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"Hohes Interesse an der europäischen Tradition"

Das Interview führte Milan Tillich8. August 2006

Jugend und Klassik sind nicht zu vereinbaren? Das sieht Gabriele Minz anders und hat 15 internationale Jugendorchester nach Berlin geladen. DW-WORLD.DE hat mit der Initiatorin des Festivals young.euro.classic gesprochen.

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Das Festival-Motto ist "Europa strahlt aus" - bis nach China

DW-WORLD.DE: Frau Minz, young.euro.classic ist vor wenigen Tagen gestartet und hat jetzt das erste Wochenende hinter sich. Wie läuft es bisher?

Gabriele Minz: Das Festival ist ganz wunderbar angelaufen. Wir haben drei sehr unterschiedliche Konzertabende erlebt - und das vor vollem Haus. Die Qualität der Orchester hat in diesem Jahr gleich zu Beginn sehr überzeugt.

young.euro.classics Initiatorin des Festivals, Gabriele Minz Porträtfoto
Festival-Initiatorin Gabriele Minz

Ihr Festival geht nun in die siebte Runde und hat sich inzwischen zur festen Institution gemausert. Wo liegen die Anfänge und wie sind Sie mit der bisherigen Entwicklung zufrieden?

Das Festival besteht seit dem Jahr 2000 und war eigentlich nur einmalig geplant. Da jedoch die Publikumsresonanz sowie das Interesse der Orchester an einer Teilnahme sehr groß waren, haben wir uns entschieden, den Schritt zur Wiederholung zu wagen. Mit der Entwicklung sind wir sehr zufrieden. Young.euro.classic ist inzwischen zu einer weltweit gefragten Plattform für prä-professionelle Orchester mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössischer Symphonik geworden, und wir können uns über Anfragen von Orchestern aus aller Welt freuen.

Wie wird die Auswahl der Orchester getroffen?

Einerseits bewerben sich die Orchester, andererseits planen wir jedes Jahr unter konzeptionellen Gesichtspunkten. Letztes Jahr hatten wir einen Schwerpunkt im asiatischen Raum. Dieses Jahr haben wir die Kontakte nach Asien wieder aufgenommen und werden den Campus, ein einwöchiges Akademieprojekt, mit dem Konservatoriumsorchester aus Shanghai und Musikern des Jungen Klangforum Mitte Europa bestreiten. Den Abschluss bildet dann ein chinesisch-europäisches Konzert. Der zweite Schwerpunkt des Festivals liegt im Nahen Osten. Wir haben zum ersten Mal ein syrisches und ein israelisches Studentenorchester dabei, außerdem noch junge Musiker des Konservatoriums in Istanbul.

Mit der Auswahl des zweiten Schwerpunkts wurden Sie ja quasi von der aktuellen politischen Situation eingeholt. Äußert sich die Brisanz der politischen Lage im Nahen Osten in irgendeiner Art und Weise?

Das Klima auf dem Festival ist ganz ausgezeichnet. Aus logistischen Gründen wird es aber nicht zu einem Zusammentreffen des syrischen und israelischen Orchesters kommen - das israelische Orchester reist erst an, nachdem das syrische bereits wieder abgereist ist. Das ist keine Absicht aufgrund der aktuellen Lage, sondern war bereits im Vorfeld so geplant. Die Brisanz ist natürlich gegeben, aber wir empfinden es als ein Anzeichen von Normalität, wenn unter demselben Festival-Dach syrische und israelische Musiker spielen, auch wenn sie sich ganz unmittelbar nicht begegnen.

Wie würden Sie das Verhältnis junger Menschen zu klassischer und zeitgenössischer E-Musik bewerten? Erkennen Sie Unterschiede hierzulande und in anderen Teilen der Welt?

Young.euro.classic versteht sich erst einmal durchaus als Forum, welches es jungen Leuten einfach macht, klassische Konzerte zu besuchen. Wir haben ja auch einen relativ hohen Anteil an jungen Zuhörern. Zweitens wollen wir mit young.euro.classic nicht nur den europäischen Sprachraum abbilden, sondern wollen auch zeigen, wie überall in der Welt europäische Orchestermusik rezipiert wird. Da gibt es spannende Beobachtungen. Während hierzulande oft ein überaltertes Publikum beklagt wird, besteht in Asien und im Nahen Osten gerade bei jungen Menschen ein sehr großes Interesse an dieser europäischen Tradition. Wir hoffen natürlich auch, dass ein wenig davon wieder zurückschwappt.

young.euro.classics Festival Jugendorchster Dirigent Lutz Köhler
Lutz Köhler leitet das Joven Orquestra Nacional de España

Schlägt sich Ihr Ansinnen auch in den Publikumszahlen nieder?

Absolut. Wir haben zwar noch keine Zahlen, wir können aber schon anhand von Beobachtungen sagen, dass geschätzt ein Drittel des Publikums aus jungen Leuten besteht, ein weiteres Drittel aus Touristen und eins aus dem üblichen Konzertpublikum. Das ist etwa die Mischung, mit der wir es im letzten Jahr zu tun hatten und mit der wir auch in diesem Jahr rechnen. Das ist ein Anteil von jungen Zuhörern, um den uns die anderen Konzerthäuser beneiden.

Für welche Werke interessieren sich die jungen Musiker? Gibt es da spezielle Präferenzen?

Das Interesse ist durchaus sehr vielfältig, aber auch die Offenheit ist ganz außerordentlich. So haben wir beispielsweise mit dem chinesischen Orchester vereinbaren können, dass sie die diesjährigen Jubilare Hans Werner Henze, Wolfgang Amadeus Mozart und Robert Schumann in ihr Programm aufnehmen, kombiniert mit einer chinesischen Uraufführung, wo das chinesische Saiteninstrument Erhu gespielt wird. Ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie stark einerseits die Ausstrahlungskraft europäischer Orchestermusik ist und wie offen andererseits die jungen Chinesen für ungewöhnliche Ideen sind.

Das Festival findet noch bis zum 20. August im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt.