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Honduras träumt vom Neuanfang

Astrid Prange24. November 2013

Bei den Wahlen in Honduras bahnt sich eine Rückkehr des abgesetzten Ex-Präsidenten Manuel Zelaya an. Vier Jahre nach dem Putsch gehört die von ihm gegründete Partei "Libre" zu den stärksten politischen Kräften im Land.

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Wahlkampfplakate in Honduras. (Foto: AFP)
Bild: Orlando Sierra/AFP/Getty Images

Neustart in Tegucigalpa: Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an diesem Sonntag will sich das mittelamerikanische Land neu erfinden. Zum ersten Mal seit hundert Jahren können die Bürger zwischen acht Kandidaten und neun politischen Formationen wählen. Die Vorherrschaft der zwei traditionellen Parteien, die sich bisher an der Macht abwechselten, scheint vorbei zu sein.

Viele Beobachter hoffen auf einen demokratischen Neustart. 15.000 nationale und 741 internationale Beobachter werden das Kopf-an-Kopf-Rennen begleiten. "Es ist eine sehr wichtige Wahl, denn zuletzt 2009 hatten viele Leute das Gefühl, sie hätten keine Optionen", sagt Inés Klissenbauer vom Hilfswerk Adveniat, das in Honduras Sozialprojekte unterstützt. "Bei dieser Wahl gibt es mehr Optionen und die Leute fühlen sich besser vertreten."

Ex-Präsident Zelaya will Honduras reformieren

Einer, der an die Macht will, ist Manuel Zelaya. Der ehemalige Präsident von Honduras sorgte am 28. Juni 2009 unfreiwillig für weltweite Schlagzeilen. Im Morgengrauen wurde Zelaya im Schlafanzug abgeführt und nach Costa Rica ausgeflogen. Nach Protesten der internationalen Staatengemeinschaft gegen den Staatsstreich kam es im November 2009 zu Neuwahlen.

Manuel Zelaya reckt den Daumen in die Höhe (Foto: AFP)
Honduras Ex-Präsident Manuel Zelaya unterstützt seine Ehefrau im WahlkampfBild: Orlando Sierra/AFP/Getty Images

Ex-Präsident Manuel Zelaya allerdings nahm an den Wahlen nicht teil. Er verfolgte den Urnengang von der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa, die ihm vier Monate lang Asyl gewährte. Im Januar 2010 ging er nach Verhandlungen mit dem neu gewählten Präsidenten Porfirio Lobo vorübergehend ins Exil in die Dominikanische Republik.

Nun will der geschasste Ex-Präsident erneut in den Regierungspalast einziehen - diesmal allerdings durch die Hintertür. Die honduranische Verfassung verbietet eine Wiederwahl von Amtsträgern. Im jetzigen Wahlkampf agiert Zelaya also "nur" als Politikberater seiner Frau Xiomara Castro de Zelaya, Präsidentschaftskandidatin der von Zelaya neu gegründeten Partei "Libre" (Partido Libertad y Refundación; Deutsch: Partei der Freiheit und Neugründung).

Wandel in Sicht: Starke Parteien wollen Honduras erneuern

"Wenn Xiomara die Wahlen gewinnt, wird sie das Projekt von Zelaya übernehmen und eine verfassungsgebende Versammlung bilden, um ein neues Honduras zu gründen", prognostiziert Ricardo Lagos Andino, ehemaliger Botschafter von Honduras in Deutschland und Professor für Politik an der nationalen Universität in Tegucigalpa. Nach seiner Ansicht zementiert die jetzige Verfassung die Machtverhältnisse. Sie trage dazu bei, dass eine kleine Elite der Wirtschaft und der Politik das ganze Land beherrsche. "Zelaya möchte diese Macht sprengen, so dass Veränderungen möglich sind", sagt Andino.

Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro de Zelaya bei einer Rede (Foto: AFP/ GettyImages)
Unerfahrene Politikerin: Doch Xiomara Zelaya will an die MachtBild: AFP/Getty Images

Die Chancen der ehemaligen First Lady von Honduras, nun selbst zur ersten Staatschefin des Landes aufzusteigen, stehen nicht schlecht. Nach der jüngsten Umfrage des lateinamerikanischen Meinungsforschungsinstituts "Cid Gallup" vom 24. Oktober 2013 wollen 27 Prozent der Wahlberechtigten für die 54-jährige Ehefrau Zelayas stimmen, die bis jetzt noch kein politisches Amt ausgeübt hat. 28 Prozent haben sich für den Kandidaten der regierenden konservativen Nationalpartei, Parlamentspräsident Juan Orlando Hernandez, ausgesprochen.

Experimente für ein neues Honduras

Auch die regierende Nationalpartei setzt auf Erneuerung. Sie will unter anderem mit Hilfe von ausländischen Investoren spezielle Entwicklungsregionen im Land einrichten. Wie in einem Labor sollen in diesen abgetrennten Gemeinwesen Musterstädte angelegt werden, die funktionierende Sozialsysteme, vorbildliche Rechtsprechung und ein liberales Steuerrecht von anderen Ländern übernehmen und in Honduras testen.

Im honduranischen Wahlkampf stößt diese Idee, die von dem amerikanischen Wirtschaftsprofessor Paul Romer an die Regierung in Tegucigalpa herangetragen worden war, auf großen Widerstand. Die linken politischen Kräfte verurteilen sie als Neoliberalismus. Die Befürworter in der Nationalen Partei wollen das Projekt dagegen mit einer neuen Expertenkommission weiter vorantreiben.

Viele soziale und wirtschaftliche Probleme in Honduras

Für die meisten der rund acht Millionen Einwohner von Honduras muten diese Debatten ohnehin theoretisch an. Denn sie kämpfen jeden Tag ums Überleben, im wahrsten Sinne des Wortes. Nach Angaben der einheimischen Presse gehört Honduras zu den gefährlichsten Ländern der Welt. Die Mordrate liegt dort bei 85,5 Toten pro 100.000 Einwohnern. Zum Vergleich: Im weltweiten Durchschnitt liegt die Zahl nach UN-Angaben bei sieben Toten pro 100.000 Einwohner.

Kinder spielen auf alten Matratzen (Foto: Getty Images)
Armut und Gewalt gehören in Honduras zum AlltagBild: Spencer Platt/Getty Images

Wirtschaftlich liegt das Land am Boden. 62 Prozent der Bevölkerung lebt nach Angaben der Weltbank in Armut. Geringe Steuereinnahmen und hohe Staatsausgaben für die Gehälter von Angestellten im Öffentlichen Dienst haben die Staatsverschuldung 2012 in nur einem Jahr von 4,5 auf 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hoch getrieben. Angesichts fallender Weltmarktpreise sinken auch die Einnahmen aus den Exportprodukten Kaffee und Bananen.

Die Leute in Honduras seien unzufriedener als die Bevölkerung in Haiti, obwohl sich der karibische Inselstaat immer noch nicht von dem verheerenden Erdbeben 2010 erholt hat, lautet die niederschmetternde Erkenntnis der jüngsten Umfrage "Barómetro de las Américas: 2013" (Deutsch: Amerikanisches Barometer) von der Vanderbilt University in Nashville. Die politische Polarisierung, Korruption und Straflosigkeit hätten eine große Unzufriedenheit hervorgerufen. Umso wichtiger ist für die Bevölkerung ein politischer Neustart nach der Wahl.