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Hunde, wollt ihr ewig bellen?

Stephan Hille27. Dezember 2005

Sie lieben das Kollektiv, überqueren lässig mehrspurige Straßen und sind sogar in der U-Bahn anzutreffen. Wie viele herrenlose Hunde in Moskau leben, weiß so genau niemand. Aber es sind viele, sehr viele.

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Stephan Hille

Schätzungen liegen zwischen 20.000 und 100.000 Straßenhunden. Allein nach dem subjektivem Empfinden muss ihre Zahl in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen sein. Kaum setzt man den Fuß aus dem Haus wird es nicht lange dauern, bis man auf ein Rudel herrenloser Hunde stößt. Praktisch an jeder Metro-Station lungern Straßenhunde. Kein Wunder: Die warme Luft aus dem Moskauer Untergrund zieht an. Außerdem sind im Umkreis der Metro-Station die Chancen auf ein Bissen Nahrung am größten. Denn die Straßenköter leben vor allem vom Abfall und vom Mitleid der Moskauer.

Die Hauptstädter sind für rüdes Verhalten und Unfreundlichkeit untereinander berühmt-berüchtigt. Doch der Anblick der zotteligen Vierbeiner öffnet vielen Moskauern das Herz: Nicht selten sieht man in den Metroschächten friedlich schlafende Hunde, die sichtlich übersättigt die um sie herumliegenden Würstchen nicht mehr anrühren.

Diskrete Streuner

Zu den vielen streunenden Hunden verhält sich - höchst erstaunlich - umgekehrt proportional die Menge der Hundehaufen. Vermutlich sind die Streuner diskreter als der Haushund, der sein Geschäft beim Gassi gehen auf dem Gehsteig verrichtet. Vielleicht liegt es auch daran, dass in Moskau ein Heer von Straßenfegern beinahe rund um die Uhr damit beschäftigt ist, die Straßen sauber zu halten.

Ein viel größeres Ärgernis sind herrenlose Hunde aber in der Nacht: Bellt einer, bellen alle im Rudel. Häufig die ganze Nacht. Morgens sieht man die Streuner dann friedlich zusammengerollt und schlafend vor dem Haus.

Zu Sowjetzeiten wurde den Straßenhunden ein kurzer Prozess gemacht: Für jeden eingefangenen herrenlosen Vierbeiner gab's für den Fänger eine Prämie und für den Hund entweder Gift oder Gas. Noch immer hält sich das hartnäckige Gerücht, dass die getöteten Hunde anschließend zu Haushaltsseife verarbeitet wurden. Doch das ist ein Mythos, vermutlich zurück zu führen auf den unangenehmen Geruch sowjetischer Kernseife. Inzwischen gilt für die tierischen Vagabunden das Recht auf Leben. Seit 2002 versucht die Moskauer Stadtregierung, das Problem der wachsenden Zahl von Straßenhunden durch eine massenhafte Sterilisation in den Griff zu bekommen.

Ohne Erfolg: Es fehlt an einer klaren gesetzlichen Regelung, an genügend Einrichtungen, wo die Tiere nach einem medizinischen Eingriff wieder auf die Beine kommen können. Vor allem aber dürfte es am nötigen Geld fehlen, zumal noch immer Unklarheit darüber herrscht, wie viele herrenlose Hunde es überhaupt in Moskau gibt.

Zunehmende Verwilderung

Klar ist nur, dass sie sich rasant vermehren und, dass auch aus den Vorstädten immer mehr streunende Vierbeiner nach Moskau kommen. Sorgen macht den Behörden eine zunehmende Verwilderung der Hunde. So steigen die Fälle von Bissen und regelrechten Angriffen von wolfsähnlichen Rudeln auf Passanten. Schon warnen Experten vor einem drastischen Rückgang von Igeln, Fröschen, Hasen, Eichhörnchen und sogar Rehen, die in den Moskauer Naherholungsgebieten leben und offensichtlich auf dem Speiseplan verwilderter Hunde gelandet sind.

Inzwischen mehren sich die Stimmen, die eine Rückkehr zur brachialen Methode empfehlen, um der Situation Herr zu werden. Doch solche Ratschläge rufen wiederum den wütenden Widerstand von Tierschützern auf den Plan. Eine Lösung scheint bislang nicht in Sicht. Welch ein Hundeleben!