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"Ich halte nichts von Ritualen"

Das Interview führte Christian F. Trippe10. Oktober 2004

Vier Staaten Asiens in sechs Tagen: Bundeskanzler Schröder eilt im Sauseschritt durch den Kontinent. In Vietnam fand er dennoch Zeit für ein Gespräch mit DW-TV über deutsche Außenpolitik und die Bedeutung Asiens.

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Ohne Dolmetscher geht in Asien gar nichts - auch für BundeskanzlerBild: AP

Deutsche Welle: Sie sind im Augenblick auf einer langen Asienreise. In Indien haben Sie eine strategische Partnerschaft verabredet, ich frage mich: Wird Asien jetzt der neue Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik?

Gerhard Schröder: Nein, es war immer Schwerpunkt und deswegen kann von neu keine Rede sein. Wir haben uns sehr um den chinesischen Markt bemüht, mit großem Erfolg im Übrigen für die Deutsche Wirtschaft, aber wir müssen erkennen dass Asien nicht nur aus China besteht. Indien hat immerhin eine Bevölkerung von 1,1 Milliarden Menschen und Wachstumsraten die erheblich sind, zwischen sechs und acht Prozent liegen, im Übrigen gibt es traditionelle Beziehungen zwischen Indien und Deutschland die man nutzen sollte. Aber auch die wirtschaftlichen Aspekte sind nicht zu unterschätzen, deswegen bleibt für uns Europa und die europäische Integration das Wichtigste, bleibt die transatlantische Gemeinschaft wichtig. Aber uns nicht um Asien zu kümmern, als ein so exportabhängiges Land, wäre nun ganz falsch.

Sie werden auch nach Pakistan reisen, das zu Indien in einer schwierigen Nachbarschaft lebt. Beides sind Nuklearmächte, beide Länder sind seit Jahrzehnten in den Konflikt um Kaschmir verstrickt. Wie können Sie, als Gast von außen, da beschwichtigend wirken?

Ich kann nicht beschwichtigen, aber ich kann zum Beispiel deutlich machen, was ich in Indien erfahren habe und was ja auch in der Welt deutlich geworden ist, dass zum Beispiel die Gespräche zwischen dem indischen Premierminister und dem pakistanischen Präsidenten in New York, bei der UN-Generalversammlung, ein Stück Entspannung in Kaschmirkonflikt gebracht haben, und ich kann deutlich machen, dass wir uns wünschen, dass auf diesem Weg voran gegangen wird. Das habe ich in Indien gasagt, das werde ich auch in Pakistan sagen. Ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass die Inder dazu bereit sind, was für die Sicherheit in der Region und damit für die Sicherheit in der Welt nicht ohne Wichtigkeit ist.

Indien und Deutschland unterstützen sich gegenseitig in ihrem Anspruch auf einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat. Nun gibt es mahnende Stimmen in Berlin die sagen, Deutschland könnte sich überheben, dass Land sei gar nicht darauf vorbereitet was an zusätzlichen Belastungen auf uns zukommt.

Wer immer solche Stimmen von sich gibt, redet Falsches. Wir sind der drittgrößte Beitragszahler der Vereinten Nationen, der zweitgrößte Truppensteller, was will man mehr an Verantwortung. Und dass unsere Leute die in New York arbeiten, schlechte Arbeiten machten, kann man überhaupt nicht sagen. Dass heißt, die Erwartungen an Deutschland sind durchaus enorm, gelegentlich so enorm, dass wir sie kaum erfüllen können, aber auch hier auf dem Europa-Asien Gipfel habe ich sehr viel Unterstützung für die Reformbemühungen der Vereinten Nationen gehört, denn das steht im Vordergrund, aber auch sehr viel Unterstützung erfahren für Deutschlands Wunsch im Falle der Durchführung der Reform also der Erweiterung des Sicherheitsrates auch ständiges Mitglied zu werden. Das gehört zu den Erwartungen die man an das größer gewordene Deutschland, an das moderne Deutschland hat, und dem werden wir begegnen müssen.

Das Beispiel das dann immer angeführt wird ist Afrika, der Krisenkontinent Afrika, können Sie sich denn vorstellen, dass deutsche Soldaten zum Beispiel im Sudan eingesetzt werden?

Darum geht es doch gar nicht in erster Linie. Deutschland erfüllt seine internationalen Verpflichtungen. Wir sind in Afghanistan mit 2000 Soldaten, wir sind mit 4000 Soldaten auf dem Balkan, ... ... wir engagieren uns mit Beobachtern in vielen Bereichen, also das steht nicht an eine solche Entscheidung und das ist auch nicht die Voraussetzung dafür, dass man mehr Verantwortung in den Vereinten Nationen übernimmt. Es geht keineswegs immer nur und immer in erster Linie um Soldaten.

Gerhard Schröder mit Thumbnail
Gerhard Schröder (Archiv)Bild: AP

Wenn es die Sicherheitslage zulässt wollen Sie auch noch einen Abstecher nach Afghanistan machen. Glauben Sie, dass die Wahl das Land politisch endlich zur Ruhe bringt?

Sicherlich nicht endgültig zur Ruhe bringt, aber es ist ein wichtiger Schritt. Die Parlamentswahlen im nächsten Jahr werden der nächste Schritt sein, ich hab immer gesagt das ich die Hoffnung habe, dass Präsident Karsai bestätigt wird in seinem Amt, das ist meine Hoffnung auch weiterhin, weil er bewiesen hat, dass er dem Land politisch Stabilität bringen kann. Aber das ist ein langer Weg und wir werden uns dort, auf diesem Weg, auch noch lange aufhalten müssen, im Land, weil wir ja doch ein Interesse daran haben, insgesamt, dass das Land stabiler wird, damit die Region stabiler wird.

Herr Bundeskanzler, an Ihrer Außenpolitik, an Ihrer Menschenrechtspolitik wird immer wieder Kritik laut, auch in den eigenen Reihen. Kritik dass Sie in China oder jüngst in Russland die Menschenrechte nicht genug ansprechen, weil Ihnen die gute Nachbarschaft, die gute Partnerschaft, gerade auch die Wirtschaftsfragen wichtiger seien.

Das ist eine ganz unsinnige Kritik, ich halte nur nichts von Ritualen, das mögen andere machen und ich halte nichts von offenen Briefen, die mögen andere unterzeichnen. Ich halte es eher damit, klar zu sagen was unsere Positionen sind, aber meine Gesprächspartner damit nicht öffentlich bloßzustellen, sondern sie in den Gesprächen, die ich zu führen habe, zu konfrontieren, ich habe lange Gespräche, zum Beispiel, geführt über die Frage des Kyoto Protokolls, mit vielen. Ich will nicht behaupten dass das einen Einfluss auf die Russische Entscheidung hatte, das ist eine souveräne Entscheidung Russlands gewesen. Aber die Diskussionen darüber, ohne dass man sie an die große Glocke hängt, haben sicherlich auch etwas in Bewegung gesetzt und so würde ich Politik weitermachen, gleichgültig wer sich darüber aufregt, oder wer dem zustimmt.

Bundeskanzler Gerhard Schröder, vielen Dank für Ihre Antworten auf DW-TV.

Bitteschön.