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Hürdenlaufen in der Politik

Kay-Alexander Scholz23. Dezember 2013

Der Blick zurück auf die Parteienlandschaft des Jahres 2013 zeigt: So dynamisch ging es in Deutschland schon lange nicht mehr zu. Es gab viele Verlierer, Auf- und Absteiger und eine große Gewinnerin.

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Hürden beim Hürdenlauf (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/cxvalentina

Auch die Christdemokraten hatten sich in den letzten Jahren an eher sinkende Umfragewerte gewöhnen müssen. Denn von Politkennern und Medienprofis hieß es fast unisono: Klassische Volksparteien hätten keine Zukunft mehr. Das Ergebnis der Bundestagswahl war auch deshalb so überraschend, weil die CDU es sicher über die 40-Prozent-Hürde - den "Volksparteien-Schwellenwert" - schaffte. Bei den bayerischen Landtagswahlen kurz zuvor holte die Schwesterpartei CSU, die Christlich-Soziale Union, sogar fast 48 Prozent der Stimmen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, frohlockte, die These vom Ende der Volksparteien sei nun widerlegt. Weitere Unionspolitiker schlossen sich dem Urteil an.

Die kommenden Landtagswahlen 2014 in Thüringen und Sachsen könnten den Trend stützen. Auch hier sagen manche Demoskopen für die CDU den Sprung über die 40-Prozent-Hürde voraus. Sie könnte in Dresden oder Erfurt möglicherweise allein regieren - so wie derzeit schon die CSU im bayerischen München. Sogar im Bund fehlten am Wahlabend am 23. September nur wenige Prozentpunkte und Angela Merkel hätte auf einen Koalitionspartner in Berlin verzichten können.

Angela Merkel freudig schauend am Abend der Bundestagswahl (Foto: Getty Images)
Eine dritte Amtszeit für Angela MerkelBild: Getty Images
Bundestagswahl 2013: Amtliches Endergebnis (Grafik: DW)

Die großen Verlierer

Doch die Union hat ein Problem: Die FDP, ihr klassischer Koalitionspartner, erlebte im vergangenen Jahr dunkle Stunden. Was viele für undenkbar hielten, bewahrheite sich am Wahlabend. Die Liberalen flogen aus dem Bundestag - sie lagen unter der Fünf-Prozent-Hürde, die über den Einzug in den Bundestag entscheidet. Der jahrelang geführte Streit über Personal und Programmatik endete für die Partei in der außerparlamentarischen Opposition. Von hier aus will die FDP nun neustarten. Doch die Startposition ist nicht günstig. Auch in den Ländern sind die Liberalen nur noch schwach vertreten, einzig in Sachsen sind sie an einer Landesregierung beteiligt.

Bitter war der Wahlabend auch für die Piratenpartei. Die Newcomer konnten ihren im Sommer 2012 begonnenen Abstieg nicht stoppen. Mit einem mageren Ergebnis von weniger als drei Prozent der Stimmen fallen sie nun wieder in die Rubrik "Sonstige Parteien". Es fehlte den Piraten an Personal und Programm, um mehr als nur ein kurzlebiges, übertriebenes Medienthema zu sein. Selbst aus der NSA-Spionageaffäre, eigentlich ein dankbares Thema für die selbsternannte Internet-Partei, konnten sie kein Kapital schlagen. Die neue Führungsmannschaft, seit November im Amt, wird sich mühen müssen. Auch weil viele Medien das Interesse an den Piraten verloren haben.

Rechts und links von der Mitte

Lieblingsobjekt der Medien waren 2013 nicht mehr die Piraten, sondern die "Alternative für Deutschland", kurz: AfD. Die Partei um den Eurokritiker Bernd Lucke gründete sich erst im Frühling 2013 und schaffte es im Herbst zur Bundestagswahl dennoch beinahe über die Fünf-Prozent-Hürde. Quasi wie aus dem Nichts zog die AfD mit ihrer Anti-Euro-Rettungspolitik beachtlich viele bürgerliche Wähler von FDP, CDU/CSU aber auch von der Linkspartei an. Doch noch hat die Partei kein ordentliches Programm. Und auch in der AfD gibt es heftige personelle Streitereien. Es bleibt abzuwarten, ob und mit welchen Inhalten sich die "Alternative" etablieren kann. Möglicherweise als rechtspopulistische Partei, wie in manchen Nachbarstaaten? Die Parteiführung weist dieses Profil bisher von sich. Dennoch weisen Sprache, Auftreten und innerparteiliche Organisation auf diese Richtung. Wichtige Wegmarke wird für die Partei die Europawahl im Mai werden: Schafft sie es über die Drei-Prozent-Hürde, um ins Europaparlament einzuziehen?

Ebenfalls jenseits der politischen Mitte steht die Linkspartei. Sie hat es - trotz leichter Wahlverluste - geschafft, zur stärksten Oppositionspartei im Bundestag aufzusteigen. Die Partei trat im Wahlkampf geschlossen und profiliert auf. In Ostdeutschland liegen die Linken stabil bei rund 20 Prozent, nur im Westen laufen ihr die ohnehin schon wenigen Wähler davon.

Die Juniorpartner

Von davon gelaufenen Wählern können auch die Grünen berichten. Zu Jahresbeginn hatten manche sie schon zur dritten Volkspartei erklärt. Diese Zeiten sind vorbei. Debatten um Steuererhöhungen, Essensvorschriften und die teure Energiewende im Wahlkampf ließen die Grünen auf ihre Stammwählerschaft schrumpfen. Nach der Wahl traten dann auch noch wichtige Vertreter der Gründergeneration ab - und wurden durch (noch) blasse Nachfolger ersetzt. Erschwerend kommt hinzu: Die Partei kann sich nicht so recht entscheiden, ob sie nun eine programmatischen Linksschwenk oder aber einen Schwenk hin zur konservativen CDU machen möchte. Das frische Regierungsbündnis zwischen CDU und Grünen im Bundesland Hessen könnte den Weg weisen, speziell auch für die Bundestagswahl 2017.

Doch noch regiert die CDU mit der anderen Volkspartei in Deutschland, der SPD. Die Sozialdemokraten verloren die Wahl mit 26 Prozent und lagen damit weit hinter der Union. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück konnte sich im Wahlkampf gegen Angela Merkel nicht behaupten. Die SPD befindet sich nun dort, wo sie eigentlich nicht mehr sein wollte: als Juniorpartner von CDU/CSU in einer großen Koalition. Dieses Bündnis regierte Deutschland auch zwischen 2005 und 2009, es war Merkels erste Amtszeit. Gewinner war damals die CDU. Wie das Spiel wohl dieses Mal ausgehen wird?

Einigung auf große Koalition: Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (rechts, CSU) mit den Koalitionsverträgen (Foto: REUTERS/Tobias Schwarz)
Einigung auf große Koalition: Sigmar Gabriel (SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (rechts, CSU)Bild: Reuters