1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ich bin ein politischer Mensch"

Das Interview führte Steffen Leidel 8. September 2005

Hollywood-Kameramann Michael Ballhaus macht kein Geheimnis aus seiner Sympathie für Gerhard Schröder. Im Interview mit DW-WORLD spricht er über die Neuwahlen und erklärt, warum Leonardo DiCaprio Deutschland gut findet.

https://p.dw.com/p/78po
Ballhaus: "Wir verfolgen ängstlich, wie das so weitergeht"Bild: AP

DW-WORLD: Herr Ballhaus, Sie hatten mir im Vorgespräch gesagt, Sie müssten derzeit sehr hart arbeiten. Was tun Sie gerade?

Michael Ballhaus: Der Film, den ich gerade drehe, heißt "The Departed" (Remake des chinesischen Thriller "Infernal Affairs"; Anm. d. Red.). Der Regisseur ist Martin Scorsese, die Schauspieler sind unter anderem Leonardo DiCaprio, Matt Damon und Jack Nicholson, also eine absolute Superstar-Besetzung. Das ist mein siebter Film mit Scorsese. Ein sehr, sehr schönes Projekt. Wir sind jetzt in der 20. Drehwoche und haben noch 14 Tage vor uns und dann ist der Film zu Ende.

Wenn Sie so hart und viel arbeiten, bekommen Sie da noch mit, was in Deutschland passiert?

Ja, meine Frau und ich, wir bekommen sehr viele Nachrichten mit, weil wir sehr interessiert sind an Deutschland. Meine Frau kauft regelmäßig deutsche Zeitungen, sie kauft die FAZ oder den Spiegel. Und wenn ich Zeit habe, schaue ich da auch rein und lese das. Wir sind informiert, zwar nicht im Detail, aber im Groben.

Welche Nachrichten interessieren Sie am meisten?

Im Moment sind wir besonders an den Wahlen interessiert, was da mit Deutschland passieren wird und verfolgen ängstlich wie das so weiter geht. Uns hat aber gefreut, dass Gerhard Schröder wohl ganz gut im TV-Duell abgeschnitten hat.

Reden Sie am Set über deutsche Politik, wird das überhaupt thematisiert?

Es wird nicht sehr viel über deutsche Politik gesprochen. Mit Leonardo DiCaprio spreche ich manchmal über deutsche Politik, weil er in gewisser Weise Deutscher ist und auch ein wenig Deutsch spricht. Er hat ja eine deutsche Mutter und Großmutter. Aber ansonsten wird relativ wenig darüber gesprochen. Ich muss dazu sagen, es wird am Set überhaupt verhältniswenig über etwas anderes gesprochen als über die Arbeit am Film.

Was für eine Meinung hat denn Leonardo DiCaprio von der deutschen Politik? Ist Bundeskanzler Schröder für ihn ein Begriff?

Ja, das ist für ihn ein Begriff. Der findet das sehr gut, was in Deutschland passiert. Er ist ein sehr umweltbewusster Mensch, der sehr verfolgt, was im Ausland in Sachen Umweltschutz getan wird. Deshalb findet er es toll, was in Deutschland im Vergleich zu Amerika an fortschrittlichen Dingen passiert ist.

Welches Image hat Deutschland unter Ihren Kollegen vom Film? In Deutschland ist die Stimmung derzeit ja nicht so gut aufgrund der wirtschaftlichen Lage.

Soweit ich das beurteilen kann – wir sprechen ja, wie gesagt, nicht so oft über Deutschland - hat Deutschland einen sehr hohen Stellenwert bei den Amerikanern. Die sehen Deutschland als ein sehr fortschrittliches, soziales Land, wo das soziale Netz ist sehr viel sicherer ist als in Amerika.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie für Gerhard Schröder sind. Auf der Internetseite der SPD werden Sie und Ihre Frau als prominente "Unterstützer" aufgeführt. Wie kommt das?

Meine Frau und ich haben Schröder persönlich kennen gelernt. Wir waren ein paar Mal ins Kanzleramt eingeladen zu Gesprächen, zu den Kulturabenden. Ich hatte mit ihm persönlich ein paar sehr interessante Gespräche. Ich schätze die Person Gerhard Schröder sehr, nicht nur den Politiker. Ich halte ihn für eine sehr starke Persönlichkeit. Es ist ein Mann, der zuhören kann, der im Ausland einen sehr hohen Stellenwert hat. Er ist ein sehr charismatischer Politiker.

Auf der Internetseite steht auch: "Unsere amerikanischen Freunde beneiden uns um diesen Kanzler." Wie ist das zu verstehen?

Sie beneiden uns um den Kanzler, denn sie hätten gern einen Präsidenten von der Qualität von Gerhard Schröder. Denn dann wären die Amerikaner nicht in der Bredouille in einem Krieg in Irak zu sein. Es war eine Großtat von ihm aus der Sicht unserer amerikanischen Freunde, dass er gesagt hat, dass Deutschland nicht mit in den Krieg geht. Ich weiß nicht, wie Frau Merkel in einer solchen Situation entschieden hätte.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, was Michael Ballhaus von einem Regierungswechsel in Deutschland hält und ob sich Gerhard Schröder als Hauptdarsteller für einen Hollywood-Streifen eignen würde.

Würden Sie sich denn als politischen Menschen bezeichnen?

Ich glaube schon, dass ich mich als politischen Menschen bezeichnen könnte. Mich interessieren solche Dinge sehr.

Fürchten Sie sich vor einem politischen Wechsel in Deutschland?

Fürchten ist vielleicht das falsche Wort. Es ist nicht zu vergleichen mit der Situation in Amerika. Ich glaube einfach nicht, dass es die anderen besser machen können. Schröder und die rot-grüne Koalition haben meiner Meinung nach eine Reform eingeleitet, die fällig war seit etwa 20 Jahren. Herr Kohl hätte das schon machen müssen. Jeder, der diese Reform anpackt, muss bei den Wählern in Misskredit fallen, weil es einfach Opfer verlangt von jedem. Vielleicht war es ein Fehler der rot-grünen Regierung, dass sie es dem Volk nicht genug klar gemacht haben, in welcher finanziellen Situation dieses Land ist und dass das Sozialsystem einfach nicht mehr zu bezahlen ist. Und jetzt werden sie dafür abgestraft. Die anderen werden es nicht besser machen können. Sie müssen die Reformen weiter führen.

Sie sehen in Schröder eine charismatische Person. Wäre Schröder denn ein geeignetes Objekt für einen Hollywood-Streifen?

Das glaube ich sicher. Er ist eine sehr starke Person, jemand der eine Verbindung zum Volk hat, der weiß auch, was die einfachen Leute brauchen. Schröder kommt aus einer einfachen Familie und er hat sich zu etwas entwickelt, das ganz enorm ist. Also ich glaube sicher, dass es in paar Jahren einen Film über ihn geben wird, wo seine Verdienste gewürdigt werden.

Sie pendeln ja sehr viel: New York, Berlin und Franken. Gibt es einen Ort, der für Sie Heimat ist?

Auf jeden Fall: Berlin ist die Heimat. Ich bin dort geboren. Berlin ist für mich und meine Frau die schönste Stadt, die es gibt. Und ich glaube wirklich, dass Berlin im Moment zu den schönsten Städten der Welt gehört.

Und welche Rolle spielt Franken in Ihrem Leben?

Ich bin in Franken groß geworden. Für mich ist das immer noch so die Scholle. Aber die richtige Heimat, unser Zuhause ist Berlin. Wir kommen aber schon noch öfters nach Franken. In Maßbach ist das Theater meiner Eltern, die beide tot sind, aber das wird von meiner Nichte nun weitergeführt. Außerdem leben meine Schwester und mein Schwager in Bamberg. Und wir haben noch ein Häuschen in Franken.

Der Kameramann Michael Ballhaus (geb. 1935) gehört neben Roland Emmerich, Wolfgang Petersen und dem Komponisten Hans Zimmer zur Riege der erfolgreichsten Hollywood-Deutschen. Bekannt wurde er vor allem durch seine Arbeit mit Rainer Werner Fassbinder den 1970er Jahren. Er hat inzwischen an die 40 Filme in den USA gedreht. Dazu gehören "Bram Stoker's Dracula" von Francis Ford Coppola oder "Outbreak" von Wolfgang Petersen. Mit Martin Scorsese verbindet ihn eine enge Freundschaft. Ballhaus drehte mit ihm u.a. "Die Farbe des Geldes", "GoodFellas" (1990), "Gangs of New York" (2002). Der aktuelle Film "The Departed" ist das siebte gemeinsame Projekt. Ballhaus war bereits dreimal für den Oscar nominiert.