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"Humanz": Die Gorillaz vs. Trump

Julia Hitz
1. Mai 2017

Sie wollten ein Album machen, das das politische Geschehen vorwegnimmt, in dem Donald Trump aber nur im Worst Case als Präsident der USA in Erscheinung tritt. Doch dann hat die Gorillaz die Realität eingeholt.

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Gorillaz
Bild: picture alliance/dpa/Warner Music/M. Allan

Es waren Gedankenexperimente zu Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur, die 2015 am Anfang des neuen Gorillaz-Album standen, das jetzt erschienen ist. "Das schlimmste Szenario" für den Bandleader: die Präsidentschaft Donald Trumps, die damals noch reichlich unwahrscheinlich schien. "Ich hätte nie ernsthaft gedacht, dass Trump gewählt werden würde. Ich wollte in erster Linie ein Album über die Vereinigten Staaten von Amerika machen. Die Idee war, sich auszumalen, was passieren könnte, sollte diese Extremsituation eintreten", sagte Damon Albarn der Nachrichtenagentur AFP. 

Gorillaz
Gorillaz-Erfinder Jamie Hewlett (l.) und Damon Albarn (r.)Bild: Getty Images/A. Stawiarz

Die kreativen Geister hinter der vierköpfigen Comicband Gorillaz sind der Musiker Damon Albarn und der Zeichner Jamie Hewlett. Die beiden Briten riefen die Gorillaz 1998 ins Leben und trafen offenbar einen Nerv. Bereits ihr Debüt-Album machte sie 2001 zur erfolgreichsten virtuellen Band aller Zeiten.

Die Geschichte von Bands wie den Gorillaz beginnt zwar bereits 1958, als Alfie and the Chipmunks, eine fiktive Spin-off-Band der gleichnamigen Zeichentrickserie, mit ihren Quietschestimmchen in den Charts landeten. Die Gorillaz aber legten die Messlatte höher: Sie waren gleichzeitig musikalisch und formal innovativ, und beschäftigten sich außerdem mit politischen Inhalten. Sie hätten sich die Gorillaz damals ausgedacht, weil erfundene Figuren die ehrlichste Antwort seien auf eine Welt, in der praktisch nichts mehr echt oder glaubwürdig sei, so Hewlett und Albarn. Die bisher vier Alben der Gorillaz verkauften sich mehr als 15 Millionen Mal.

Musikalische Experimentierfreudigkeit

Während die Grundidee für die Gorillaz aus einer Kritik am damaligen Musikfernsehen mit seinen austauschbaren Protagonisten entstand, wurden sich Damon Albarn und Jamie Hewlett schnell des Potentials des Projektes bewusst: Durch die Virtualität der Charaktere waren sie weder im Genre noch im Look eingeschränkt. Und so sind die Gorillaz seit ihrer Gründung für ihren innovativen musikalischen Stilmix berühmt. Für alle ihre Alben arbeiteten sie mit einer ganzen Reihe namhafter Musiker mit einer hohen Bandbreite zusammen: Von Snoop Dogg über Lou Reed bis zu Bobby Womack.

Albumcover Gorillaz Humanz
Cover von "Humanz"

Im Fall von "Humanz" hat Damon Albarn in erster Linie mit US-amerikanischen Musikern kooperiert: Neben den Gesangsdivas Grace Jones und Mavis Staples sind die Hip-Hop-Band De La Soul und der Rapper Pusha T auf dem neuen Album vertreten. Albarn ist ein musikalischer Tausendsassa, er hat als Frontmann der Band Blur nicht nur den Britpop maßgeblich geprägt, sondern auch an die dreißig Platten veröffentlicht, Opern komponiert, Musicals inszeniert und immer wieder interessante internationale Projekte ins Leben gerufen - wie das "Africa Express Project", bei dem westliche und afrikanische Musiker zusammenarbeiten. Für sein vielseitiges Schaffen hat ihn die Queen 2015 mit dem britischen Verdienstorden geehrt.

Technische Innovation

Das Schöne am Projekt der Gorillaz sei der Pioniergeist, hat Damon Albarn mal gesagt: "Was wir machen, hat noch nie jemand versucht, es gibt keine Blaupause, an die wir uns halten müssen. Die Regeln gibt es einfach noch nicht." Die vier Comicfiguren, Sänger 2D, Bassist Murdoc Niccals, Gitarristin Noodle und Drummer Russel Hobbs sind die virtuellen Bandmitglieder der Gorillaz und haben schon so manche Metamorphose hinter sich.

Albumcover Gorillaz Demon Dayz
Gorrillaz: Sänger 2D, Bassist Murdoc Niccals, Gitarristin Noodle und Drummer Russel Hobbs

In den Livesets, die Albarn gern zusammen mit unzähligen Gastmusikern bestreitet, werden sie meist auf große Videoleinwände projiziert. Die vier Gorillaz waren 2005 auch als Hologramme bei den MTV Music Awards auf der Bühne - der erste Hologramm-Auftritt einer Band überhaupt. Die reine Hologramm-Tour, geplant für 2007/2008, wurde allerdings wegen der Kosten und technischen Probleme abgesagt.

Aber Albarn und Hewlett experimentieren bis heute mit den neuen technischen Möglichkeiten: In diesem Jahr veröffentlichten sie mit "Saturnz Barz", der zweiten Singleauskopplung von "Humanz", ein Virtual-Reality-Video. Mit über drei Millionen Klicks in den ersten 48 Stunden wurde es zum erfolgreichsten VR-Debüt auf der Videoplattform YouTube. Für den Release von "Humanz" gaben Murdoc und 2D kürzlich dem britischen Musikmagazin NME ihr erstes Live-Interview.

Politische Dimension

Der politische Anstrich ist für die Gorillaz nichts Neues: Bereits ihr zweites Album "Demon Days" (2005) behandelte Themen wie den Irakkrieg oder die Waffengewalt in britischen Großstädten. "Plastic Beach" zeichnete 2010 eine Welt voller Müll. Ganz in dieser Tradition geht es auch 2017 weiter: Der erste Song des aktuellen Albums wurde vorab zu Trumps Amtseinführung veröffentlicht: "Hallelujah Money" ist eine Kooperation mit dem britischen Sänger und Songwriter Benjamin Clementine, der den "New York Times" als einer der 28 wichtigsten kreativen Innovatoren des Jahres 2016 gilt. Trump wird hier zwar - wie im gesamten Album - nicht namentlich erwähnt, aber das ist auch gar nicht nötig, um zu verstehen, dass die Texte auf den neuen US-Präsidenten abzielen. Sie richten sich unter anderem gegen Habgier und das "Bauen von Mauern".