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Im Kunstlabor wird mit dem Pinsel geforscht

22. Januar 2002

Utopisch, aufregend, ehrgeizig, pragmatisch, hochtrabend, intelligent und notwendig. Kaum ein Werbemacher hätte besser die Werbetrommel für die neue Kunsthalle in Paris drehen können als Frankreichs Medien.

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Das Palais de Tokyo liegt gegenüber dem EifelturmBild: Illuscope

Premierminister Lionel Jospin eröffnete die "Site de création contemporaine" am Montag (21.01.) im prächtigen Palais de Tokyo am Ufer der Seine. Auf dieses Ereignis wartete die avantgardistische Kunstszene schon seit langem: Sie hofft mit der 4000 Quadratmeter großen Einrichtung den Hochburgen der zeitgenössischen Kunst - New York und London - endlich Konkurrenz bieten zu können.

Förderstätte für Gegenwartskunst

"Wenn es ein Projekt gibt, dass mit Ungeduld und Spannung erwartet wurde, und dessen Ziele vielversprechend sind, dann ist es diese neue Kulturstätte für zeitgenössische Kreation, die von den existierenden Institutionen nur unzureichend berücksichtigt wurde", schreibt der Kunstkritiker Martin Bethenod.

Zwar fehlt es in Paris weder an Museen noch an Galerien, doch gibt es keinen Ort, der ausschließlich der Experimentierfreudigkeit junger Künstler gewidmet ist. Die Kunsthalle soll diese Lücke füllen und ein "Ort für Experimente und Abenteuer sein, der offen ist für Fragen, Widersprüche und Risiken", verkündet Jérôme Sans, der zusammen mit Nicolas Bourriaud den neuen "Hoffnungsträger für aktuelle Kunst" leitet. In der Halle darf nach Lust und Laune gehämmert, gemalt, gefilmt und modeliert werden – die Ergebnisse werden dann vor Ort präsentiert.

Internationale Ausrichtung

Die ehrgeizigen Ziele sind in einem mehr als 150 Seiten dicken Dossier formuliert, das auf Französisch und Englisch geschrieben ist. Denn die neue Kultureinrichtung will nicht nur experimentell und interdisziplinär sein, sondern auch international. Sie bietet französischen und ausländischen Künstlern Raum, Zeit und Geld, um in dem Palais de Tokyo ihrer Arbeit nachgehen zu können.

Aus Alt mach Neu

Die Architektur ist genauso offen und flexibel wie der Inhalt. Von dem monumentalen Palais de Tokyo, das für die Weltausstellung im Jahr 1937 errichtet wurde, blieb nach einem radikalen Lifting nur noch die Hülle übrig. Der pompöse Bau wurde von den Toulouser Architekten Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal für etwas mehr als 3 Millionen Euro völlig ausgehöhlt. So fällt der Blick des Besuchers auf nackte Stahlgerüste und Betonrippendecken. 40 Jahre lang diente das Palais als Museum für Moderne Kunst, bis ihm das Centre Pompidou den Rang ablief.

Ständig wechselndes Programm

Das Konzept des neuen Kunsttempels hat eine Palastrevolution ausgelöst. Die Direktoren sind beide Kunstkritiker und gehören der Generation von Ausstellungsmachern an, die hyperaktiv und voller ausgefallener Ideen sind. Ihre Ernennung vor drei Jahren rief heftige Kritik hervor. "Frankreichs Museumspolitik ist schwerfällig und verstaubt", meint Nicolas Bourriaud, dessen Kunsthalle sich der konventionellen Museumsverwaltung teilweise entzieht. "Wenn ich eine interessante Arbeit irgendwo sehe, kann ich sie sofort ausstellen", begeistert er sich.

Das neue Labor für Gegenwartskunst wird keine eigenen Sammlungen haben. Ständig wechselnde Ausstellungen sowie Filmvorführungen, Modeschauen, Konzerte und Diskussionsrunden stehen auf dem Programm. Sogar die Öffnungszeiten, die es in keiner anderen großen Kunsthalle der Welt gibt, sind Teil des neuen Kunstkonzepts: Von 12 Uhr mittags bis Mitternacht kann der Besucher vom 29. Januar an zwischen Videoinstallationen und Web-Art Werken schlendern. (dpa/fro)