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"Hurrikan Stärke Fünf"

Andreas Knobloch Mexiko-Stadt
10. November 2016

Der Wahlsieg Donald Trumps hat den mexikanischen Peso auf ein historisches All-Zeit-Tief gedrückt. Das trifft die sowieso schwächelnde Wirtschaft Mexikos hart. Andreas Knobloch berichtet aus Mexiko-Stadt.

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USA Mexiko Grenzzaun
Bild: Getty Images/AFP/F.J. Brown

Mexikos Problem mit Trump

Donald Trump im Weißen Haus: Die Befürchtungen in Mexiko reichen von einer Blockade der Investitionen über einen Rückgang beim bilateralen Handel bis hin zu einem möglichen Einbruch des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Nachdem Trump im Wahlkampf gegen illegale (mexikanische) Einwanderer gehetzt sowie Massenabschiebungen angedroht hatte und an der Grenze eine Mauer errichten will, die Mexiko bezahlen soll, gilt er vielen Mexikanern als rotes Tuch.

Gleichzeitig herrscht große Unsicherheit, was wirklich von dem neuen US-Präsidenten zu erwarten ist. Und diese Unsicherheit macht vor allem dem mexikanischen Peso zu schaffen. Bereits vor der Wahl hatte ein möglicher Wahlsieg Trumps für Unruhe an den Finanzmärkten in Mexiko-Stadt gesorgt. Nach jeder für Trump positiven Wahlumfrage war der Peso abgesackt und kurzzeitig sogar unter die psychologisch wichtige Markte von 20 Pesos für einen US-Dollar gefallen. Aus dieser Tendenz könnte nun eine länger anhaltende Talfahrt werden. Als das Wahlergebnis aus dem Norden bekannt geworden war, stürzte der Peso innerhalb weniger Stunden um 13 Prozent bis auf 20,74 ab; später erholte er sich leicht. Am Ende des Börsentages notierte er bei 20,20, ein Minus von sieben Prozent. Finanzexperten halten sogar 22 bis 26 Pesos für realistisch. Der mexikanische Börsenidex verlor am Mittwoch 2,23 Prozent, während die Indizes in den USA und Europa im Plus geschlossen hatten. 

Peso stürzt ab

Ein teurer US-Dollar trifft vor allem jene Mexikaner, die Kredite in dieser Währung halten, Waren importieren oder ins Ausland reisen, also vor allem die städtische Mittelschicht. Andererseits erhöht ein schwacher Peso die Inflationsgefahr - und das beträfe dann auch den Rest der Bevölkerung.Um die die Inflation niedrig zu halten und finanzielle Stabilität zu sichern, hatte Mexikos Zentralbank Ende September bereits zum dritten Mal in diesem Jahr die Zinsen erhöht - von 4,25 auf 4,75 Prozent. Nun wird es zu wohl zu weiteren Zinserhöhungen kommen. Verkäufe von US-Dollar, um den Peso zu stützen, hatte die Zentralbank dagegen im Februar eingestellt. Es ist nicht vollends ausgeschlossen, dass diese wieder aufgenommen werden.

Trump hatte vor allem mit seiner Ankündigung, die Geldüberweisungen von Einwanderern ins Nachbarland zu begrenzen, in Mexiko für Nervosität gesorgt. Die Remittenten stellen die größte Nettoeinnahmequelle des Landes dar - noch vor den Öleinnahmen, die immerhin knapp ein Drittel der Staatseinnahmen ausmachen.

Notfallplan der Regierung

Die mexikanische Regierung hatte vor den Wahlen mitgeteilt, auf einen möglichen Wahlsieg Trumps vorbereitet zu sein und einen Notfallplan angekündigt. Von Währungsreserven, einer flexiblen Kreditlinie des Internationalen Währungsfonds (IWF) und einem Sparhaushalt 2017 war da die Rede, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen.

Die gab es auch am frühen Mittwochmorgen nicht, als Finanzminister Jose Antonio Meade und Zentralbankchef Agustin Carstens in Mexiko-Stadt vor die Presse traten und versicherten, dass Mexiko in einer "starken Position" sei, um dem neuen Szenario mit Donald Trump als US-Präsidenten zu begegnen. Im September noch hatte Carstens gesagt, Trumps Einzug ins Weiße Haus würde Mexiko wie ein "Hurrikan Stärke Fünf" treffen.

Das hörte sich am Mittwoch schon weniger dramatisch an. "Unser Rahmen der öffentlichen Finanzen und die Stärke unserer öffentlichen und privaten Institutionen ermöglichen es uns, vorschnelle Reaktionen auf uns noch nicht bekannte Handlungen [der neuen US-Regierung, Red.] zu vermeiden", so Meade. Er stellte klar, dass das Ergebnis der US-Wahlen keine unmittelbare Auswirkung auf den Handel, die Finanzströme oder die Reisefreiheit zwischen den beiden Nachbarländern hätten. Man werde die Reaktion der Märkte verfolgen und gegebenenfalls "die Steuer-, Währungs-, Finanz- und Handelspolitik anpassen, so dass die soliden makroökonomischen Fundamente des Landes erhalten bleiben."

Was wird aus NAFTA? 

Carstens wiederum betonte, dass seine Behörde die notwendigen geldpolitischen Maßnahmen ergreifen werde, um das Mandat einer niedrigen und stabilen Inflation zu erfüllen. Noch aber ist unklar, welche seiner "Wahlkampfversprechen" Trump wirklich umsetzen wird. Die Unsicherheit aber ist da. "Der Austritt [der USA] oder eine Neuverhandlung des Freihandelsabkommens NAFTA oder die Einführung einer Maßnahme wie eines Tarifs würde sich auf die mexikanischen Exporte auswirken und damit auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. Als Ergebnis von weniger Handel würden die ausländischen Direktinvestitionen zurückgehen, sodass mit dem Rückgang der Exporte und Investitionen Mexikos BIP um drei Prozent in einem Jahr fallen könnte", so die Analystin der Base-Bank, Gabriella Siller, gegenüber der spanischen Tageszeitung El País. "Statt die Staatsausgaben zu senken, müsste die Regierung Programme auflegen, um einen möglichen Effekt durch sinkende Exporte zu verringern", schlägt sie vor. Doch negative Effekte sind auch da nicht ausgeschlossen. Ein höheres Staatsdefizit erhöhe das Risiko für eine Herabstufung der Bonität mexikanischer Staatsanleihen, was wiederum hemmende Auswirkungen auf Investitionen und Konsum hätte.

Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto musste sich viel Kritik anhören, erst spät auf Trumps Ausfälle gegen Mexiko im Wahlkampf reagiert zu haben. Im Februar hatte Peña Nieto Reden Trumps mit denen von Mussolini verglichen und in den Medien wurde spekuliert, dass die Behörden eine Strategie vorbereiteten, um die mexikanischen Interessen in den Vereinigten Staaten zu verteidigen. Im August dann aber kam die unerwartete Einladung Trumps nach Mexiko, die Peña Nieto viel Gegenwind und Gespött einbrachte und seinem Finanzminister und Vertrauten, Luis Videgaray, den Posten kostete.

Abwarten keine Strategie

Jetzt stellt sich heraus, dass Peña Nieto Recht hatte; dass Trump nicht einfach ein Kandidat war, der ignoriert werden konnte. Eine Strategie ist trotzdem nicht erkennbar, wenn man Abwarten nicht für eine Strategie hält.

Die Volkswirtschaften der USA und Mexikos sind nicht zuletzt wegen des Freihandelsabkommens NAFTA aus dem Jahr 1994 eng verwoben. Die USA sind heute Mexikos wichtigster Handelspartner und Investor; der mexikanische Exportsektor produziert wiederum zu rund drei Viertel für den US-amerikanischen Markt. So heute ist ein bedeutender teil der US-Autoproduktion nach Mexiko ausgelagert; auch für deutsche Autobauer wie VW, Audi oder Daimler ist Mexiko zu einem wichtigen Produktionsstandort geworden.

Sollte Trump seine Drohungen wahr machen, könnten viele Mexikaner ihre Arbeit verlieren. Unter einer schnellen Abwertung des Peso werden früher oder später alle leiden. Eine Wirtschaftskrise aber könnte auch eine Migrationskrise werden - und das wäre dann wiederum das Gegenteil dessen, was Trump seit Monaten versprochen hat.