1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Höherer Mindestlohn kostet keine Jobs

23. Juni 2016

Schon die Einführung des Mindestlohns hatte für hitzige Diskussionen gesorgt. Nun ist das Geschrei groß in der Wirtschaft gegen eine Erhöhung der Lohnuntergrenze. Doch Arbeitsmarktforscher raten zur Gelassenheit.

https://p.dw.com/p/1JBwM
Deutschland Nebenjob Symbolbild Putzkraft
Bild: picture-alliance/Sven Simon

Die geplante Erhöhung des Mindestlohns um voraussichtlich drei Prozent stellt nach Experten-Einschätzung kein Risiko für den Arbeitsmarkt dar. "Der deutsche Arbeitsmarkt ist in einer soliden Verfassung. Ich sehe daher nicht, dass die geplante moderate Anpassung des Mindestlohns zu steigender Arbeitslosigkeit führt", sagt der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB, Joachim Möller, der Deutschen Presse-Agentur.

Das IAB ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Mindestlohn-Kommission muss laut Gesetz bis zum 30. Juni über eine Anpassung der Lohnuntergrenze entschieden haben. Dem Fahrplan zufolge soll die Entscheidung am kommenden Dienstag (28. Juni) fallen.

Spielraum ist vorhanden

Den von einigen Wirtschaftsverbänden geforderten Verzicht auf eine Mindestlohn-Erhöhung hält Möller für "nicht angebracht". Die aktuelle Lohnentwicklung biete durchaus Spielraum für eine Anhebung der bisher bei 8,50 Euro liegenden Lohnuntergrenze. Zum anderen gebe es klare gesetzliche Vorgaben für eine Mindestlohn-Erhöhung. Lediglich in Krisenzeiten könne über eine Aussetzung solcher Anpassungen geredet werden. "Das sehe ich im Moment aber nicht", unterstrich Möller.

Auch das Argument, eine moderate Erhöhung des Mindestlohns erschwere die Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt, hält der Arbeitsmarktforscher nicht für stichhaltig. "Da gibt es im Moment ganz andere Probleme: die fehlenden Sprachkenntnisse vieler Flüchtlinge, ihre Qualifikation und die Anerkennung ihrer beruflichen Kenntnisse. Verglichen damit ist die Frage, ob der Mindestlohn um 30 Cent steigt, kein wirklich relevantes Thema. Die Flüchtlingsintegration wird daran nicht scheitern", betonte Möller.

Anderswo steigen Mindestlöhne stärker

Dabei erinnerte er daran, dass sich etwa in Großbritannien und Teilen der USA die geplanten Erhöhungen des Mindestlohns auf einem ganz anderen Niveau bewegen. In Großbritannien beispielsweise erhöhe man den Mindestlohn bis zum Jahr 2020 auf umgerechnet 11,50 Euro.

In den USA werde in Los Angeles im Jahr 2020 ein Mindestlohn von 15 US-Dollar (umgerechnet 13,28 Euro) gezahlt. "Ich denke, dass wir da in Deutschland bei der gesetzlichen Mindestlohn-Regelung mit Augenmaß vorgegangen sind", sagte Möller. Bei Ländervergleichen muss aber oft auch die unterschiedliche Kaufkraft betrachtet werden.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Bei der Diskussion um eine aktuelle Mindestlohn-Anpassung bleibt nach seiner Ansicht lediglich die Frage, ob man die jüngsten, aber erst später wirksam werdenden und relativ hohen Tarifabschlüsse der Metall- und Elektroindustrie und des öffentlichen Dienstes bereits bei der anstehenden Mindestlohn-Entscheidung berücksichtigt. Dabei müsse man sich klar machen: "Wenn die Tariferhöhungen jetzt nicht einbezogen werden, werden sie sich in der nächsten Anpassungsrunde in zwei Jahren niederschlagen."

Insgesamt hat sich der Mindestlohn rund eineinhalb Jahre nach seiner Einführung nach Erkenntnissen des Institutschefs als Erfolg erwiesen. Die Regelung habe vielen Menschen zu höheren Einkommen verholfen. Zwar seien einige Minijobs wegfallen, etliche davon aber in sozialversicherungspflichtige Stellen umgewandelt worden. Vorrangig in Teilen Ostdeutschlands hätten sich einige Arbeitgeber über den Mindestlohn beklagt. "Das sind aber aus unserer Sicht eher Einzelfälle."

wen/ul (dpa)