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"Ich höre zum ersten Mal, dass es SEWODNJA nicht mehr gibt"

16. Januar 2002

- Adam Michnik im Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin

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Warschau, 16.1.2002, GAZETA WYBORCZA, poln.

Die Russen sind sich darüber im Klaren, dass es zur Marktwirtschaft und Demokratie keine Alternative gibt. Ein anderer Weg würde Stagnation und Rückständigkeit bedeuten. Man begreift aber immer noch nicht, dass der Staat unter diesen Umständen nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann. Und das ist ein ernsthaftes Problem, erklärte Wladimir Putin.

(Adam Michnik) Herr Präsident, wir hatten einen gemeinsamen Freund - Anatolij Sobtschak (einer der Köpfe der demokratischen Bewegungen in Russland Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre, Bürgermeister von Sankt Petersburg und mehrere Jahre lang Putins Vorgesetzter - die Red.). Anatolij sagte mir einst, Russlands Problem bestehe darin, dass es Freiheit bereits hat, die Demokratie aber immer noch ausbleibt. Sie wiederum gaben einst zu, dass Sie für eine gelenkte Demokratie eintreten.

(Wladimir Putin)

Ich kann mich nicht daran erinnern, wo ich von gelenkter Demokratie gesprochen habe und jetzt fiele es mir schwer, diesen Terminus zu erläutern. Wenn Sie aber meine Haltung zum Aufbau der Demokratie in Russland interessiert, dann kann ich sagen: Wir brauchen keinen neuen Weg mehr zu suchen. Es muss der Weg beschritten werden, den alle entwickelten Länder beschreiten.

Die Diagnose von Anatolij Sobtschak, die er vor nahezu zehn Jahren gestellt hat, ist immer noch gültig, obwohl sich so vieles verändert hat. Freiheit gibt es bei uns viel, aber demokratische Institutionen wie Freiheit des Wortes oder politische Parteien, davon gibt es wenig.

Die Entwicklung des Landes befindet sich in einer Übergangsphase. Wir müssen auf jeden Fall eine gut funktionierende demokratische Rechtsgrundlage schaffen. Demokratie ist schließlich nicht Anarchie. Es sind Regeln, die in Gesetzen verankert sind, die das Parlament in Übereinstimmung mit der Verfassung verabschiedet hat.

Und diesen Weg beschreiten wir. Sicher und konsequent.

Im letzten Jahr haben wir das Parteiengesetz angenommen, um in Russland landesweite, starke politische Organisationen zu schaffen, die die Interessen verschiedener Gruppen und Schichten vertreten. Erst wenn wir ein Gleichgewicht der Interessen verschiedener Gruppen erreicht haben, die diese Parteien vertreten, wird von stabiler Demokratie die Rede sein können.

Wir sollten auch eine bürgerliche Gesellschaft schaffen, den Gewerkschaften helfen, neue Funktionen zu übernehmen und nicht zuletzt freien Medien die wirtschaftliche Grundlage sichern. Sowohl bei uns als auch bei Ihnen wurden sie als Schule des Kommunismus bezeichnet, obwohl schwer zu verstehen ist, was für eine Schule sie waren, denn sie wirkten unter einem Machtmonopol.

(Adam Michnik)

Sie loben das Parteiengesetz so sehr, aber es gibt Vorwürfe zu hören, dass gerade dieses Gesetz die Gründung neuer Parteien in Russland verhindern könnte.

(Wladimir Putin)

Das stimmt auf keinen Fall. Verhindern kann dieses Gesetz nur die Anarchie. Solange es bei uns auf seiner Grundlage kein normales, lebensfähiges Mehrparteiensystem gibt, wird es keine echte parlamentarische Demokratie geben. Es wird dann nur kleine politische Gruppen geben, die dank der Parlamentswahlen die Interessen konkreter Leute vertreten. Für einen Staat, der sich bei seiner Entwicklung in einem Übergangsstadium befindet, kann eine solche Variante vorübergehend akzeptabel sein. Langfristig aber darf es nicht so sein.

(Adam Michnik)

Kein russischer Präsident erfreute sich einer so großen Unterstützung in der Bevölkerung wie Sie. Wir erinnern uns aber an Kräfte, die sowohl für Michail Gorbatschow als auch für Boris Jelzin ein Hindernis waren. Wie steht es um die Gefahren für Ihre Politik?

(Wladimir Putin)

Ich möchte nicht so sehr von Gefahren sprechen, sondern vielmehr von Problemen, von Schwierigkeiten. Alle Länder des so genannten ehemaligen Ostblocks haben sie. Worum es vor allem geht, ist die Einstellung der Bevölkerung zum Staat, sind die Erwartungen, die die Menschen an die Regierung stellen. Noch vor kurzer Zeit, als sowohl in Polen als auch in der UdSSR der Staat das Monopol über alles hatte, war er natürlich auch für alles verantwortlich. Und so war es Jahrzehnte lang, bei uns viel länger als bei Ihnen. Daher ist in Russland die Überzeugung, der Staat müsse alle Probleme lösen, auch stärker verwurzelt. Leider bis heute.

Die Russen begreifen inzwischen, dass es zur Marktwirtschaft und zur Demokratie keine Alternative gibt, denn ein anderer Weg würde Stagnation und Rückständigkeit bedeuten. Sie begreifen aber immer noch nicht, dass der Staat unter diesen Umständen nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann. Und das ist ein ernsthaftes Problem. (...)

(Adam Michnik)

In allen postkommunistischen Ländern ist eine Nostalgie nach den kommunistischen Zeiten festzustellen. Auch in Polen, auch in Ostdeutschland. Und in Russland? Haben Sie denn keine Angst vor den Kräften, die gegen Ihre Politik sind? Die sowohl die Marktwirtschaft als auch Ihre Freundschaft mit Amerika nach dem 11. September ablehnen? Kommunistische Zeitungen nennen Putin einen Vaterlandsverräter, einen Kapitulanten.

(Wladimir Putin)

Erstens, Angst haben darf ich nicht. Wenn ich Angst hätte, dann wäre es besser, vom Präsidentenamt fern zu bleiben. Zweitens, es geht nicht darum, Angst zu haben oder nicht. Es geht darum, zu begreifen, was wir tun und ob wir es richtig machen. Aber ich denke, wir machen es richtig. (...)

Es muss konsequent und geduldig erklärt werden, was der eine oder andere Schritt der Staatsführung dem ganzen Land und dem einfachen Bürger Russlands bringt. Ich bin sicher, dass der einfache Bürger imstande ist zu begreifen, was das Interesse des Staates ist. Und wer bei uns möchte schon eine Konfrontation Russlands mit der ganzen Welt oder einem der führenden Staaten der Welt - den Vereinigten Staaten? Wer ist daran interessiert? Solche Leute gibt es nicht.

(Adam Michnik)

Wirklich? Gibt es sie in Russland nicht?

(Wladimir Putin)

Es gibt Gruppen, die sich von eigenen Interessen leiten lassen, die überlegen, wie sie an die Macht zurückkehren oder wie sie die Macht ergreifen. Aber das hat nichts mit nationalen Interessen zu tun. Und wenn wir schon von Unzufriedenen sprechen - ich habe mehrfach gehört, dass Generäle in Russland mit dem, was der Präsident tut, nicht zufrieden sind... Aber ich kann Ihnen sagen, dass unsere Generäle keineswegs schlechter sind als die Zivilbevölkerung. Es sind kluge Leute. Und schlechter als die Generäle in anderen Ländern sind sie auf keinen Fall. Sie wissen sehr wohl, was internationale Konfrontation bedeutet. Sie sind sich darüber im Klaren, dass Entwicklung der Streitkräfte und Kampfbereitschaft mit sozialer Absicherung der Militärangehörigen und der wirtschaftlichen Lage Hand in Hand gehen. Das begreift man, ich kann Sie versichern. (...)

Man könnte nach der Taktik, nach dem Tempo der Veränderungen fragen. Aber das ist schon eher eine Ansichtsfrage und - ich wiederhole - eine Frage der Taktik. In Russland gibt es wirklich keine ernsthaften Gegner der Entwicklung guter Beziehungen mit den führenden Staaten der Welt, auch mit der NATO. (...)

(Adam Michnik)

Viele sind der Ansicht, Präsident Putin lasse sich nicht in eine Schublade stecken. Er ist weder ein Linker, noch ein Rechter, noch ein "Westler", noch ein Slawophiler...

(Wladimir Putin)

Sie erwähnten einen gemeinsamen Freund. Sobtschak war genau ein solcher Mensch. Für ihn gab es keine unanfechtbaren Autoritäten, weder links noch rechts. Wenn er feststellte, dass einer seiner traditionellen Verbündeten von der demokratischen Opposition sich irrt, dann sprach er dies auch direkt und unumwunden aus. Wenn es Gründe dafür gab, dann kritisierte er auch die linke Seite auf unserer Bühne. Das ist die einzig richtige Haltung. (...)

(Adam Michnik)

Ich war damals noch jung, aber ich erinnere mich an eine Diskussion zwischen Aleksandr Solschenizyn und Andrej Sacharow. Ist das Thema in Russland noch aktuell?

(Wladimir Putin)

Was meinen Sie? Bitte helfen Sie mir auf die Sprünge.

(Adam Michnik)

Im "Brief an die Führung der Sowjetunion" stellte Solschenizyn die These auf, dass es in Russland niemals eine demokratische Ordnung geben werde. Sacharow antwortete, Russland sei ein normales Land und hier sei genau wie anderswo Demokratie möglich.

(Wladimir Putin)

Es kommt darauf an, was Solschenizyn und Sacharow meinten. Vielleicht meinten sie ein und dasselbe? Aber wir wissen, wie originell die Ansichten Aleksandr Solschenizyns sind. Er liebt die russische Geschichte und greift nur auf sie zurück, wenn er die Gegenwart analysiert oder über die Zukunft nachsinnt. Russland hat in der Tat seine Besonderheiten, wie jedes Land. Es gibt aber allgemeine Grundsätze, ohne die es beim Aufbau Russlands nicht geht. Dazu gehören die Grundsätze der Demokratie und der Freiheit.

(Adam Michnik)

Und wie lässt sich der Aufbau einer normalen Demokratie mit der Schließung des oppositionellen Fernsehsenders NTW vor einem Jahr und dem kürzlichen Versuch, den Fernsehsender TW-6 zu schließen, vereinbaren? Und die Liquidierung der Zeitung SEWODNJA?

(Wladimir Putin)

Ehrlich gesagt, ich wusste gar nicht, was mit der Zeitung SEWODNJA geschah. Ich höre zum ersten Mal, dass es sie nicht mehr gibt. Die Sache mit NTW und TW-6 ist mir natürlich nicht entgangen. Hier gibt es mehrere Aspekte. Erstens, einen rein rechtlichen. Wenn ich Vorwürfe höre, man versuche die Demokratie zu ersticken, dann begreife ich nicht, was man von uns will. Will man, dass wir die Möglichkeit nutzen, einfach zum Hörer zu greifen und uns in Angelegenheiten der Gerichte einzumischen? (Das Oberste Schiedsgericht ordnete Anfang Januar die Schließung des letzten Kreml-unabhängigen Fernsehsenders TW-6 an, allgemein herrscht aber die Meinung, hinter dem Urteil stehe die Regierung - die Red.). Also, wäre es denn besser, wenn die Organe der Administration den unabhängigen Gerichten diktieren, was sie zu tun haben? Wäre das denn demokratisch? Mit Sicherheit nicht. Das gilt für NTW und noch mehr für TW-6, zumal in beiden Fällen unabhängige wirtschaftliche Strukturen miteinander im Streit sind, mit denen der Staat praktisch nichts zu tun hat.

Wir sollten lieber über den Kern der Sache reden. Freie Medien sind bei uns erst im Entstehen. Wir sollten ihnen helfen, sollten eine wirtschaftliche Grundlage schaffen, auf der sie arbeiten können, ohne nur durch die finanzielle Unterstützung von Eigentümern, die in den Redaktionen das Sagen haben, am Leben zu bleiben. Andernfalls wird es einen vollwertigen demokratischen Staat nicht geben.

Hier dürfen keine Zweifel bleiben, insbesondere weil nach dem Zerfall der Sowjetunion bei uns die Gefahr aufgetaucht ist, dass Russland den oligarchischen Weg beschreitet. Einzelne Leute, die den Machtorganen nahe gekommen und sie teilweise monopolisiert haben, nahmen Einfluss auf die politischen Prozesse, ohne sich dabei vom gesamtnationalen Interesse leiten zu lassen und die demokratischen Werte missachtend. Mehr noch, sie benutzten die Machtorgane, um Gruppeninteressen zu vertreten und häuften - oft auf rechtswidrigem Weg und unter anderem durch Privatisierung - materielle Werte an.

Wie oft ist in den westlichen Medien darüber geredet worden! Wie oft und mit welcher Bestürzung. Denn bei uns ist es häufig so, dass ein Mensch, der nach dem Konsum von Wodka dem Nachbarn in die Fresse haut, fünf Jahre wegen Hooliganismus bekommt. Wer einen Sack Kartoffeln stiehlt, kommt ebenfalls ins Gefängnis. Aber der, der rechtswidrig an ein Vermögen von zig- oder Hunderten von Millionen Dollar kommt, der ist politischer Aktivist.

Diese Leute haben mit Demokratie nichts zu tun. Wenn sie sich Massenmedien unterordnen, verteidigen sie nicht die Freiheit des Wortes, sondern die eigenen Interessen.

Ich wiederhole: Um die Grundlage für eine wirklich freie Presse zu schaffen, müssen die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Daran werden wir gleichzeitig arbeiten, indem wir das Gerichts- und das Verwaltungswesen stärken.

(Adam Michnik)

Das Allrussische Meinungsforschungszentrum hat im Auftrag unserer Redaktion in Russland eine Umfrage im Zusammenhang mit einer polnischen Umfrage über die Gegenwart und die Vergangenheit der polnisch-russischen Beziehungen durchgeführt. Auf die Frage, ob sich Polen gegenüber Russland historisch schuldig fühlen sollte, antworteten 30 Prozent der befragten Russen mit "Ja". Die Befragten machten Polen den Mangel an Dank für die Opfer, die die Rote Armee im Kampf gegen die Deutschen auf polnischem Boden gebracht hat, zum Vorwurf. Sie waren auch mit den tschetschenischen Zentren in Polen nicht einverstanden.

(Wladimir Putin)

Mein Kommentar wird wohl kaum überraschen. Ich ziehe es vor, Polen dafür zu lieben, dass es der Menschheit Chopin geschenkt hat. Ich ziehe es vor, euch wegen Mickiewicz zu lieben. Wegen des polnischen Geistes und des polnischen Wesens. Meine Sorge ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass unser gemeinsamer Handel so unausgeglichen ist. Wir haben so viele gemeinsame Interessen, dass wir gerade diese Probleme, die Probleme des heutigen Tages, gemeinsam lösen sollten. Und wenn wir anfangen, wie Leute in einer gemeinsamen Küche, uns gegenseitig zu behindern und in alten Problemen oder Problemchen herumstochern, dann werden wir nicht an die Zukunft denken. Dann werden wir zulassen, dass uns Dinge, die längst vergangen sind, nicht in Ruhe lassen und wir nicht vorankommen. Das wäre ein Fehler.

(Adam Michnik)

Welchen russischen Schriftsteller lieben Sie am meisten?

(Wladimir Putin)

Dostojewskij, Tolstoj, Lermontow. Aber auch Blok, Mandelstam.

(Adam Michnik)

Mandelstam? Wir publizierten ihn noch in der Zeit der Diktatur im Untergrund... Aber lassen Sie uns zur Politik zurückkehren. Es gab eine innerrussische Debatte darüber, was Russland ist. Ist es Europa, ist es Eurasien oder ist es, wie hin und wieder zu hören ist, Asjopa? Wie stehen Sie dazu? Ist Russland ein euroasiatisches oder ein europäisches Land?

(Wladimir Putin)

Wissen Sie, ich habe für das Akademiemitglied Dimitrij Lichatschow sehr viel Achtung. Es fällt schwer, seiner Ansicht, das Wesen eines jeden Landes sei seine Kultur, nicht zuzustimmen. Geografisch gesehen ist Russland natürlich ein euroasiatisches Land. Aber ohne die enormen Unterschiede im Lebensstandard zwischen uns und Westeuropa zu vergessen, müssen wir doch zugeben, dass sowohl hier als auch dort Menschen mit derselben Kultur leben. Und in diesem Sinne ist Russland ein europäisches Land. Darüber kann kein Zweifel bestehen. Das ist so, als würde man die Frage stellen, ob Australien ein europäisches oder ein asiatisches Land ist. Oder die Vereinigten Staaten.

(Adam Michnik)

Natürlich ist die europäische Kultur ohne Prokofjew, Dostojewskij, Tschechow, Tschajkowskij nicht denkbar... Aber nicht die gesamte russische Intelligenzija würde so eindeutig zur Antwort geben, Russland sei Europa.

(Wladimir Putin)

Es stimmt, dass die Frage, die Sie gestellt haben, ein ewiges Thema unseres Lebens ist. Russland ist natürlich ein besonderes Land, mit seiner reichen Geschichte, mit seinen Besonderheiten. Aber jedes Land hat seine Besonderheiten. Russland unterschiedet sich diesbezüglich in keiner Weise von anderen europäischen Ländern. Aber es ist ein Land mit europäischer Kultur, das heißt, ein europäisches Land.

(Adam Michnik)

Und welchen Platz hat Stalin in Russlands Geschichte?

(Wladimir Putin)

Hm, diese Frage ist ein wenig provokativ.

(Adam Michnik)

Ein wenig?

(Wladimir Putin)

Ja, ein wenig...Haha!...Stalin. Natürlich ist es ein Diktator. Das steht außer Zweifel. Es ist ein Mensch, der sich großenteils nur von dem Bestreben leiten ließ, an der Macht zu bleiben. Und das erklärt vieles. Das Problem ist, dass das Land unter seiner Führung den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat und dieser Sieg zum großen Teil mit seinem Namen verbunden wird. Es wäre töricht, diese Tatsache zu ignorieren. So, das wäre meine unvollständige Antwort... (...)

(Adam Michnik)

Und wie, Herr Präsident, sehen Sie beim weiteren Aufbau der Demokratie das Tschetschenien-Problem? Was wird mit Tschetschenien, Herr Präsident?

(Wladimir Putin)

Hier gibt es nichts Besonderes. Wir kennen die Vorgeschichte des Problems. Wir wissen, wie sich alles seit Jahrhunderten entwickelt. Ich habe oft in der Öffentlichkeit darüber gesprochen. Ich kann nur wiederholen: Wir sehen in Tschetschenien eine gewisse Symbiose aus Separatismus, internationalem Extremismus und extremem islamischem Fundamentalismus. (...)

Wir unterstützen den Separatismus in andren Ländern nicht und zählen darauf, dass auch der Separatismus in Russland keine Unterstützung findet. (...) Wir stellen fest, dass Terrorismus, Fundamentalismus und Extremismus sich am besten in Gebieten entwickeln, die nicht der Kontrolle von Regierungen unterliegen, die von der internationalen Gemeinschaft anerkannt worden sind. Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen.

Das bedeutet nicht, dass wir die rechtmäßigen Forderungen eines Volkes nicht berücksichtigen. Das trifft gleichermaßen auch für das tschetschenische Volk zu. Unsere Armee führt dort in Wirklichkeit keine bewaffneten Kämpfe, es sind nur lokale Operationen. Gleichzeitig findet ein politischer Dialog mit der Bevölkerung statt, mit jenen, die diesen Dialog wünschen. Nur der Dialog kann eine endgültige Lösung herbeiführen. Wir haben vor, diesen Weg zu beschreiten. (...)

Das Interview für die Zeitung GAZETA WYBORCZA fand am Montagabend (14.1.) im Kreml statt. An dem Gespräch nahm auch der Moskauer Korrespondent dieser Zeitung, Waclaw Radziwinowicz, teil. (TS)