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Im Haus von Osama bin Laden

17. April 2003

Wie lassen sich Krieg und seine Folgen mit Kunst vereinbaren? Zwei britische Künstler sind nach Afghanistan gereist. Ihre Eindrücke sind im Londoner Kriegsmuseum ausgestellt.

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Black-Hawk-Hubschrauber in Afghanistan - Teil der Ausstellung von Langland and BellsBild: Langlands & Bell

Das Imperial War Museum in London wurde 1917 als Nationalmuseum gegründet, um die Geschichte des Ersten Weltkrieges und der Opfer des Empires darzustellen. Heute thematisiert das Museum nahezu alle militärischen Konflikte des 20. und 21. Jahrhunderts.

Die jüngste Ausstellung widmet sich dem Krieg in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September. Die Londoner Künstler Ben Langlands und Nikki Bells waren im Oktober 2002 zwei Wochen durch Afghanistan gereist. Ihre Eindrücke haben sie mit Video- und Digitalkameras festgehalten. Sie besuchten unter anderem das Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe (ISAF) in Kabul, eine Basis der US-Streitkräfte in Bagram und die zerstörten Buddha-Statuen in Bamiyan.

"Wir wussten zwar, dass die westlichen Medien nur einen oberflächlichen Eindruck des wirklichen Geschehens im Land liefern. Aber wir waren trotzdem geschockt über die Situation, in der die Menschen dort leben," sagt Ben Lenglands im Interview mit DW-WORLD. Wir haben versucht, das in unseren Arbeiten zum Ausdruck zu bringen.

Das Haus des Terroristen

Die Künstler haben ihre Eindrücke in interaktiven Installationen, Filmen, Fotografien und Animationen verarbeitet. Hauptattraktion der Ausstellung ist ein digitaler Nachbau des Wohnhauses von Top-Terrorist Osama bin Laden.

Das virtuelle Haus erlaubt den Besuchern eine Reise durch drei Räume aus Erde und Stein, eine Küche, einen aus Munition gebauten Bunker sowie eine kleine Moschee. Langlands und Bells haben für ihr digitales Modell Hunderte Fotos des Hauses und der Umgebung verarbeitet. Wie in einem Videospiel kann der Besucher mit einem Joystick umherwandern.

Das Haus wirkt wie gerade erst verlassen und vermittelt dem Besucher den Eindruck, Osama bin Laden könnte hier jederzeit hinter der Ecke hervor kommen. - In diesem Farmerhaus könnte Bin Laden den Anschlag vom 11. September geplant haben, sagt Langlands.

"Die abgelegene Welt in Afghanistan ist das komplette Gegenteil zu den Twin-Towers in New York. Der symbolische Vergleich irritiert, denn das Farmerhaus mit der Moschee und dem Bunker beeindrucken durch seine sonderbare Schlichtheit und Schönheit."

Darüber dass Langlands mit seiner Arbeit möglicherweise das Mysterium um Osama bin Laden nährt, macht sich der Künstler keine Sorgen. "Es gehört zur Natur des Menschen, mehr über Geheimnisse und Rätsel erfahren zu wollen. Osama bin Laden ist schon jetzt eine mystische Figur. In der einen Minute hier, in der anderen da, wir wissen nicht, ob er tot oder am Leben ist." Das Geheimnis und die Faszination um diese dunkle aber berühmte Person des Zeitgeschehens seien das, was die Menschen an ihrem Kunstwerk interessiere.

"Wir alle möchten an Orten sein, an denen berühmte oder berüchtigte Personen lebten. Wir möchten in dem Licht stehen, in dem sie standen. Den gleichen Blick auf die Dinge haben und vielleicht sogar herausfinden, was die Person ausmacht."

Auf der Suche nach dem globalen Gefüge

Die beiden Künstler waren von der riesigen Menge an Hilfstruppen in Kabul überrascht. "Es gab Vertreter von 120 internationalen und UN-Organisationen sowie von 150 lokalen Nichtregierungsorganisationen. Auf uns wirkte das wie eine Art Neo-Kolonialisierung - wie die andere Seite der Globalisierung."

Langlands und Bells fotografierten die Schriftzüge der NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und schnitten sie zu einem Film zusammen. Langsam wird von einem Wort ins nächste geblendet: Aus "Care" wird "Hope" wird "Win" wird "Echo". Das Werk soll die mächtige internationale NGO-Industrie vor Augen führen, die an immer mehr Plätzen an Einfluss gewinnt und dabei die Dynamik vieler Gesellschaften verändert.

Die menschliche Dimension von Krieg

"Zardad’s Dog" heißt eine anderes Exponat auf der Ausstellung. Darin stehen Schmerz und Ungerechtigkeit im Mittelpunkt. Dokumentiert wird eine Gerichtsverhandlung am Obersten Gericht in Kabul.

Auf der Anklagebank sitzt der Militäroffizier Abdullah Shah. Sein Spitzname – Zardad’s Dog - gab dem Kunstwerk seinen Namen. Shah war gefürchtet, weil er Menschen wie ein Hund angriff. Selbst noch im Gerichtssaal war bei seinen ehemaligen Untergebenen eine ängstliche Unruhe zu merken.

Keine Kriegskünstler

Langlands möchte kein Kriegskünstler sein, auch nicht ein unkonventioneller. "Wir sind einfach Künstler, die sich freiwillig in eine gefährliche Situation begeben haben. Nur, wenn du an einen Ort reist, an dem du Zeuge schrecklicher Verbrecher bist, machst du dich in gewissem Maße mitschuldig. Allerdings ist das die Situation, in der die meisten Künstler stecken."

Und zukünftig? Ich denke, wir machen jetzt erst mal mit unserer normalen Arbeit weiter, sagt Langland. "Die Reise nach Afghanistan war eine interessante Erfahrung, aber ob wir noch mal in eine Kriegsregion reisen, steht noch in den Sternen." (kas)