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Vorbereitungskurse für studierwillige Geflüchtete

Richard A. Fuchs, Berlin 30. Mai 2016

Ersten Schätzungen zufolge könnten 50.000 der über eine Million Flüchtlinge an einem Studium in Deutschland interessiert sein. Vorbereitungskurse sollen den Weg dafür ebnen. Für viele Flüchtlinge geht das zu langsam.

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Pauken für die Uni-Zulassung: 30 Geflüchtete im Vorbereitungskurs der FU Berlin Foto: Foto: Gregor Fischer/dpa
Pauken für die Uni-Zulassung: 30 Geflüchtete im Vorbereitungskurs der FU BerlinBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

So unterschiedlich ihre Herkunft und die Gründe ihrer Flucht: Die 30 Flüchtlinge, die an diesem Tag im Studienkolleg Lankwitz der Freien Universität Berlin sitzen, haben ein gemeinsames Ziel. Drei Mal in der Woche treffen sie sich zum gemeinsamen Deutschlernen, damit es möglichst schnell klappt mit der Zulassung für ein Studium. Die Freie Universität Berlin bietet Flüchtlingen Vorbereitungskurse an. Sie sollen Orientierung für die Studienplatzwahl geben, aber natürlich auch beim Erreichen des entsprechenden Sprachniveaus helfen. Rund 70 Teilnehmer nutzen dieses Angebot der Initiative "Welcome@FUBerlin" derzeit, die Mehrheit von Ihnen sind junge Syrer unter 25 Jahren.

"Ich habe viel Deutsch gelernt, aber zu wenig gearbeitet"

Abdulhamid Kouka ist einer von ihnen. Der 23-Jährige ist vor gut acht Monaten aus seiner Heimatstadt Aleppo geflohen, kam nach einer dreimonatigen Flucht nach Berlin. In Syrien hat er seinen Bachelor in Elektrotechnik absolviert. In Deutschland würde er jetzt gerne einen Master-Studiengang in Informatik oder IT-Programmierung draufsetzen. Sein Problem ist eines, das viele Flüchtlinge kennen: "Ich hätte mich gerne im Oktober eingeschrieben, aber ohne diese Papiere geht das nicht", sagt der junge Mann mit trauriger Stimme. Abdulhamid fehlen einige Belege für seine syrischen Studienergebnisse. Hier wird er Anerkennungstests machen müssen, Tests für ausländische Studierende (TestAS), was ihn nicht sonderlich beunruhigt. Viel eher ärgert er sich darüber, dass er trotz gutem Willen keinen Platz in einem Integrationskurs ergattern konnte. Den Teilnahmeschein braucht er für alle weiteren Schritte - doch den bekommt er vorerst nicht. Die Begründung: Er spreche schon zu gut Deutsch, weshalb jetzt erst andere Flüchtlinge Vorrang hätten.

Arbeiten und Deutsch lernen - lasst mich doch beides gleichzeitig machen: Abdulhamid Kouka Foto: Richard Fuchs
Arbeiten und Deutsch lernen - lasst mich doch beides gleichzeitig machen: Abdulhamid KoukaBild: DW/R. Fuchs
Ohne Worte: Zerstörung in Aleppo im Mai 2016 Foto: KARAM AL-MASRI/AFP/Getty Images
Ohne Worte: Zerstörung in Aleppo im Mai 2016Bild: Getty Images/AFP/K. Al-Masri

Für Abdulhamid bedeutet dieses fehlende Stück Papier, dass sein Leben festzustecken scheint. Weder richtig in der Uni, noch berufstätig. "Niemand nimmt dich ohne gültige Papiere". Für das Deutsche Rote Kreuz arbeitete er deshalb ehrenamtlich als Übersetzer. In freien Stunden ärgert er sich aber darüber, dass er sein eigenes Geld nicht verdienen darf. "Ich habe viel Deutsch gelernt, aber zu wenig gearbeitet". Sein Wunsch wäre: "Ich will malochen – und zwar schnell." Bis es weitergeht, setzt er seine Hoffnung auf den Vorbereitungskurs. Wie so viele studierwillige Flüchtlinge.

"Wenn wir Deutsch können, was passiert dann?"

An der Freien Universität Berlin werden diese Kurse seit vergangenen Oktober angeboten. Aktuell laufen vier Sprachkurse parallel. In ganz Deutschland haben 180 Hochschulen ähnliche Programme aufgelegt. Das Bildungsministerium unterstützt das Programm bis 2019 mit 100 Millionen Euro. Allein in diesem Jahr sollen 27 Millionen Euro dafür ausgegeben werden, um 2400 Vorbereitungsplätze für Flüchtlinge zu schaffen. Damit soll das Bildungsversprechen eingelöst werden, sagt Bildungsministerin Johanna Wanka. "Wer das Zeug dazu hat, soll bei uns studieren können."

Ein stuhlkreis im Vorbereitungsseminar für Geflüchtete an der FU Berlin Foto: Gregor Fischer/dpa
Informatik, Elektrotechnik, Maschinenbau oder IT: Besonders Naturwissenschaften sind unter diesen Geflüchteten beliebtBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Wie viele der Geflüchteten letztlich den Weg ins deutsche Hochschulsystem finden, das lässt sich derzeit seriös kaum abschätzen. Vorsichtige Prognosen gehen davon aus, dass rund 50.000 Flüchtlinge ein Studium in Deutschland beginnen werden. Damit die Flüchtlinge möglichst schnell das passende für sie Fach finden, soll vor allem die Studienberatung massiv ausgebaut werden. Ein Muss, findet Margret Wintermantel, Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). "Es ist alles andere als selbstverständlich, sich in unserer Studienlandschaft zurechtzufinden". Studierende könnten hierzulande zwischen 17.000 Optionen auswählen. Das überfordere gerne auch mal einheimische Studierende, sagt Wintermantel weiter.

Ankommen in Deutschland: Wie beschreibt man eigentlich diese Deutschen? Ein sympathischer Versuch der Annäherung!
Ankommen in Deutschland: Wie beschreibt man eigentlich diese Deutschen? Ein sympathischer Versuch der Annäherung!Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

An der Freien Universität Berlin wurde deshalb ein studentisches "Buddy-Programm" initiiert, bei dem Studierende Flüchtlingen zur Seite stehen. Außerdem wird auf Englisch, Deutsch, Arabisch und Farsi beraten. Wie wichtig das ist, betonen viele der Betroffenen immer wieder. Ein junger Syrer, der in Deutschland Medizin studieren möchte, bringt seine Angst so zum Ausdruck: "Wenn wir nach diesem Kurs Deutsch gelernt haben, was passiert dann?"

Unter Naturwissenschaftlern…..

Am Studienkolleg in Berlin-Lankwitz geben sie sich alle Mühe, auf derlei Fragen plausible Antworten zu finden. Trotz der vielen offenen Fragen zum Bleibestatus der Flüchtlinge, die alles weitere vorbestimmen. Am Optimismus ändert das bei den meisten nichts. Ihre Studienwünsche äußern sie mit viel Nachdruck - und mit einem Faible für Naturwissenschaften. Die meist gewählten Fächer sind Informatik, Elektrotechnik, Maschinenbau, Baumanagement, Medizin, Mathematik und Pharmazie.

Staatssekretärin zu Besuch beim Vorbereitungskurs für Flüchtlinge
Staatssekretärin zu Besuch beim Vorbereitungskurs für FlüchtlingeBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Abdulhamid Kouka ist seinem Ziel, eigenes Geld verdienen zu dürfen, inzwischen ein kleines Stück nähergekommen. Er hat einen Praktiumsplatz bei den Siemens-Werken in Berlin ergattert und wertvolle Arbeitserfahrung gesammelt. "Ich bin dadurch selbstbewusster geworden, weil ich jetzt weiß, wie die Dinge hier laufen." So müßten Integrationskurse aussehen, findet er. "Wieso sollte ich noch einen solchen Kurs besuchen, wenn ich meine Erfahrungen auch ganz praktisch sammeln kann." Ein schöner Nebeneffekt sei, dass er seinen Lebensunterhalt so selbst bezahlen könnte. "Da hätte auch der deutsche Steuerzahler was davon."