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Hoher Preis für Billigmode

Christina Ruta13. Dezember 2012

In einigen indischen Textilfabriken werden junge Frauen wie Sklavinnen behandelt. Auch Firmen in Deutschland beziehen ihre Ware aus dieser Region. Doch eine Auskunftspflicht über die Zuliefererkette gibt es nicht.

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Indien Kinderarbeit Textilindustrie, Mädchen in einer Spinnerei.
Bild: picture-alliance/Godong

Ein Pullover für 20 Euro, eine Jeans für 30 Euro - dass die Jagd nach Mode zu Schnäppchenpreisen oft auf Kosten asiatischer Textilarbeiter geht, ist den meisten Kunden bekannt. Im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu hat sich ein menschenverachtendes System etabliert. Es heißt Sumangali. Das tamilische Wort bedeutet "die Braut, die Wohlstand bringt".

Die Eltern geben ihre Töchter für eine drei- bis vierjährige "Ausbildung" in Textilfabriken oder Garnspinnereien, damit sie sich ihre Mitgift verdienen. Dort werden die Mädchen dann ausgebeutet: Die Vergütung für einen rund zwölfstündigen Arbeitstag liegt in der Regel bei unter 60 Euro-Cent. Ein versprochener Bonus von rund 500 Euro wird nur ausgezahlt, wenn die Mädchen die gesamten drei oder vier Jahre durchhalten - meist an die Familie des Bräutigams. Die Mädchen dürfen das Gelände nicht verlassen und müssen zusammengepfercht in Baracken leben. Oft werden sie geschlagen oder sexuell belästigt. Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes schätzt, dass 120.000 Mädchen betroffen sind, und berichtet von regelmäßigen Fluchtversuchen.

Volker Beck von den Grünen (Foto: Michael Gottschalk/dapd)
Volker Beck von den GrünenBild: dapd

Keine Transparenz bei Zulieferern deutscher Firmen

Auch viele in Deutschland ansässige Modeketten importieren aus der indischen Region Tamil Nadu, einem der größten Textilstandorte der Welt. Unklar ist jedoch, ob die Firmen auch Sumangali-Betriebe in ihrer Zuliefererkette haben. Eine rechtlich verbindliche Auskunftspflicht gibt es diesbezüglich nämlich nicht: "Es ist ein wesentlicher Kritikpunkt von uns, dass nicht transparent gemacht wird, ob der Verbraucher hier Sklavenarbeiterprodukte kauft, oder Produkte, die zufällig in derselben Region hergestellt werden, aber unter normalen Arbeitsbedingungen", sagt Volker Beck, menschenrechtspolitischer Sprecher der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seine Partei hat im Oktober mit einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung das Thema in den Bundestag gebracht. Im DW-Interview fordert er rechtlich verbindliche Regeln für deutsche Unternehmen: "Wir wollen, dass die Unternehmen offenlegen müssen, woher sie ihre Produkte beziehen."

Mehr Transparenz - das hält auch Antje Schneeweiß vom Südwind-Institut für wichtig. Die Autorin einer gerade veröffentlichten Studie zu Arbeitsrechtverstößen in der indonesischen Textilindustrie sieht aber nicht nur die Verbraucher in der Pflicht: Auch Aktionäre könnten den Modefirmen zu verstehen geben, dass sie nur in Unternehmen investieren werden, die ihre Verantwortung im Hinblick auf Arbeits- und Menschenrechte ernst nehmen, so Antje Schneeweiß: "Meine Erfahrung zeigt, dass Unternehmen auf diese klar formulierten Anforderungen von Investoren reagieren."

Wühltisch in einem Kaufhaus (Foto: Ulrich Perrey, dpa)
Konsumenten auf SchnäppchenjagdBild: picture-alliance/dpa

Lange Produktionsketten

Viele Hersteller veröffentlichten bereits die Namen ihrer Zulieferer auf ihren Internetseiten. "Allerdings sind das meist nur die Hauptlieferanten und da sind die Arbeitsbedingungen vermutlich noch am besten", sagt Antje Schneeweiß. Doch der jeweilige Hauptlieferant vergebe die Aufträge oft weiter.

Auf die langen Produktionsketten verweist auch die Modefirma H&M, die wie viele andere Unternehmen ihre Ware in Südindien fertigen lässt. Der Konzern teilte der DW in einer schriftlichen Stellungnahmen mit: "Sumangali kommt häufig in Spinnereien vor, teilweise also in Bereichen, auf die H&M keinen direkten Einfluss hat. Hier ist ein industrieweiter Ansatz gefragt, der neben anderen Firmen auch Regierungsvertreter mit einbezieht."

Die Grünen fordern Importverbote

Volker Beck von den Grünen sieht vor allem die Bundesregierung in der Pflicht: "Wenn etwas unter Sklavenbedingungen oder in menschenrechtswidrigen Verhältnissen produziert wird, muss man auch die Einfuhr beschränken können", sagt er.

Die Bundesregierung selbst weist diese Verantwortung von sich. In ihrer Antwort auf die Grünen-Anfrage vom Oktober schreibt sie: "Importverbote können zuständigkeitshalber nur von der EU verhängt werden." Die Einhaltung von Sozialstandards sei rechtlich nicht durch die Welthandelsorganisation (WTO) geregelt. Importverbote aufgrund der Verletzung von Sozialstandards seien somit WTO-rechtlich nicht zulässig.