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Ein Jahr nach dem Putsch

28. Juni 2010

Ein Jahr nach dem Putsch ist Honduras bemüht, sich im Ausland als Demokratie zu präsentieren. Die Krise ist aber keineswegs vorbei. Es herrschen weiter Gewalt, Repression und Straflosigkeit.

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Graffiti in Tegucigalpa: "Weg mit den Putschisten"Bild: DW

Der Präsident war noch im Schlafanzug, als ihn die Putschisten am 28. Juni 2009 im Morgengrauen zuhause überraschten und festnahmen. Manuel Zelaya wurde von den Generälen ins Ausland abgeschoben. Aus den Neuwahlen im November vergangenen Jahres ging der Konservative Porfirio Lobo von der PNH, der "Nationalen Partei von Honduras" als Sieger hervor. Seither ist das bitterarme, zentralamerikanische Land wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Die Krise aber ist keineswegs vorbei, in Honduras herrschen weiter Gewalt, Repression und Straflosigkeit.

40 Morde pro 100.000 Einwohner - das ist fünf Mal so viel wie der Weltdurchschnitt. Honduras gilt mittlerweile als eines der gefährlichsten Länder des Kontinents. Kaum ein Verbrechen wird aufgeklärt, es herrscht faktisch Straflosigkeit, von der Kleinkriminelle bis hin zu korrupten Politiker profitieren. Eine Situation, die auch dem Putsch vor einem Jahr Vorschub leistete, als sich die Generäle über die Verfassung hinweg setzten und den amtierenden Präsidenten aus dem Amt jagten.

Gefährlichstes Land des Kontinents

Honduras / Manuel Zelaya
Der geputschte Präsident - Manuel Zelaya im ExilBild: AP

Danach befand sich Honduras im Ausnahmezustand: Im ganzen Land fanden Protestmärsche gegen den Putsch statt, die von Militär und Sicherheitskräften mit brutaler Gewalt aufgelöst wurden. Im September 2009 wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung außer Kraft gesetzt und die Pressefreiheit eingeschränkt. Viele Medienanstalten wurden geschlossen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat seitdem über 4.000 Fälle von massiver Einschüchterung und Verfolgung dokumentiert. Mindestens zehn Menschen wurden allein während der Unruhen getötet.

Alle diese Vorwürfe soll derzeit eine Wahrheitskommission untersuchen, die der seit dem 27. Januar 2010 amtierende, neue Präsident Lobo ins Leben gerufen hat. Sie solle aber auch ein Zeichen setzen gegen die seit Jahren herrschende Straflosigkeit im Land, sagt Bernard Martínez, Kulturminister im Kabinett von Lobo und ehemaliger Präsidentschaftskandidat. Die Botschaft, die man mit dieser Kommission in die Welt sende, sagt er, sei folgende: "Schaut her, wir wollen aufklären, was am 28. Juni passiert ist! Aber nicht nur das", fügt er hinzu, "wir wollen auch die vielen anderen Menschenrechtsverbrechen aufklären, die hier passieren: die Kriminalität, die Morde, die Straffreiheit. Damit wir wieder in aller Welt anerkannt werden."

Honduras ein Jahr nach dem Putsch
Honduras' Kulturminister Bernard Martínez Valerio Partido de Inovación y Unión PINUBild: DW


Ernst gemeinte Aufklärung?

Das sei der zentrale Punkt, sagt Bertha Oliva vom "Komitee für die Verteidigung der Menschenrechte in Honduras (CODEH)", es gehe vor allem um die Außenwirkung. In jeder international akzeptierten Wahrheitskommission seien Täter und Opfer gleichermaßen beteiligt, sagt sie. In Honduras aber habe der neue Präsident die Mitglieder "selbst und hinter verschlossenen Türen" ausgewählt. Es gehe der Staatsführung unter dem rechtsgerichteten Unternehmer offenbar nur darum, das Image seiner Regierung auf internationaler Ebene zu verbessern. "Wir sind der Überzeugung, dass in dieser Kommission nicht der geringste Wille besteht, aufzuklären oder gar zu bestrafen."

Auch das "Komitee Familienangehöriger von Verhafteten-Verschwundenen (COFADEH)" spricht in seinem jüngsten Bericht von 700 politisch motivierten Angriffen allein seit der Amtsübernahme von Lobo Ende Januar. Betroffen seien demnach vor allem Aktivisten der Demokratiebewegung, Gewerkschafter und kritische Journalisten. Mitte Juni erst wurde mit Luis Arturo Mondragón der achte Journalist ermordet. Kein einziger Fall wurde bislang aufgeklärt. Für die Organisation "Reporter ohne Grenzen“ ist Honduras derzeit sogar das gefährlichste Land der Welt.

Honduras ein Jahr nach dem Putsch
Bilder von Opfern des Putsches, im Menschenrechtszentrum COFADEHBild: DW

Umstrittener Präsident

International war die Wahl von Porfirio Lobo im November 2009 umstritten, weil sie unter offensichtlicher Kontrolle der Putschisten stattfand und weil er ihnen als Geschäftsmann und Großgrundbesitzer nahe steht. Doch inzwischen bröckelt die Front der Kritiker. Nach den USA, Peru, Kolumbien und Kanada erkennen jetzt auch europäische Staaten, wie etwa Spanien, die neue Regierung an. Damit habe Madrid klargestellt, dass ihm Freihandel wichtiger ist als Menschenrechte, sagt Bertha Oliva. Spanien, das momentan noch die EU-Ratspräsidentschaft innehat, spielte die führende Rolle bei den Freihandelsverhandlungen zwischen der EU und Zentralamerika, die ohne Honduras nicht möglich waren.

Autorin: Ina Rottscheidt

Redaktion: Anne Herrberg