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Hundetöten verboten

24. Januar 2012

Erfolg für Rumäniens Tierschützer: Nach einer Klage kippte das Verfassungsgericht ein Gesetz, das die Massentötung von Straßenhunden ermöglichte. Das Problem der häufig aggressiven Straßenhunde aber bleibt bestehen.

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Streunender Hund (Quelle: http://de.fotolia.com/id/15900654)
Bild: Fotolia/danimages

Taniusa Statchievici war froh, dass sie endlich einen Job gefunden hatte. Die 49-jährige Bukaresterin war monatelang arbeitslos gewesen, nun hatte eine Recycling-Firma sie eingestellt. An einem kalten, verschneiten Januartag überprüfte die hagere, kurzhaarige Frau im Bukarester Stadtteil Ferentari, wo Sammelcontainer für Elektronikschrott aufgestellt werden könnten. Auf einem Gelände der städtischen Grundstücksverwaltung passierte es: Ein Rudel Straßenhunde fiel über sie her und zerfleischte sie förmlich. Trotz mehrerer Notoperationen konnte die Frau nicht gerettet werden - drei Tage später starb sie auf der Intensivstation eines Bukarester Krankenhauses.

Die schreckliche Hundeattacke ereignete sich vor einem Jahr, am 26. Januar 2011. Sie ist nicht der einzige derartige Fall mit Todesfolge, sondern nur der schlimmste der letzten Jahre. Und gewissermaßen die Spitze eines Eisberges. Denn das rumänische Straßenhunde-Problem wird zunehmend schlimmer: Hunderttausende herrenloser Vierbeiner leben in rumänischen Städten und plagen die Bewohner. Allein in Bukarest wurden in den letzten beiden Jahren jeweils mehr als 13.000 Menschen von Hunden gebissen.

"Tierheime für tausende Hunde"

Streunender Hund am Straßenrand (Quelle: http://de.fotolia.com/id/3592106)
Straßenhunde bleiben vorerst verschontBild: Fotolia/Thye Aun Ngo

In diesen Tagen debattiert die rumänische Öffentlichkeit das Thema wieder besonders heftig, Erinnerungen an Hunde-Opfer werden wieder wach. Der Grund: Das rumänische Verfassungsgericht hat am 11. Januar ein Gesetz zur Lösung des Straßenhunde-Problems im Land für verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz war Ende November 2011 vom rumänischen Parlament verabschiedet worden und sollte Städten und Kommunen ermöglichen, Straßenhunde einzufangen und einzuschläfern. Tierschützer hatten daraufhin gegen das Gesetz geklagt – mit Erfolg: Die Verfassungsrichter sahen Formfehler im Gesetz und schickten es ans Parlament zurück.

Viele Bürgermeister und Vertreter von Lokalverwaltungen reagierten mit Kopfschütteln und Entsetzen. "Wir werden dann eben ein Tierheim für tausende Hunde eröffnen, um diese verfluchten Streuner loszuwerden", verkündete beispielsweise der Bukarester Oberbürgermeister Sorin Oprescu entnervt. "Lassen die Tierschützer nun die Sektkorken knallen, weil die Hunde auf der Straße bleiben?", fragte der Präfekt der Hauptstadt, Mihai Atănăsoaei.

Vertreter von Tierschutzorganisationen rechtfertigen sich und nennen das nun gekippte Gesetz "unmoralisch". "Statt die Hunde zu töten, können die lokalen Behörden die Straßenhunde sterilisieren, das ist sehr effizient", heißt es in einer Erklärung der Organisation "Vier Pfoten".

Viel zu viele Straßenhunde

Das ehemalige Königspalais am Platz der Revolution in Bukarest (Quelle: Uwe Gerig +++(c) dpa - Report+++)
Hundeattacken gibt es auch im Zentrum von BukarestBild: Picture-Alliance/dpa

Angesichts der Dimension des Problems empfinden viele die Haltung der Tierschützer fast als zynisch. Auf mehrere hunderttausend wird die Zahl der Straßenhunde in rumänischen Städten geschätzt, für Bukarest schwanken die Angaben zwischen 50.000 und 100.000. In der rumänischen Hauptstadt und auch in anderen Großstädten wie der Schwarzmeer-Hafenstadt Constanta oder der nordrumänischen Metropole Iasi gibt es kaum hundefreie Zonen.

Für Passanten auf den Straßen wird so jeder Weg zur Zitterpartie, vor allem abends und nachts. Die Straßenhunde verteidigen ihr Territorium, greifen häufig in Rudeln an, oft aber auch vereinzelt aus dem Hinterhalt, wenn sie sich in Hauseingängen und Hinterhöfen gestört oder erschreckt fühlen. Laut offizieller Statistik wurden 2010 in Bukarest 13.220 Personen von Straßenhunden gebissen – und dabei zählten die Behörden nur die, die sich nach einer Hundeattacke gegen Tollwut impfen ließen.

Eine Hinterlassenschaft der Diktatur

Das Straßenhunde-Problem ist eine der vielen schwierigen Hinterlassenschaften der Ceausescu-Diktatur. Als ab Ende der 1970er Jahre in Rumänien immer mehr Innenstädte mit ihren kleinen Villen und Gärten "systematisiert", also abgerissen wurden, um Plattenbauten Platz zu machen, nahmen viele der zwangsumgesiedelten Bewohner ihre Hofhunde nicht mit, sondern ließen sie einfach auf der Straße, wo sie sich immer rasanter vermehrten.

Der Präsident Rumäniens Traian Basescu (Quelle: EPA/RADU VIOREANU +++(c) dpa - Report+++)
Als Bukarester Bürgermeister nahm sich Basescu dem Straßenhunde-Problem anBild: picture-alliance/ dpa

Versuche, das Problem in Rumänien zu lösen, gab es in den vergangenen Jahren viele. So ließ Rumäniens derzeitiger Staatspräsident Traian Basescu als Oberbürgermeister von Bukarest in den Jahren 2001 bis 2003 tausende Straßenhunde einfangen und töten. Doch Proteste von Tierschutz-Organisationen und Tierliebhabern aus der Bevölkerung stoppten solche Programme immer wieder. Auch Massensterilisierungen brachten nicht den gewünschten Erfolg. Einzig das siebenbürgische Brasov gilt heute als weitgehend straßenhundefrei – durch ein seit 1996 konsequent durchgeführtes Tötungs- und Sterilisierungsprogramm.

Anderswo sind die Konsequenzen der fahrlässigen Straßenhunde-Politik dramatisch. Immer wieder beispielsweise werden Kinder von Hunde-Rudeln überfallen. Im vergangenen Herbst beispielsweise kam ein 12-jähriger Junge in der ostrumänischen Stadt Vaslui nach einer Hunde-Attacke schwerverletzt ins Krankenhaus und überlebte nur knapp.

Freispruch für den Mörder-Hund

Weniger Glück hatte im Januar 2006 ein japanischer Geschäftsmann in Bukarest. Als er abends in der Nähe des Regierungspalastes aus seinem geparkten Wagen stieg, um nach Hause zu gehen, biss ihn ein Hund ins Bein. Weil dabei eine Schlagader in der Kniekehle durchtrennt wurde, verblutete der Mann.

Kurz darauf kam es zu einem der bizarrsten Prozesse der rumänischen Justizgeschichte. Der Hund, der den Japaner totgebissen hatte, sollte getötet werden – doch die prominente rumänische Anwältin und Tierschützerin Paula Iacob zog dagegen vor Gericht. Iacob hatte Anfang der 1990er Jahre unter anderem den Diktatoren-Sohn Nicu Ceausescu verteidigt. Vor Gericht erwirkte die Anwältin einen Freispruch für den Hund.

Paula Iacob spielte auch bei der Klage gegen das im November verabschiedete Gesetz zur Lösung des Straßenhund-Problems eine Rolle. Als die Verfassungsrichter das 'Aus' für das Gesetz verkündeten, jubelte die 80-Jährige: "Ich bin glücklich. Alle, die sich gegenüber Tieren als Menschen erweisen, freuen sich jetzt."

Autor: Keno Verseck
Redaktion: Robert Schwartz