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Hässlicher Ballenzeh: Hallux valgus

20. August 2015

Er entstellt den Fuß, der in keinen Schuh mehr passt. Weltweit leiden mehr als 23 Prozent Frauen darunter, vor allem in den Industrienationen. Dr. Stephan von Rüdiger sagt, wann operiert werden sollte.

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Fuß mit Hallux Valgus
Bild: privat

DW: Wie entsteht eigentlich ein Hallux valgus?

Dr. Stephan von Rüdiger: Es handelt sich hier um eine Bindegewebsschwäche, meistens erblich bedingt, die dazu führt, dass die Bänder und das Bindegewebe den Fuß, vor allem bei Belastung, nicht so gut zusammenhalten. Es kommt zu einem Aufspreizen des Fußes, ein sogenannter Spreizfuß entsteht, wodurch dann der erste Mittelfußknochen mit seinem Köpfchen nach innen heraustritt und einen Ballen bildet. Die Großzehe geht dabei in die Schiefstellung, den sogenannten Hallux valgus. Hallux heißt übersetzt Großzehe und valgus bezeichnet die Richtung der Fehlstellung. Es kommt dann zu einem Ungleichgewicht der Muskel- und Sehnenzüge, die den Zeh dann noch mehr in diese Hallux valgus Stellung ziehen.

Tragen auch zu enge und zu hohe Schuhe dazu bei, einen Hallux valgus zu entwickeln?

Das ist sicher auch ein Faktor, der aber überbewertet wird. Es gibt Studien aus Afrika, in denen schwarze Frauen untersucht worden sind, die Zeit ihres Lebens nur barfuß gelaufen sind: und auch dort treten Hallux valgus Fehlstellungen auf. Daraus kann man schließen, dass es nicht nur die Schuhe sein können. Aber, hochhackige Schuhe sind nicht günstig, erzeugen einen starken Druck auf die Gelenke und führen dort auch zu Fehlstellungen Schädigungen in den Gelenken, und können die Entstehung eines Hallux valgus begünstigen.

Ist der Hallux valgus ein kosmetisches oder medizinisches Problem?

Anfangs ist es nur ein kosmetisches Problem, kann aber schnell zu einem medizinischen Problem werden. Durch diese Fehlstellung treten dann Beschwerden auf, zunächst im Bereich des Ballens. Es folgen Druckbeschwerden im Bereich der Großzehe, die sich gegen die zweite Zehe lehnt und auch hier für Druck sorgt. Dann werden auch die nachbarschaftlichen Strukturen beeinflusst, sodass sich dadurch die Fehlstellungen fortsetzen. Zum Beispiel können sich so Krallen- und Hammerzehen bilden. Bei solchen Beschwerden raten wir zu einer Operation.

Wie behandelt man einen Hallux valgus?

Wenn das Krankheitsbild noch nicht so weit fortgeschritten ist, z.B. bei einem jungen Patienten, bei dem ein Spreizfuß und ein beginnender Ballen vorliegt, und der noch keine Beschwerden hat, würde ich nicht operieren. Aus prophylaktischen Gründen würde ich aber auf jeden Fall Einlagen und vielleicht Physiotherapie empfehlen. Bei Kleinkindern noch nicht, da kann sich alles von alleine noch zum Guten entwickeln. Also auf jeden Fall erst mal Anwendung von konservativen Methoden.

Wann sollte operiert werden?

Wenn der Patient Beschwerden hat und bereits alle konservativen Methoden ausgeschöpft sind, dann ist eine Operation angezeigt. Wenn die Beschwerden noch nicht so stark sind, kann es sein, dass wir trotzdem zu einer Operation raten, weil wir wissen, dass das Krankheitsbild weiter fortschreitet und dadurch dann weitere Schäden entstehen, wie wir es auch bei vielen Patienten beobachtet haben. Zum Beispiel Arthrose. Und je weiter die Fehlstellung fortgeschritten ist, desto komplizierter und aufwendiger wird die Korrektur. Früher haben wir so spät wie möglich operiert, weil die damaligen Methoden so schlechte Ergebnisse gebracht haben. Heute haben wir neue, gelenkerhaltende Methoden, weshalb wir auch jungen Patienten frühzeitig, auch vorbeugend, zu einer Operation raten.

Viele Betroffene scheuen sich vor der Operation. Was passiert, wenn bei schweren Fällen nicht operiert wird?

In der Regel nehmen die Beschwerden und die Fehlstellungen mit der Zeit zu. Und dann gibt es noch mehr Folgeschäden, wie weitere Fehlstellungen der Zehen, Arthrose, Gelenkbeschwerden, statische Veränderungen im ganzen Körper, die dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Man kann mit einem Hallux valgus alt werden, es besteht keine absolute Notwendigkeit zu operieren. Aber was wir sagen können ist, dass es dem Patienten nach einer Operation in der Regel besser geht

Welche Operationsmethode ist heute Standard?

Standard ist, dass heutzutage fast ausschließlich nur noch Operationen durchgeführt werden, bei denen das Grundgelenk der Großzehe erhalten bleibt und die Funktion wieder hergestellt wird, das sind die wesentlichen Merkmale aller Operationstechniken. Das war früher nicht so. Meist wurde dieses Gelenk dabei zerstört und es gab über 100 verschiedene Methoden. Die wurden aber seit einiger Zeit auf nur noch zirka zehn Methoden begrenzt. Heute geht es darum, dass man individuell das Stadium und die Art der Fehlstellung festlegt, anhand von körperlichen Untersuchungen und Röntgenbildern. Wenn das Stadium und die Art der Fehlstellung festliegen, dann ist klar, welche der Operationsmethode von den zehn in Frage kommt. Die eine, alles heilende Methode gibt es nicht. Das ist auch weitgehend ein weltweiter Standard. Was bei den meisten Operationsmethoden gleich ist, die Patienten können den Fuß sofort nach der Operation wieder belasten.

Was kann man vorbeugend tun, damit es gar nicht zu einem Hallux kommt?

Vor allem frühzeitig mit Einlagen beginnen. Bei ersten Beschwerden hilft Physiotherapie, die man dann auch alleine zu Hause praktizieren sollte, und ganz wichtig, High Heels möglichst nur ab und zu tragen.

Deutschland Dr. Stephan von Rüdiger
Bild: DW

Als ausgebildeter Chirurg, Unfallchirurg und Orthopäde behandelt Dr. Stephan von Ruediger seit über 20 Jahren ausschließlich fußchirurgische Probleme.

http://www.fusschirurg-berlin.de/

Interview: Marita Brinkmann