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„Ich hoffe auf eine konditionierte Unabhängigkeit des Kosovo“

8. Dezember 2005

Eine für Südosteuropa zuständige Delegation des Europäischen Parlaments besuchte diese Woche Belgrad und Podgorica. DW-RADIO sprach mit Delegationsmitglied Gisela Kallenbach über Perspektiven für Kosovo.

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Interview mit DW-RADIO

DW-RADIO/Albanisch: Was ist das Ziel dieser Reise nach Belgrad, Podgorica und Pristina?

Gisela Kallenbach: Wie Sie wissen, gibt es bei der Europäischen Union eine spezielle Delegation für Südosteuropa, die sich mit der Region Serbien-Montenegro einschließlich Kosovo und Bosnien-Herzegowina beschäftigt. Es ist gute Praxis, dass man sich gegenseitig besucht. Wir wollen gegenseitig uns zu allererst informieren, was die neuesten Entwicklungen sind. Wir wollen gut aufeinander hören, was denn das Beste für die Region auf ihrem möglichen und hoffentlich bald möglichen Weg in eine europäische Integration notwendig ist.

Auf dem Weg Serbiens und Montenegros nach Europa wird sicherlich Kosovo auch eine ganz wichtige Rolle spielen. Wie sehen Sie das Problem, gibt es eine richtige Chance für die Lösung dieses Problems nächstes Jahr?

Wir alle hoffen sehr, dass die beteiligten Partner so viel Stärke und Größe beweisen, dass sie dazu beitragen, dieses ganz komplizierte Problem zu lösen. Wir wissen, dass beide – Serbien und Kosovo - auf Maximalforderungen bestehen: Die Kosovaren ganz eindeutig für Unabhängigkeit, währenddessen Serbien es als ihr Gebiet betrachten. Ich denke und hoffe und setze sehr darauf, dass es hier zu einer Kompromisslösung kommt und die internationale Gemeinschaft beiden Ländern an der Seite steht und sie auf dem Weg der Integration in die EU unterstützt. Das scheint für mich, die einzige Chance die gesamte Region zu befrieden und zu demokratisieren.

Sie sprechen von einem Kompromiss. Was meinen Sie genau?

Kompromiss ist, dass es zwischen diesen beiden Maximalforderungen eine Einigung geben wird. Sie wissen, dass die internationale Gemeinschaft Kriterien festgesetzt hat. Von drei Neins wollen sie nicht abweichen. Nämlich dass es zurückgeht in die Situation von 1999, dass Kosovo geteilt wird, dass irgendwie Grenzen verändert werden. Das wird definitiv nicht auf Zustimmung stoßen und ich denke oder hoffe, dass es eine konditionierte Unabhängigkeit geben wird.

Diese konditionierte Unabhängigkeit ist für viele Kosovo-Albaner nicht klar. Heißt das im Prinzip, dass das Kosovo nicht souverän sein wird? Oder sehen Sie die Chance, dass Kosovo nach einiger Zeit ein ganz unabhängiger Staat sein wird?

Das wird ganz entscheidend auch vom Kosovo selbst abhängen, wie sich auch dort die Institutionen entwickeln. Es ist ja nicht so, dass die internationale Gemeinschaft noch gewisse Reserven einfach behalten hat, um die Kosovaren zu ärgern. Es gibt gute Gründe dafür. Aber definitiv kann ich so eine Frage jetzt nicht beantworten, sonst bräuchten wir jetzt nicht diese schwierigen Gespräche und Verhandlungen unter der Leitung von UN-Chefunterhändler Martti Ahtisaari.

Ich persönlich denke im Moment, dass es eine konditionierte Unabhängigkeit erst einmal geben wird mit einer Präsenz von internationalem Militär und auch einer Begleitung, Monitoring durch internationale Gesandte. Wie es dann weitergehen wird, wird von der Entwicklung abhängig sein und auch davon, wie die Rechte von Minderheiten im Kosovo tatsächlich umgesetzt werden.

Wie lang würde dieser Zustand Ihrer Meinung nach dauern?

Ich gehe davon aus, dass im Jahre 2006 erste Entscheidungen fallen werden. Das hängt wiederum auch von der Gesprächsbereitschaft der Vertreter in Pristina und Belgrad ab. Dann wird vielleicht zwei Jahre später noch einmal eine Revision vorgenommen. Wie gesagt, das liegt tatsächlich in der Hand der lokalen Akteure.

Sie sprachen von einer konditionierten Unabhängigkeit. Mit dieser Lösung wird weder die albanische noch die serbische Seite zufrieden sein. Fürchten Sie, dass es zu einer Destabilisierung des Kosovo kommen könnte?

Nein, ich denke, wenn sich die lokalen Partner vor Ort wirklich bewusst sind, welche Chancen ein Aufeinander zugehen und auch eine Kompromisslösung haben werden, dann hoffe ich darauf, dass das stabilisierend wirkt. Ich hätte Befürchtungen, wir eine destabilisierende Situation hätten, wenn man jetzt weiter den bisherigen Zustand ohne Fortschritte weiter aufrechterhält. Natürlich weiß man nie. Wir wissen, dass auch überall radikalere Kräfte, die auf Maximalforderungen bestehen, vielleicht sehr unzufrieden sein werden. Aber da hoffe ich, dass die Mehrheit der Bevölkerung ganz stark zum Ausdruck bringt, dass sie eben keine weiteren gewaltsamen Auseinandersetzungen mitträgt.

Das Interview führte Bahri Cani

DW-RADIO/Albanisch, 6.12.2005, Fokus Ost-Südost