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Hoffen auf Joschka

Udo Bauer10. Oktober 2002

Die Deutschen leiden unter dem Liebesentzug ihrer amerikanischen Freunde. Klar ist aber, dass die Krise mit den USA mehr war als nur ein schlechter Traum. Beobachtungen von DW-TV-Korrespondent Udo Bauer.

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Wann kommt er denn endlich? Wann wird er von Colin Powell zum Gespräch eingeladen? Der deutsche Außenminister wird dieser Tage gehandelt als "point man" und "troubleshooter" der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Manche professionelle Transatlantiker in Washington - wohlgemerkt nur die der deutschen Institutionen - sehen in Joschka Fischer gar eine Art Heilsbringer. Zumindest aber hoffen sie darauf, dass es mit dem ersten offiziellen Ministerbesuch in Amerika seit der Bundestagswahl endlich wieder bergauf geht. Die Deutschen hierzulande können es nicht ertragen, wenn die Amerikaner schmollen und nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Das hat es in der Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben.

Von Deutschland hintergangen

Tatsächlich kann auch eine politische Lichtgestalt wie Joschka Fischer daran nicht unmittelbar etwas ändern, solange sich an der deutschen Irakpolitik nichts grundsätzlich ändert. Für die Amerikaner ist ein hartes Vorgehen gegenüber Saddam Hussein - und wenn es sein muss ein Krieg - zu einer außenpolitischen Säule zementiert worden. Sie sind fest davon überzeugt, dass der Diktator von Bagdad die größte Gefahr für Amerika, den Nahen Osten und die ganze Welt darstellt, und sie fühlen sich in dieser Frage von ihren deutschen Freunden nicht nur im Stich gelassen, sondern regelrecht hintergangen. Was nützt da ein freundlicher Gedankenaustausch mit Colin Powell ("My good friend Joschka"). Der amerikanische Außenminister ist ein glänzender Kommunikator. Daher sollte der bevorstehende freundschaftliche Pressetermin mit Fischer und Powell, auf den jetzt offenbar alle Deutschen hoffen, nicht als Türöffner überbewertet werden. Es wird nicht mehr als ein erster kleiner Schritt nach vorne.

Den Spieß umgedreht

Der deutschen Regierung wird von Teilen der politischen Nomenklatura in Washington allen Ernstes ,Gaullismus' vorgeworfen. Man stelle sich vor, die Deutschen haben tatsächlich die Franzosen, deren Widerspenstigkeit hierzulande sprichwörtlich ist, als ungeliebteste Westeuropäer abgelöst. Rhetorisch haben die Amerikaner damit längst den Spieß umgedreht. War bislang aus deutscher Sicht die Bush-Regierung als Unilateralisten am Pranger, so sind jetzt die Deutschen aus Sicht vieler Amerikaner Isolationalisten oder Unilateralisten. Deutschland habe sich mit seiner pazifistischen Position (und die gilt in den USA generell als gefährlich) zu Irak nicht nur vom Mainstream im UN-Sicherheitsrat entfernt, sondern auch innerhalb der EU isoliert, heißt es immer wieder.

Der "gefährliche" deutsche Weg

Gegenüber DW-TV sah sich Richard Burt, US-Botschafter in Deutschland von 1985-89, sogar an schlimme Zeiten erinnert: "Die Geschichte hat uns gelehrt: Wenn Deutschland beginnt, sich von seinen Nachbarn, Alliierten und Partnern zu distanzieren, dann passieren gefährliche Dinge." Auch wenn der hochgeschätzte Diplomat hier ein wenig übers Ziel hinausschoss, so zeigt dies doch, wie tief die Verstimmung auf amerikanischer Seite wirklich ist.

Viel wird in der transatlantischen ,Community' in Washington auch philosophiert über den Unterschied zwischen "persönlichem Verhältnis" und "Arbeitsverhältnis". Wird Kanzler Schroeder je wieder ein persönliches Verhältnis zu George W. Bush aufbauen können oder arbeitet man künftig nur nüchtern zusammen? Es ist kein Geheimnis, dass Schroeder und Bush nie ein warmes persönliches Verhältnis zueinander hatten. Der selbstbewusste Niedersachse ("Ich schlage doch vor den USA nicht die Hacken zusammen!") war dem Texaner immer etwas zu forsch und zu direkt, glauben amerikanische Diplomaten zu wissen. Die angeblichen antiamerikanischen Töne Schroeders im Wahlkampf und der angebliche Hitlervergleich haben das ohnehin schwache Beziehungspflänzchen gleich mitsamt der Wurzel herausgezogen. "Etwas aufzubauen dauert sehr lange, etwas zu zerstören geht hingegen schnell", sagt Richard Burt und fügt gleich dazu: "Ich bin mir nicht sicher, ob die deutsch-amerikanischen Beziehungen jemals wieder so werden, wie sie einmal waren.