, das die Idee ‚60 Jahre 60 Werke‘ realisiert und die Auswahl der präsentierten Arbeiten vorgenommen hat.
Zusammengekommen ist dabei ein mögliches 'Who ist Who' der bundesdeutschen Nachkriegskünstler - von 'A' wie Althoff, Kai, über 'B' wie Baselitz, Georg und Beuys, Joseph bis hin zu 'U' wie Uecker, Günther und 'W' wie Walther, Franz Erhard. Die männliche Prominenz dominiert die Auswahl eindeutig und Neigung und Intention folgend, hat sie zumeist gemalt, aber gelegentlich auch fotografiert oder gebildhauert.
Schmackhafte Häppchenkost
"Die Künstler hier", sagt Peter Iden, "geben kein vollständiges Bild von der Situation in der Bundesrepublik Deutschland vor und nach der Wende". Das habe man nicht leisten können. "Im Gegenteil. Wir haben bemerkt, während wir darüber nachgedacht haben, wen wir nehmen und wen nicht, wie reich diese Szene in Deutschland ist. Unvergleichlich reich".
Diesen Reichtum deutet die Ausstellung freilich nur an. Die Schau im Gropius Bau verzichtet nämlich darauf, unterschiedliche künstlerische Positionen zu kontrastieren. Stattdessen wird für jedes Jahr ein sogenanntes ‚Schlüsselwerk‘ von vergleichbaren Arbeiten eingerahmt. Eine Erklärung, was das Schlüsselwerk denn nun zum Schlüsselwerk macht und welcher Kunstrichtung es zugehört, sucht man indes vergeblich.
Immerhin erhält der Ausstellungsbesucher in zwei in den Rundgang integrierten Räumen ein paar Informationen zur jeweils aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage des Landes. Insgesamt 60 Kurzfilme erinnern dort an wichtige Ereignisse der Jahre 1949 bis 2009. Diese Informationen muss der Besucher mit auf den Weg nehmen, um dann etwa Sigmar Polkes hintersinnig laienhaft gemaltes Liebespaar als Kommentar zur Radikalisierung der Sudentenbewegung im Jahre 1967 zu verstehen.
Unfreie Ostkunst
Das Konzept '60 Jahre - 60 Werke' sei zwar schnittig, aber - gestehen die Ausstellungsmacher ein - es enge auch ein. Wie ein Korsett, das man sich freilich ganz freiwillig angelegt hat. Zusammenhalten soll die Auswahl der gezeigten Exponate eine Grundvoraussetzung ihrer Entstehung: Nämlich die in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes garantierte Freiheit der Kunst. Dass auch diese Kunst oft mit großer zeitlicher Verzögerung auf gesellschaftspolitische Fragen und Herausforderungen – Stichwort Nationalsozialismus – reagiert hat, kann im Korsett-Konzept der Ausstellung allerdings nicht verdeutlicht werden. Und auf eine Gegenüberstellung von freier bundesrepublikanischer und unfreier DDR-Kunst verzichtet die Schau auch. Denn, sagt Walter Smerling: "Das Konzept der Ausstellung heißt 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Und nicht 40 Jahre DDR. Es heißt 60 Jahre Grundgesetz Artikel 5 Absatz 3, der in der DDR keine Wirkung hatte".
Folglich sucht man Werke aus dem anderen Teil Deutschlands in der Ausstellung vergeblich. Gezeigt werden allein in der westdeutschen Freiheit entstandene Arbeiten von Künstlern, die aus der DDR geflüchtet sind oder von ihr ausgebürgert wurden.
Bilder der Einheit
Gesamtdeutsch ausgerichtet ist die Schau erst ab 1990 – unter anderem mit einer bildmächtigen Vereinzelungs- und Verwüstungs-Inszenierung von Neo Rauch, dem westdeutschen Star der in Ostdeutschland gereiften ‚Neuen Leipziger Schule‘. Schön anzugucken ist all das und durchaus opulent. Aber infolge der gewollten Schnittigkeit der Schau ist ihr Erkenntniswert höchst bescheiden.
Autorin: Silke Bartlick
Redaktion: Susanne Eickenfonder