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Ich bin (k)ein Berliner

Marcel Fürstenau26. Mai 2003

Die deutsch-amerikanische Beziehungskrise dauert an. Nach der großen Politik streiten sich jetzt auch noch Berlins Bezirk Spandau und Boca Raton, schreibt Marcel Fürstenau und macht einen Lösungsvorschlag.

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Über das angespannte deutsch-amerikanische Verhältnis ist in den vergangenen Monaten viel geschrieben worden. So unterschiedlich die Meinungen zu diesem heiklen Thema waren und sind, in einem Punkt schien Einigkeit zu bestehen: Die gegenseitig gepflegte Abneigung war eine auf Regierungsebene. Kanzler Schröder und Präsident Bush können sich einfach nicht riechen, weshalb sie nicht einmal mehr miteinander telefonieren.

Der deutsch-amerikanischen Freundschaft zwischen Menschen wie dich und mich können diese Kindereien von Politikern doch nichts anhaben – dachte ich. Ein Irrtum, wie sich nun herausstellt. Der Bürgermeister von Boca Raton im sonnigen Florida hat seinem Amtskollegen im Berliner Bezirk Spandau die seit den 1970-er Jahren bestehende Städtepartnerschaft aufgekündigt, "weil sie uns gegenseitig nicht mehr nützlich ist". So steht es in einem Brief, der vor kurzem im Spandauer Rathaus eingetroffen ist.

Transatlantische Sprachlosigkeit

Persönlich gesprochen haben die Bürgermeister darüber nicht. Was vielleicht hilfreich gewesen wäre, um zu klären, warum ein früherer Brief erst gar nicht in Berlin eingetroffen ist, wie es offiziell heißt. Darin will sich das Stadtoberhaupt von Boca Raton darüber gewundert haben, dass in der Partnerstadt Spandau Bürger gegen die Rückbenennung der ‚Kinkelstraße‘ in ‚Jüdenstraße‘ protestiert haben, wobei angeblich antisemitische Parolen skandiert worden sein sollen.

Alles Mutmaßungen, die einer Städtepartnerschaft abträglich sein können. Aus Spandau ist nun zu vernehmen, die aus Zeiten stammende Liaison, als Berlin noch durch eine Mauer geteilt war, sei schon seit Jahren abgekühlt. Und in Boca Raton beeilt man sich zu betonen, die kritische Haltung Deutschlands zum US-Krieg im Irak sei nicht der Grund für den Liebesentzug. Komisch nur, dass es gerade jetzt passiert. Ein symbolisch anmutender Akt, den viele bedauern werden. Jetzt kommt es darauf an, den angerichteten Schaden zu beseitigen. Und weil Symbole anscheinend so wichtig sind, bietet sich schon bald eine denkbar günstige Gelegenheit:

Am 26. Juni jährt sich zum 40. Mal jener Tag, an dem der damalige US-Präsident John F. Kennedy nach einem Triumph-Zug durch den freien Westteil der Stadt hundertausenden Menschen seine berühmten auf deutsch gesprochenen Worte zurief: "Ich bin ein Berliner!" Eine Geste der Verbundenheit, die als Vorbild diente für alle späteren US-Präsidenten. Nicht einer verließ die Stadt, ohne einen deutschen Satz gesprochen zu haben.

Tennis-Legenden als Retter

Und weil wir in Berlin nicht warten wollen, bis George W. Bush eines Tages als dann ehemaliger US-Präsident bei einem Berlin-Besuch auf deutsch sagen wird: "Ich finde Euch trotz allem ganz nett" – um das nicht erleben zu müssen, sollten sich die Bürgermeister von Boca Raton und Berlin-Spandau ein Herz nehmen und ihre Städtepartnerschaft erneuern. Als Paten kämen zwei Tennis-Legenden in Frage, die in Boca Raton leben: die deutsche Steffi Graf und ihrer amerikanischer Ehemann André Agassi.