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Im Nahost-Konflikt spiegelt sich die Spaltung der Welt

Kommentar von Bettina Marx26. Oktober 2001

Zur Vermittlerrolle von Bundesaußenminister Joschka Fischer.

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Die letzte Station war sicher die schwierigste Etappe von Joschka Fischers diplomatischem Marathon im Orient. Zum dritten Mal in diesem Jahr hat der deutsche Außenminister versucht, die Konfliktparteien im Nahen Osten - Israelis und Palästinenser - wenigstens auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu verpflichten und sie an ihre Verantwortung für den Weltfrieden zu erinnern. Denn der Nahost-Konflikt ist eines der ungelösten Kernprobleme, das immer wieder weite Kreise zieht und bis nach Europa und in die USA hineinwirkt.

Seit mehr als 30 Jahren schwelt dieser Konfliktherd, mühsam in Schach gehalten durch die Löschversuche der Amerikaner und Europäer. Immer wieder droht sich das Feuer neu zu entfachen und zu einem Flächenbrand auszuweiten, der irgendwann nicht mehr zu kontrollieren wäre. Das Leid der Palästinenser dient Selbstmordattentätern als Rechtfertigung für ihren blutigen Wahnsinn. Terroristische Feldherren wie Osama Bin Laden geben vor, ihren schmutzigen Krieg im Namen der Palästinenser zu führen.

Dennoch hat der 11. September deutlich gemacht, wie tief die Welt gespalten ist in Industrieländer und unterprivilegierte Regionen, wie sehr ganze Weltgegenden abgehängt wurden von der nicht nur ökonomischen, sondern auch geistigen Entwicklung. Die Attentate vom 11. September haben die westliche Welt aber auch aufmerksam gemacht auf die ungelösten Probleme und die vernachlässigten Weltregionen. Der Westen hat verstanden, dass der Kampf gegen den Terror nur gemeinsam geführt werden kann, zusammen mit der islamischen Welt. Nur gemeinsam kann es gelingen, dem Terror den Boden zu entziehen, den Sumpf trocken zu legen, der die grausamen Blüten der Gewalt hervorbringt.

Dieser gemeinsame Kampf aber fordert Dialogbereitschaft auf beiden Seiten. Mit seiner Reise nach Pakistan, Tadschikistan, Saudi-Arabien und den Iran hat Fischer versucht, Brücken zu schlagen über den Graben, der die Welt spaltet. Er hat deutlich gemacht, dass der Westen interessiert ist an einem gemeinsamen Weg in die Zukunft. Ein solcher gemeinsamer Weg aber setzt bei beiden Seiten die Bereitschaft voraus, auch eigene Fehler zuzugeben und Kompromisse einzugehen. Diese Bereitschaft ist im Nahen Osten jedoch nicht vorhanden. Sowohl Israelis als auch Palästinenser beharren auf der Legitimität ihres Anspruches und schließen gleichzeitig jeden anderen Anspruch aus. Beide Seiten sehen sich so ausschließlich als Opfer, dass ein Aufeinanderzugehen kaum mehr möglich ist. Immer mehr verrennen sie sich in ihre unnachgiebigen Forderungen, graben sich ein in ihre nationalen Mythen.

Im Nahost-Konflikt spiegelt sich die Spaltung der Welt. Israel steht für den reichen Norden und die Palästinenser für den armen Süden. Israel repräsentiert den Westen, die Palästinenser den Islam. Auf engstem Raum treffen diese beiden Welten in dem kleinen Stück Land zwischen Jordan und Mittelmeer aufeinander. Unüberbrückbar scheinen die Unterschiede der Wahrnehmung. Was für die Israelis Terrororganisationen sind, sind für die Palästinenser Befreiungsbewegungen. Was für Israel ein unrechtmäßiger gewaltsamer Aufstand, ist für die palästinensische Nationalbewegung die legitime Auflehnung gegen die Besatzung. In diesem Konflikt zu vermitteln, wird immer schwerer. Selbst ein so versierter und beschlagener Diplomat wie Joschka Fischer, der sich im letzten Jahr zu einem geachteten Nahost-Vermittler entwickelt hat, stößt hier an Grenzen. Und jeder noch so kleine Fortschritt birgt in sich schon die Gefahr des nächsten Rückschritts.

"Im Nahen Osten muss man Optimist sein", betont Fischer daher mit Blick auf diese Mission Impossible, die er auf sich genommen hat, weil sonst niemand da ist, der es machen kann und will. Aufgeben darf man nicht. Das ist das einzige, was zählt.