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Enthüllungen

Interview: Rob Mudge (db)10. April 2013

Die Affäre um das "Offshore Leaks"-Projekt gibt einen Einblick in die Welt der Steueroasen. Die DW sprach mit David Leigh vom Journalistennetzwerk ICIJ über die langwierige Recherche.

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Internetseite ICIJ APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER - 20130404_PD0656
Bild: picture alliance/APA/picturedesk.com

DW: Wie arbeitet das Internationale Konsortium investigativer Journalisten? Ist das Enthüllungsportal WikiLeaks das Vorbild?

David Leigh: Das ICIJ war Vorreiter auf dem Gebiet des grenzüberschreitenden, gemeinschaftlichen Journalismus, das Netzwerk ist seit mehr als zehn Jahren tätig. Es war also viel früher am Start als WikiLeaks. WikiLeaks hat wohl das Ausmaß der Enthüllungen gesteigert. Es ähnelt dem ICIJ insofern, als es um große Datenmengen geht. Bei WikiLeaks ging es um 1,65 Gigabyte an Material - bei uns allerdings noch um viel mehr, nämlich um eine Datenmenge von 200 Gigabyte unstrukturierter Dokumente.

Wie haben Sie diese Datenmenge bearbeitet?

Das war nicht einfach. Es handelt sich um eine Anhäufung verschiedenster Dokumente: 15 Jahre alte Emails - manche davon aus veralteten Systemen -, interne Firmennotizen, Fotokopien von Reisepässen; eine wilde Mischung an Datenformaten. Wir haben eine spezielle Software benutzt, um die Datenmenge zu verkleinern, damit man sie überhaupt durchforsten konnte.

Gab es einen besonderen Anlass, die Daten zum jetzigen Zeitpunkt zu veröffentlichen?

Überhaupt nicht. Es war so, dass wir nach 15 Monaten harter Arbeit, in denen wir uns bemüht haben, Hinweise aus den Daten herauszukitzeln, endlich genug Namen aus aller Welt hatten - wichtige politische Persönlichkeiten, Regierungsbeamte, reiche Familien -, um zum ersten Mal an die Öffentlichkeit zu gehen. Es war wichtig, dass alle Beteiligten, die international daran mitgearbeitet haben, sich auf einen gemeinsamen Veröffentlichungstermin geeinigt haben.

Von einigen wurde die Identität ja enthüllt, aber was passiert nun - wie hoch ist die Bereitschaft der Politik, gegen Steueroasen vorzugehen?

Nun, der prominente britische Politiker Lord Oakeshott (Mitglied der Liberaldemokraten und Investmentbanker, Anmerkung der Redaktion) meinte nach der Veröffentlichung, unsere Enthüllungen seien ein Schandfleck für Großbritannien, weil die Jungferninseln britisches Überseegebiet seien. Dort sind Hunderttausende dieser geheimen "Offshore"-Firmen ansässig, die es Anlegern ermöglichen, ihr Vermögen zu verstecken. Ich denke, die Politik kommt zunehmend unter Druck, etwas dagegen zu unternehmen. Eine weitere Entwicklung wird sein, dass Anleger das Vertrauen verlieren werden und die Steueroasen an Attraktivität, da wir die Identität derer enthüllen, die ihr Vermögen geheim halten wollen und die dann nicht mehr die Gewissheit haben, dass ihre Anlagen auf den Britischen Jungferninseln, in Singapur oder auf den Seychellen geheim bleiben.

David Leigh, . Rechte: Sean Smith/Guardian News & Media Ltd
David LeighBild: Sean Smith/Guardian News & Media Ltd

David Cameron und Großbritannien sind Gastgeber des G8-Gipfels im Juni. Cameron fordert lautstark hohe Steuerabgaben für große Konzerne. Zur gleichen Zeit aber drückt er bei britischen Steueroasen und ihren undurchschaubaren Geldgeschäften ein Auge zu. Wie realistisch ist ein gemeinsames Vorgehen beim Gipfel?

Als Präsident der G8 wird Cameron mit Vorwürfen der Scheinheiligkeit konfrontiert werden. Großbritannien weigert sich zur Zeit nicht nur, das Geheimhaltungssystem der Britischen Jungferninseln zu reformieren, sondern auch das britische Landbesitzsystem, nach dem man zum Beispiel heimlich eine Immobilie in London besitzen darf. Das ist der Grund, weshalb eine Menge Oligarchen und Plünderer aus Entwicklungsländern nach Großbritannien strömen, um ihr Geld im Namen von Firmen auf den Jungferninseln in Grundbesitz zu investieren. Sie wissen, sie können es legal geheim halten.

Offensichtlich werden Sie Ihre Informationsquelle nicht preisgeben, aber es handelt sich ganz klar um seriöses Material.

Dazu können wir nur sagen: Es gibt gar keinen Zweifel daran, dass dieser Schatz an Daten authentisch und riesig ist - 200 Gigabyte sind so viel wie mehrere Büchereien mit jeweils einer halben Million Bücher.

Was sind Ihre nächsten Schritte?

Es gibt sehr große Bereiche, die noch nicht untersucht wurden. In Asien zum Beispiel gibt es tausende Namen, die noch nicht analysiert wurden.

David Leigh ist leitender Recherche-Redakteur beim Guardian und Mitglied des Teams des Internationalen Konsortiums investigativer Journalisten (ICIJ), das die "Offshore"-Dokumente untersucht. Zusammen mit seinem Kollegen Luke Harding schrieb er den Bestseller "WikiLeaks: Inside Julian Assange's War on Secrecy". Leigh war Teil des Guardian-Teams, das eng mit Assange bei der Veröffentlichung der Dokumente zusammenarbeitete.